Elfenbein Verlag
PAUL: Ich bin ihr einfach gefolgt. Die Rolltreppe hoch, durch das Bahnhofsgeb�ude, �ber den Platz am Taxistand vorbei zu �Kaufhof�, der eher einer Baustelle glich als einem Warenhaus. Zwischen Salattheke und Biogem�se nahm ich all meinen Mut zusammen und sprach sie an. Ich lie� irgendeinen d�mlichen Spruch los, von dem ich hoffte, dass sie ihn witzig f�nde, und als sie lachte, fragte ich, ob ich sie zum Kaffee einladen d�rfe. �Ja gerne, wo denn?� Ich war sprachlos. Dar�ber hatte ich mir noch gar keine Gedanken gemacht, und so schlug ich auf die Schnelle das Restaurant in der vierten Etage vor. � Wor�ber spricht man mit einer fremden Frau? Ich wei� es nicht. Ich plapperte einfach drauflos. Ich redete und redete, nur damit sie nicht einfach aufstehen und gehen konnte. Ich wollte ihr von Tina erz�hlen, und es war klar, dass das nicht ging. Ich wollte ihr etwas von mir erz�hlen, ohne dauernd �ber mich quatschen zu m�ssen. � Seit ich siebzehn war, hatte ich K�nstler werden wollen. Ich mei�elte Holzfiguren. M�nner und Frauen in Lebensgr��e. Meist mit h�ngenden Armen, manchmal mit den H�nden in der Hosen- oder Manteltasche. Manche sa�en auf St�hlen und B�nken. Grob zugehauen waren sie, wenn man n�her hinschaute, konnte man genau sehen, wo ich den Beitel angesetzt hatte. Zwei oder drei hatte ich lediglich mit der Motors�ge bearbeitet, skizzenhafte Skulpturen nannte ich das. Das raue, klobige Holz verlieh ihnen Charakter. Sie waren kleine Pers�nlichkeiten. Jede Figur hatte ihre eigene W�rde. Nur eines hatten all meine Holzm�nner und Holzfrauen gemeinsam: Sie waren genau wie ich exakt 183 Zentimeter gro�. Ich wollte sie auf Augenh�he mit mir haben. Das war eine Frage des gegenseitigen Respekts.
BARBARA: Ich kam von einem Freier in der Warschauer Stra�e. Einem freundlichen �lteren Herrn, dessen Frau vor ein
paar Jahren gestorben war und der mich vor allem f�rs Zuh�ren bezahlte. Ein witziger Kerl; vielleicht verbarg er
hinter seinen Sp��en aber auch nur seine Verzweiflung. Irgendwie mochte ich ihn. Aber heute war einer dieser Tage,
ich f�hlte mich schmutzig. Die Wohnt�rme am Frankfurter Tor krallten sich im grauen Himmel fest, und ich lief eilig
die Treppe zur U-Bahn hinunter. Ich wollte so schnell wie m�glich nach Hause. � Ich kramte in meiner Tasche, und
als ich den Kopf wieder hochnahm, sah ich den Mann. Er war gro� und schlaksig und bewegte sich fahrig, flatterhaft.
Er ging an der Bahnsteigkante auf und ab, den Kopf tief gesenkt, so dass seine schulterlangen Haare sein Gesicht
verbargen. Jedes Mal bevor er wendete, legte er den Kopf in den Nacken, warf unentschlossen die Arme kurz hoch
und drehte dann auf der Ferse um. Lautlos. Vor der gelben Notrufs�ule blieb er schlie�lich stehen, beide
Fu�spitzen genau an der Bahnsteigkante, und ruckelte langsam hin und her. Als wollte er seine Schuhe an dem
schwarzwei�en Karomuster der Bodenfliesen ausrichten. Pl�tzlich warf er den Oberk�rper nach hinten, lehnte sich
weit zur�ck, bogenf�rmig, ruderte kurz mit den Armen, dann stand er wieder kerzengerade. Sekundenlang. Schlie�lich
hob er das linke Bein, streckte es weit vom K�rper ab, seitlich, wie ein Hampelmann. Zur�ck. Rechtes Bein. Ein
Verr�ckter. Wieder weit nach hinten, die F��e immer noch an der Kante. Armrudern. Linkes Bein, rechtes Bein.
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