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Hauskrach bei Reformierten wegen israelkritischen Hilfswerks | NZZ

  • ️Simon Hehli
  • ️Fri Jan 23 2015

Proisraelische Kommentatoren nehmen das Heks ins Visier: Es unterstütze eine radikale NGO und nehme im Nahostkonflikt einseitig Partei. Das Heks widerspricht vehement.

Der offene Brief des emeritierten Theologieprofessors war gepfeffert: Das Hilfswerk der evangelischen Kirchen der Schweiz (Heks) vertrete eine radikal antiisraelische Haltung, schrieb Ekkehard Stegemann an den Evangelischen Kirchenbund. Stein des Anstosses ist die finanzielle Unterstützung des Heks für die israelische Organisation Zochrot (hebräisch für «Erinnern»). Deren selbst deklarierte Ziele sind die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge, die während des Krieges 1948 vertrieben wurden, und die Erinnerung an die Ereignisse von damals. Laut Stegemann würde der Staat Israel bei einer Heimkehr der Flüchtlinge aufhören zu existieren.

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Provokative Holocaust-Aktion

Der Theologe, der in der Öffentlichkeit immer wieder als Verteidiger Israels auftritt, verweist auch auf ein Youtube-Video. Auf diesem ist zu sehen, wie die israelische Künstlerin Natali Cohen Vaxberg die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem besucht – und dort, den Holocaust verkörpernd, schreit, dieser sei das Beste, was den Juden habe geschehen können. Ihr zur Seite steht Zochrot-Gründer Eitan Bronstein, der bei der provokativen Performance einen Bodyguard mimt.

Angesichts einer «längeren Geschichte des Heks hinsichtlich der einseitigen Parteinahme im Nahostkonflikt» brauche es innerhalb der evangelischen Kirche eine Grundsatzdebatte über das Hilfswerk, so Stegemann. Denn viele Kirchenmitglieder – Pfarrer, Kirchenräte, aber auch einfache Gläubige – seien empört und hinterfragten, ob die Stiftung Heks noch als seriöse Verwalterin der ihr anvertrauten Steuer- und Spendengelder gelten könne.

Der offene Brief veranlasste Heinz Bichsel, Bereichsleiter Ökumene, Mission und Entwicklungszusammenarbeit bei den Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn, Mitte Januar zu einer deutlichen Reaktion, ebenfalls per offenen Brief. Er warf Stegemann vor, Polemik zu betreiben, die offenbar den einzigen Zweck habe, dem Hilfswerk ideell und finanziell zu schaden. Die Arbeit des Heks in Israel und Palästina sei breit abgestützt, so Bichsel. Er bezeichnet die Arbeit von Zochrot rund um das Rückkehrrecht palästinensischer Flüchtlinge als «unaufgeregt». Und ja, selbstverständlich seien Hilfsorganisationen wie das Heks politisch, weil sie sich immer auf die Seite der Menschen stellten, deren Rechte missachtet würden.

Diese Woche ging der Streit in eine nächste Runde. Die Christlich-Jüdische Arbeitsgemeinschaft (CJA) eilte Stegemann mit einem Communiqué zu Hilfe. Die von Reformierten, Katholiken und Juden gebildete Gruppe befürchtet, dass «sich in der Zusammenarbeit mit Zochrot die schon bei anderen Gelegenheiten monierte einseitige Sicht des Heks auf den israelisch-palästinensischen Konflikt fortsetzt». Gemeint ist damit unter anderem ein ganzseitiges Inserat in der NZZ, mit dem das Heks im Juni 2012 den Entscheid der Migros begrüsste, Produkte aus den besetzten Gebieten entsprechend zu deklarieren. «Politische Forderungen, die die Schuld am israelisch-arabischen Konflikt nur an eine der Konfliktparteien richten, tragen nicht zu dessen friedlicher Lösung bei», mahnt die CJA.

Mittel für Schulprojekt

Am Freitag meldete sich dann in der «Reformierten Presse» Heks-Direktor Ueli Locher zu Wort. Die Vorwürfe von Professor Stegemann seien völlig aus der Luft gegriffen, sagte Locher. Bronstein habe zwar tatsächlich bei der Aktion in Yad Vashem mitgemacht; aber er sei nicht mehr für die NGO tätig. Und sowieso: «Das Heks unterstützt explizit keine Projekte von Zochrot, die als Provokation aufgefasst werden könnten.» Locher bestreitet nicht, dass die Partnerorganisation israelkritische Positionen vertrete. Allerdings sei das Heks der Meinung, dass eine Organisation, die sich kritisch mit der politischen Realität in Israel auseinandersetze, noch lange nicht antiisraelisch sei. Das Heks unterstütze ein Schulprojekt, in dem Zochrot Lehrmittel für israelische Schulen entwickelt, die die Vertreibung der Palästinenser einbezieht. «Dieser Aspekt der Geschichte wird sonst ausgeblendet», so Locher.

«Zochrot versucht, Wege aufzuzeigen, wie sich die Flüchtlingsproblematik lösen liesse», sagt Heks-Sprecher Dieter Wüthrich auf Anfrage. «Diese Problematik ist eine der Schlüsselfragen im Nahostkonflikt.» Wüthrich spricht von einer konzertierten Aktion, um das Heks zu diskreditieren. «Doch wir lassen uns nicht mundtot machen.»

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