HAMID SKIF auf der MARABOUT-SEITE - GEOGRAFIE DER ANGST
- ️Janko Kozmus
Literarisches Portrait: Hamid Skif
1951
Am 21. März als Mohamed
Benmebkhout in Oran geboren, die Familie (von Händlern) stammt
ursprünglich aus Bou Saâda.
1960er
1973
Schulbildung im Gymnasium Ibn Badis in Oran.
1968
tritt er in Oran dem Théâtre de la Mer bei; im
nächsten Jahr verlegt dieses seine Tätigkeit nach Algier,
wo Kateb Yacine zu ihm stoßen wird.
Im Juni erfolgt die Veröffentlichung eines von der Regierung
inkriminierten Artikels über die Polizei.
1975
Umsiedlung nach Ouargla in Ostalgerien, in der Sahara gelegen. Tätigkeit
bei der algerischen Presseagentur Algérie Presse Service (l'APS).
1982
Poèmes
d'El-Asnam et d'autres lieux (Gedichte aus El-Asnam und anderen
Orten). Oran 1982 und Algier 1986.
1984
Umsiedlung nach Nordalgerien, in die Küstenstadt Tipasa. Leitende
Tätigkeit im dortigen Büro der l'APS.
Nouvelles
de la maison du silence
(Nachrichten aus dem Haus des Schweigens), Oran 1984 u. Algier 1986[2].
1990
kündigt Hamid Skif seine Tätigkeit bei der Presseagentur
l'APS auf, um das Wirtschaftswochenmagazin Perspectives zu
gründen.
1992
begründet
er mit Kollegen die Vereinigung algerischer Journalisten ('Association
des journalistes algériens).
1995/96
Vier
Monate als Stipendiat im Heinrich Böll Haus in der Nordeifel.
1997kann
sich Hamid Skif mit der Hilfe von Freunden ins Exil nach Hamburg retten.
- Nach Bombenanschlagen auf sein Haus und seine Redaktion, nach dem
Tod eines Cousins gleichen Namens und zweier seiner Mitarbeiter ist
ein Leben in ständiger Furcht vor einem Anschlag von islamistischer
Seite auf ihn oder seine Familie nicht mehr zu ertragen.[3]
Poèmes
de l'adieu, Gedichte. Marseille 1997.
Trommeln
gegen die Traumdiebe, in: Internationales Autorencolloquium Kunst
+ Freiheit - Literatur + Diktatur Jena 1997.
1998
- 2000
Stipendiat
der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte.
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1999
La
Princesse et Le Clown, Roman. Paris 1999.
Citrouille
fêlée dit Amar fils de mulet (dt: Hure mit Krawatte.
Erzählungen aus Algerien; Übersetzung: Ursula Günther.
Köln 2004). Internetpublikation 1999.
2000
Writers-in-Exile-Stipendiat des P.E.N.- Zentrums Deutschland[4]
in Hamburg.
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2002
Monsieur
le président[5]
(dt: Sehr geehrter Herr Präsident. Köln 2003), Briefroman.
Internetpublikation 2002[6].
- Der pensionierte Grundschullehrer H.B. reklamiert seine ausstehende
Rente, die ihm trotz hervorragender Leistungen, immerhin ist er der
Erfinder des universalen Rechenschiebers, nicht ausbezahlt wird. Er
reklamiert, er insistiert, er kommt von seiner persönlichen Problematik
auf die des ganzen Landes, Algerien, zu sprechen, die letzten Jahrzehnte
werden aufgerollt: bitter und heiter zugleich ist nur der Ton des
Erzählens.
2003
Im
September wird Hamid Skif in Hamburg vom französischen Generalkonsul
der Orden Chevalier des Palmes Académiques[7]
verliehen.
2005
Ausgezeichnet
mit dem mit € 15.000 dotierten Preis Literatur im Exil
der Stadt Heidelberg für den Briefroman Sehr geehrter Herr Präsident.
2006
La
géographie du danger (dt: Geografie
der Angst. Aus dem Französischen: Andreas Münzner.
Hamburg 2007), Roman. Paris 2006. - Der Roman erzählt die beklemmende
Geschichte eines illegalen Einwanderers, der sich seit Monaten bei
dem homosexuellen Studenten Michel versteckt, der in diesen verliebt
ist. Gefahr zieht auf, als Michel entdecken muss, dass sich der "Illegale"
für die Tochter eines Nachbarn interessiert.
Les
Exilés du matin suivis de Lettres d’absence (dt: Exile der
Frühe/Briefe eines Abwesenden. Aus dem Französischen: Andreas
Münzner. Heidelberg 2005). Algier 2006.
Texte
in Publikationen des P.E.N.-Zentrums Deutschland:
1. Schreiben in friedloser Welt. Essays und Diskussionen.
2. Die Zeit ist ein gieriger Hund - Stimmen aus dem Exil.
2007
Ausgezeichnet
mit dem Prix de l'association des écrivains de langue française
für den Roman La géographie du danger (dt: Geografie
der Angst).
Ausgezeichnet mit dem Prix du Roman Francophone für den
Roman La géographie du danger (dt: Geografie
der Angst).
2011
Am
18. März, wenige Tage vor seinem 60. Geburtstag, stirbt Hamid
Skif nach langer Krankheit. Bis zu seinem Tod lebte er mit seiner
Frau und seinen vier Kindern in Hamburg.
