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Mehr Lust auf Lust: Pimpinella anisum hilft irgendwie immer

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  • ️Sat Feb 22 2014

Mehr Lust auf Lust Pimpinella anisum hilft irgendwie immer

22.02.2014, 09:33 Uhr

Gegen jedes Übel ist ein Kraut gewachsen. Manchmal ist so ein Mittel von Mutter Natur fast universell einsetzbar - gegen Mundgeruch und Kopfläuse, Luft im Bauch und Schlangenbisse, nachlassende Libido und schlechte Träume.

Anis hat die Ehrung verdient. Wohlriechend, wohlschmeckend, wohltuend - all das trifft auf den Doldenblütler mit dem botanischen Namen Pimpinella anisum zu, der wegen seines breiten Wirkspektrums "Heilpflanze des Jahres 2014" wurde. Anis wurde schon von den antiken Ägyptern, Griechen und Römern geschätzt und bereits 1500 v. Chr. im Papyrus Ebers als Mittel gegen diverse Erkrankungen beschrieben. Ob Mundgeruch, Bauchgrimmen oder Liebesunlust - Anis kam immer zum Einsatz. Damit wurden diverse Speisen gewürzt und Tees gebrüht, das verdünnte Anisöl wurde inhaliert oder diente als Einreibung, getrocknete Pflanzen sollten, am Kopfende des Bettes aufgehängt, schlechte Träume vertreiben; in Tempeln brachte man Anis den Göttern dar. Pythagoras und Hippokrates empfahlen Anis nicht nur zur Verbesserung des Atems, sondern auch als Tonikum für jugendliches Aussehen.

Pimpinella anisum in einer historischen Darstellung. Die Form der Pflanze ähnelt dem Dill, aber auch dem giftigen Schierling.

Pimpinella anisum in einer historischen Darstellung. Die Form der Pflanze ähnelt dem Dill, aber auch dem giftigen Schierling.

(Foto: imago stock&people)

Anis galt als Allroundmittel: Plinius vermerkte, dass Anis "für die Köche und die Ärzte" wachse. Mit Anis gewürztes Brot und Gebäck galt als Delikatesse: Bei Ausgrabungen im Kolosseum fand man unter den steinernen Sitzreihen Anisgebäck - Reste der berühmten römischen Aniskekse, die den Zuschauern bei den Gladiatorenkämpfen wohl vor Begeisterung aus den Händen gefallen waren. Die Kekse, die der Dichter Vergil überschwenglich lobte, haben offenbar nicht nur geschmeckt, sondern waren sehr bekömmlich und halfen den für ihre ausufernden Gelage bekannten Römern bei der Verdauung fetter Speisen. Zum gleichen Zweck aß man im Mittelalter kandierte Anissamen, und Inder kauen noch heute gern ganze Samen für die Verdauung und zur Erfrischung des Atems.

Die Heimat des Anis' liegt vermutlich in Westasien und am östlichen Mittelmeer, wo er auch heute noch wildwachsend vorkommt. Die Pflanze gedeiht auch in unseren Breiten, doch der Anisanbau ist sehr wetterabhängig und nur in sehr heißen Sommern erlangt der mitteleuropäische Anis optimale Erntereife. Kleine Anbauflächen finden sich zwar auch in Deutschland, doch der Import ist weitaus ökonomischer. Der überwiegende Teil der gehandelten Anissamen stammt aus Spanien und der Türkei.

Frisch ans (eheliche) Werk

Anissamen sollten erst kurz vor der Verwendung zerkleinert werden.

Anissamen sollten erst kurz vor der Verwendung zerkleinert werden.

(Foto: picture alliance / dpa)

Nach Europa kam der Anis um 800 nach Christus. Wem wir das gesunde Mitbringsel zu verdanken haben, ist nicht genau auszumachen. Vermutlich waren es Seefahrer, die die duftenden Samen von den orientalischen Basaren mitbrachten. Seinerzeit wurde Anis sehr teuer gehandelt, denn es galt auch als potenzfördernd. Die ersten, die Anis kultivierten, waren  Benediktinermönche; nehmen wir mal wohlwollend an, sie bauten Anis weniger wegen der Potenzsteigerung, sondern eher wegen der Heilkraft an. Im Mittelalter verbreitete sich der Anbau über ganz Europa und Mitte des 16. Jahrhunderts wuchs Anis in vielen Küchengärten. Da hatte frau gleich immer ein Kräutlein zur Hand, wenn's mit dem Gemahl mal nicht so klappen wollte: Anis soll helfen, wenn es an der "nötigen Begierde zu ehelichen Werken fehlt", verkündet der Heidelberger Mediziner Tabernaemontanus. Dessen Zeitgenosse Leonhard Fuchs schreibt in seinem Kräuterbuch dem Anis heilende Wirkung auch bei Wunden durch "gifftige thiere" zu, so "auff ihre biß gelegt". Einig sind sich alle Gelehrten vom Altertum bis ins 19. Jahrhundert hinein: Anis ist eine Super-Verdauungshilfe! Er "vertreibt das aufbleen des bauchs", regt den Magen an und hilft gegen Völlegefühl, lindert Bronchitis und löst Verschleimungen. Und natürlich hilft Anis auch heute bei Bauchschmerzen und Husten; Mütter von kleinen Kindern wissen das sicherlich. Die European Scientific Cooperative on Phytotherapy (ESCOP), Dachverband vieler nationaler Gesellschaften für Phytotherapie, empfiehlt Anissamen als entzündungshemmendes und antimikrobielles Mittel, bei Bronchitis, Rachenentzündungen sowie bei Beschwerden im Magen- und Darmbereich.

