„Politisches Kino lohnt sich für Hollywood nicht.“
- ️www.critic.de
- ️Thu Mar 23 2006
Interview mit Spike Lee zu Inside Man
Spike Lee blickt auf ein vielseitiges Oeuvre von Kinofilmen, Fernsehproduktionen, Dokumentationen und Kurzfilmen zurück. Zum Start seines stilsicheren Hochglanzthrillers Inside Man sprach er mit Thomas Abeltshauser für critic.de über die Produktion, seine näheren beruflichen Zukunftspläne und natürlich New York.
critic.de: Satteln Sie jetzt auf kommerzielle Filme um?
Spike Lee: Ich versuche, nicht in solchen Kategorien zu denken. Ich konnte glücklicherweise immer die Filme drehen, die ich wollte. Ich habe in den letzten 20 Jahren 20 Filme gemacht. Ich wähle sie nicht danach aus, ob sie Independent oder Mainstream sind. Der Film ist nicht vordergründig politisch wie die meisten meiner anderen Filme. Aber der soziale Kommentar ist da, allerdings nur im Hintergrund.
Mussten Sie Kompromisse eingehen?
Nein, wir haben den Film genauso gemacht, wie wir wollten. Aber ich muss mir natürlich die Meinungen und Besetzungswünsche des Studios anhören. Aber ich wusste von Anfang an, dass ich Denzel Washington für die Hauptrolle haben will.
Es ist bereits Ihr vierter Film mit ihm. Warum besetzen Sie ihn immer wieder?
Ich mag sein Schauspiel, was er mit seinen Figuren macht. Ich bin immer wieder überrascht, was er mir liefert. Aber er ist nicht mein Alter Ego, wenn Sie das meinen.
Ein wichtiger Charakter in Ihrem neuen Film ist das Bankgebäude in Manhattan. Hatten Sie dafür auch eine Art Casting?
Ja, und wir hatten richtig Angst, weil wir diese Location erst ganz zum Schluss gefunden haben. Wir konnten einfach kein passendes Gebäude finden, bis wir schließlich diese leer stehende Bank an der Wall Street entdeckten. Sie war einfach perfekt mit ihrer großartigen Architektur, den Säulen und all dem Marmor.
Haben Sie sich andere Banküberfall-Filme angesehen?
Ja, aber nicht nur. Wir sahen Dog Day Afternoon, Serpico, Marathon Man, Midnight Cowboy, Thomas Crown Affair, Manhattan… Aber es ging nicht darum, diesen Look des 70er Jahre Kinos nachzuahmen. Ich habe dem Team diese Filme gezeigt, damit sie sehen, dass wir einen Genrefilm drehen, der sich dramaturgisch auf bestimmte Vorgänger bezieht.
Es wurde in letzter Zeit viel über ein neues politisches Kino in Hollywood gesprochen.
Ich denke, das ist eine falsche Bezeichnung. Die Filme, auf die Sie anspielen, wie Syriana und Good Night and Good Luck, wurden alle von Independent Studios gemacht. Die großen Studios laufen nicht los und machen politische Filme. Keiner dieser Filme hat soviel Geld gemacht, dass es für die Studios interessant wäre. Brokeback Mountain kostet 14 Millionen, kein Studio macht einen Film zu diesem Preis.
Was ist mit dem New Black Cinema passiert?
Sagen Sie es mir. Schwarzes Kino besteht heute doch nur noch aus Filmen über Drogendealer, Gangster, HipHop und Rap oder Komödien.
Wie gefiel Ihnen der Oscar-Gewinner L.A. Crash?
Er war in Ordnung, aber ich habe nicht für ihn gestimmt. Meine Stimme ging an Spielbergs München, der gefiel mir einfach besser.
Als Sie vor drei Jahren Ihren Film 25 Stunden vorstellten, sagten Sie, die emotionale Realität in New York ein Jahr nach dem 11. September sei Angst. Was hat sich seitdem verändert?
Ich will nicht verallgemeinern, aber die meisten haben ihr Leben wieder im Griff, doch jeder weiß, dass es wieder passieren kann und wahrscheinlich auch passieren wird. Die Frage ist nur wie. Mein größtes Problem mit der Stadt ist, dass es quasi unmöglich ist, dort zu leben, wenn man nicht reich ist. Es gibt kaum noch Sozialwohnungen, die öffentlichen Schulen sind ziemlich schlecht.
Würde George W. Bush den Film mögen?
Ich glaube nicht. Er könnte denken, eine der Hauptfiguren beruht auf seinem Großvater Prescott Bush, der mit den Nazis Geschäfte machte. Das habe ich aber erst vor kurzem erfahren. Aber das ist natürlich gut für den Film.
Sie drehen gerade eine Dokumentation über den Hurrikan Katrina.
Er heißt When the Levees broke (Als die Deiche brachen). Wir konzentrieren uns auf New Orleans. Der Film ist vom TV-Sender HBO finanziert, aber wir hoffen, zu ein paar Filmfestivals eingeladen zu werden.
Und sie planen einen Film über Joe Louis und Max Schmeling.
Ja, wir werden wahrscheinlich in Babelsberg drehen. Hugh Jackman wird Schmeling spielen und Terrence Howard Louis. Wir sind gerade auf der Suche nach der Finanzierung und einem deutschen Verleih. Es soll ein großer Film werden. Es geht um Roosevelt, Hitler, Goebbels, Mussolini…
Und Sie sind auf der Suche nach einer deutschen Schauspielerin für Schmelings große Liebe Anni Ondra.
Ich habe gestern Franka Potente das Drehbuch gegeben. Und Martin Wuttke soll Hitler spielen.
Wenn Sie soviel Geld brauchen, sollten Sie Bernd Eichinger fragen. Der hat seit Der Untergang Erfahrung mit Hitler.
Dann sollten wir ihn anrufen und ihm das Drehbuch schicken.
Aber da würden wohl zwei Egos aufeinander krachen.
Kommen Sie, ich habe mit Brian Grazer zusammen gearbeitet. Da dachte auch jeder, wir würden aufeinander losgehen, aber wir kamen sehr gut miteinander klar. Mich haut nichts um.
Wie war es mit Jodie Foster zusammen zu arbeiten? Bringt sie eigene Ideen mit ein?
Das einzige, was Jodie zu mir sagte, war: „Spike, ich will glamourös aussehen.“ Deswegen Schuhe von Manolo Blahnik für 900 Dollar. Ich weiß das, weil meine Frau diese Schuhe kauft und ich sehe die Kreditkartenabrechnung.