(noch nicht aufgenommen)
1) Das war das erste Mal, dass der Journalist Hamid Skif Schwierigkeiten mit der Regierung bekam. Der Artikel, schreibt er selbst, "erschien in der Zeitung La République und zwar an dem Tag, als der damalige Leiter der Polizei Geburtstag hatte. Das wusste ich damals nicht. Auch danach versuchte ich hartnäckig, das Gesetz zu verteidigen und die Irrwege eines politisch linken Systems deutlich zu machen, das mit der extremen Rechten angebandelt hatte". Vgl. Algerien überlebt. Bericht von amnesty international im Juni 2003.
2) Aus Gründen der Zensur konnte dieses Buch erst viele Jahre nach seinem Entstehen erscheinen. Vgl. Interview im Deutschlandradio. 22.11.2005.
3) Vgl. Interview im Deutschlandradio, a.a.O. und Writers in Exile. Hamid Skif v. Gert Heidenreich.
4) In dem Bericht von Gert Heidenreich, a.a.O. heißt es, Skif sei zum 31.12.2005 aus dem Programm ausgeschieden. Das Stipendium wird zunächst für ein Jahr vergeben und kann verlängert werden. Ob es in diesem Fall für die gesamte Dauer bestand, konnte nicht eindeutig bestätigt werden, ist aber anzunehmen. Über die konkrete Förderung des Stipendiums heißt es im P.E.N.-Programm: "Die Stipendiatinnen und Stipendiaten sind in Berlin, Hamburg, Köln und München in vom P.E.N. angemieteten und eingerichteten Wohnungen untergebracht, werden vom P.E.N. krankenversichert und erhalten aus den zur Verfügung stehenden Mitteln einen Betrag zur Bestreitung ihrer Lebenshaltungskosten".
5) In einem Interview mit der algerischen Zeitung Liberté Interview de Hamid Skif - wird Skif folg. Suggestivfrage gestellt: "Monsieur le président ist doch ein politisches Buch, eine Denunziation des Regimes? Skif antwortet: "Ich weiß nicht, was Sie unter einem politischen Buch verstehen. Ich bin zuerst ein Schriftsteller, der die Gesellschaft entschlüsselt. Ich habe nicht die Rolle des Politikers zu spielen. Mein Wunsch ist es zu sehen, dass meine Bücher die Leser zum Nachdenken bewegen. Die einzige Waffe, die ich einsetze, ist der Spott. Ich bin ein Zeuge und wenn ich es erreiche, dass diese Funktion akzeptiert wird, das wäre viel. Ich bin bekümmert durch die Tatsache, dass wenige Algerier so gut schreiben, wie sie dazu in der Lage wären. Stellen Sie sich unseren Reichtum vor, wenn meine Landsleute, und insbesondere die Frauen, alle Generationen vermischt, sich daran machten, ihr Erlebtes zu bezeugen. Ich habe unglücklicherweise das Gefühl, dass wir uns in der Zivilisation des Schweigens befinden." (Übersetzung: J. K.) Vgl. Un écrivain virtuel.
6)
Im genannten Interview in der Liberté wird Hamid Skif
auch nach dieser Form der Publikation gefragt:
"Sie sind jetzt als ein Autor, der im Internet publiziert bekannt.
Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?" Skif antwortet:
"Ich habe ein Seminar zu diesem Thema besucht, vom Europarat
in Strasbourg organisiert, zu Schwierigkeiten und Perspektiven der
Publikation von Literatur im Internet. Es handelt sich nicht um ein
Allheilmittel, aber um ein fabelhaftes Werkzeug, um die politische
und ökonomische Zensur zu unterlaufen. Dank Internet kann jeder Leser
- sofern er über geringe oder auch nur begrenzte Mittel verfügt -
ein digitales Exemplar eines Werkes erhalten. So erklärt sich der
Geld- und Zeitgewinn. Natürlich kann nichts das Vergnügen ersetzen,
in einem Buch zu blättern oder in einer Bibliothek zu stöbern, aber
die digitale Edition bietet so große Möglichkeiten für die Schwellenländer,
dass wir diesen neuen Zugang nicht ablehnen können. Ich bleibe 00h00.Com
weiter treu, das bereits drei meiner Bücher publiziert hat. Dass kann
mich nicht davon abhalten, von Neuem die Vorzüge der traditionellen
Edition zu suchen." (Übersetzung: J.K.) Vgl. Un écrivain
virtuel, a.a.O.
7) Die Auszeichnung bedeutet ein Würdigung von Personen, die einen "beispielhaften Beitrag auf dem Gebiet der Erziehung und der Kultur leisten".
Un écrivain virtuel, Interview de Hamid Skif, in: Liberté v. 28.03.2002.
Interview mit im Deutschlandradio v. 22.112005.
Writers in Exile. Hamid Skif v. Gert Heidenreich auf P.E.N. Zentrum Deutschland.
Interview im Deutschlandradio anlässlich der Verleihung des Preises Literatur im Exil, Preis der Stadt Heidelberg, 2005.
Sammlung von Artikeln aus algerischen Zeitungen zu Hamid Skif auf dzlit.free.fr, in frz. Sprache.
Writers in Exile. Hamid Skif v. Gert Heidenreich auf P.E.N. Zentrum Deutschland.
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