Zwar verwenden wir heutzutage Anis weniger in der Küche, meist nur in der Weihnachtsbäckerei, dabei bietet sich Anis gut zum Würzen an: Zu Fisch und Hackfleisch, Currys und Möhrengerichten passt der lakritzartige, blumige Geschmack gut. Vorsicht beim Würzen ist allerdings geboten, damit der Anisgeschmack nicht alles übertönt - das passiert leicht. Auch Kompotte und Gebäck bekommen damit eine besondere Note und werden zudem leichter verdaulich. Sollten Sie sich an das Anis-Experiment wagen, kaufen Sie möglichst frische und ganze Samen. Schon die verlieren selbst bei sachgerechter Lagerung (verschlossen und dunkel) innerhalb eines Jahres einen Großteil ihres Aromas. Gemahlener Anis aus dem Supermarktregal ist schlichtweg untauglich. Die Samen werden erst kurz vor der Verwendung gemörsert, dann ist der volle Anisgeschmack garantiert. Davon benötigen Sie sehr wenig, denn frisch gemahlener Anis würzt etwa doppelt so stark wie die ganzen Samen.

Kopfläuse haben was gegen Anisöl, auch Blattläuse im Garten mögen die Pflanzen nicht.

Kopfläuse haben was gegen Anisöl, auch Blattläuse im Garten mögen die Pflanzen nicht.

(Foto: imago stock&people)

Den meisten von uns dürfte Anis in einer speziellen Form bekannt sein: im Ouzo, Mastika, Pastis, Pernod oder im Raki. Mit dem Küstennebel hat auch Deutschland seinen Anisschnaps. Zudem findet man in indischen oder chinesischen Gewürzmischungen sehr oft Anis. Weniger bekannt ist, dass Anis in der pharmazeutischen Industrie zum Verdecken unangenehmer Gerüche oder eines schlechten Geschmacks von Arzneimitteln verwendet wird. Anis aromatisiert Zahnpasten, Mundwässer und Pfeifentabak. Kaum bekannt dürfte sein, dass Läuse gegen Anisöl keine Chance haben. Die ätherischen Öle lösen bei den Parasiten eine Art Erregung aus, auf die ein schneller Tod durch Muskellähmung folgt. Falls Ihre Kleinen aus Kita oder Schule mal wieder Krabbelgäste mit nach Hause bringen, hilft Anisöl aus der Apotheke: Damit die Kopfhaut beträufeln, einwirken lassen und anschließend Läuse und Nisse mit einem Läusekamm entfernen und die Haare mit Teebaum-Shampoo waschen. Wiederholung ist vermutlich angeraten …

Anisöl wird übrigens sowohl aus Anis als auch aus Sternanis gewonnen. Obwohl beide Gewürze botanisch nicht miteinander verwandt sind, enthalten beide das nahezu identische ätherische Öl Anethol. Wagen Sie sich mutig - aber mit Fingerspitzengefühl - an das Würz-Experiment und bringen Sie die Sonntagsente mal chinesisch auf den Tisch:

Zitronen-Ente

Zutaten (4 Pers):

4 Barbarie-Entenkeulen oder –brüste
1 Knolle Knoblauch (richtig: Knolle)
3 Stangen Porree
1 EL geschälte Mandeln
Olivenöl, Butter, Salz, Pfeffer
Marinade:
1 Bio-Zitrone (Saft und abgeriebene Schale)
2 Kaffirzitronenblätter (Asia-Shop)
3 EL Honig
1 TL Anis
1 TL fein gehackter Ingwer
1 TL Pfefferkörner
1 TL Sojasauce

Zubereitung:

Alle Zutaten für die Marinade verrühren und 10 Minuten kochen. Durch ein feines Sieb geben und so lange einkochen, bis ein Sirup entsteht. Das Fleisch säubern, abtrocknen und mit Salz und Pfeffer würzen. Verwenden Sie Entenbrust, bitte die Haut rautenförmig einritzen.

Etwas Olivenöl in einer Pfanne erhitzen und die Entenstücke mit der Hautseite nach unten langsam 10 Minuten braten. Wenden, mit Marinade bestreichen und weiter braten. Während der gesamten Bratzeit das Fleisch mit Marinade bestreichen. 

In der Zwischenzeit die Knoblauchzehen schälen, den Porree putzen, das lose Grün abschneiden. Die Stangen schräg in 2 cm dicke Scheiben schneiden. 2 EL Butter zerlassen und darin die Porreescheiben, die Knoblauchzehen und die Mandeln etwa 10 Minuten lang langsam braten. Zu den Entenstücken und Duftreis servieren.

Viel Erfolg wünscht Ihnen Heidi Driesner.