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Politik und Werbung im Plakat

Das politische Plakat, genauer genommen das republikanische Plakat, erfuhr in der Zeit des Spanischen Bürgerkriegs eine ausgesprochene künstlerische Blüte.(26) Dies hängt mit der innen- und außenpolitischen Bedrängung der Spanischen Republik zusammen. Francos aggressive Eroberungspolitik wurde dagegen mit stillschweigender Duldung der ausländischen Regierungen geführt, das Engagement deutscher Truppen wurde in der Presse lange verschwiegen. So konnten die Faschisten seit dem Juli 1936 auf eine Reihe von militärischen Erfolgen in Spanien zurückblicken. Ihre Politik und Ideologie waren Teil des Status quo und daher auf Werbung nicht angewiesen.(27) Anders sah die Situation bei den Republikanern aus. Seit dem Nichteinmischungsabkommen folgte eine militärische Niederlage auf die andere. Im Ausland fanden sie kaum Gehör und mußten für ihre Sache mit allen nur erdenklichen Mitteln Aufmerksamkeit erregen. Ein Medium dafür war das Plakat. Der Graphiker Carles Fontseré (geb. 1916) erinnert sich, wie die Gewerkschaft der Berufszeichner, eine Gruppe von Werbegraphikern und Kinoplakatmalern, spontan begann, erste Plakate zu malen, als sie von Francos Putsch im Juli 1936 erfuhren.(28) Spaniens Graphiker sollten innerhalb eines Jahres mehr als 2.000 verschiedene Plakate entwerfen, die im Ausland auf Solidaritätsveranstaltungen verbreitet wurden und in Spanien selbst den öffentlichen Raum dominierten, wie 1938 der Spanienkämpfer George Orwell (1903-1950) bemerkte: "Überall leuchteten revolutionäre Plakate von den Wänden, so daß die vereinzelt übriggebliebenen Reklamen daneben wie Lehmkleckse aussahen."(29)

Guilléns Plakat (Abb. oben links) wirbt für die Politik der Azaña-Regierung. Die Angreifer verfangen sich in der republikanischen Fahne von Azañas Avantgarde, fallen wie Pappfiguren um: Es sind der säbelschwingende Franco, der als Büttel der deutschen Wehrmacht gekennzeichnet ist, Hitler selbst, der blutrünstige Mussolini mit marokkanischem Fez, da er für Franco Kolonialtruppen nach Spanien einfliegt, und der Jesuit Gil Robles, der ultrakonservative Monarchist, mit dem Herz Jesu um den Hals.(30) Dieser schließt scheinheilig die Augen. Um Robles als reaktionären Feind der Republik zu kennzeichnen, folgt er dem klassischen Vorbild politischer Karikatur: dem Birnengesicht. Es führt die karikaturistische Tradition seit Leonardo da Vinci fort, in der sich das ebenmäßige Knabengesicht einer griechischen Statue Schritt für Schritt in einen qualligen Frosch verwandelt.(31) In der französischen Zeitschrift "La Caricature" erschien 1831 in vier Stadien das Gesicht von Bürgerkönig Louis-Philippe (Abb. oben rechts). Kopfform, Mund, Augen und Nase des französischen Monarchen werden zunehmend verzerrt, bis es sich in eine mit wenigen Strichen angedeutete Birne umgeformt hat. 1834 wurde die Lithographie ein weiteres Mal in "Charivari" abgedruckt.(32) Seitdem ist das Birnengesicht ein fester ikonographischer Bestandteil politischer Karikatur und fand in unzähligen Darstellungen von Honoré Daumier (1808-1879) Verbreitung. Das Protestpotential der Birne offenbart sich auch darin, daß sowohl der Schöpfer des Birnengesichts Charles Philipon (1806-1862) als auch Daumier mehrfach wegen Majestätsbeleidigung vor Gericht standen. Das Birnengesicht ist das Symbol republikanischen Protests.(33)