Dopingskandal: Chronik einer Radsport-Katastrophe
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- ️Fri Jun 30 2006
23. Mai 2006: Dopingfahnder der Guardia Civil verhaften Manager Manolo Saiz vom spanischen Profi-Radrennstall Liberty Seguros in Madrid. Festgenommen werden auch Mannschaftsarzt Eufemiano Fuentes und der Medizinier Jose Merino.
24. Mai 2006: Nach Informationen der Tageszeitung "El Pais" sollen bei Saiz 200 Beutel für Bluttransfusionen beschlagnahmt worden sein. Am Abend wird Saiz aus gesundheitlichen Gründen aus der Haft entlassen, muss sich aber zur weiteren Verfügung halten.
25. Mai 2006: Der spanische Radiosender Cadena Ser bringt erstmals den Namen Jan Ullrich als Fuentes-Klient ins Gespräch. T-Mobile dementiert die Verbindung. Saiz steht im Verdacht, für systematisches Doping im spanischen Radsport mitverantwortlich zu sein. Der Hauptsponsor Liberty Seguros kündigt deshalb seinen sofortigen Rückzug an. In der Klinik von Merino wurden Meldungen der spanischen Nachrichtenagentur EFE zufolge Bluttransfusionen vorgenommen. Es wird bekannt, dass die Dopingfahnder bei der Verhaftung des Trios zwei Tage zuvor tiefgefrorenes Blut und Geld im Wert von mehreren 10.000 Euro fanden.
26. Mai 2006: Ullrich dementiert jegliche Verbindungen zu Fuentes. Fuentes soll angeblich eng mit dem italienischen Arzt Luigi Cecchini zusammengearbeitet haben, dessen Dienste von Ullrich wie von zahlreichen anderen Radsportlern in Anspruch genommen worden waren.
27. Mai: Merino und Fuentes, der inzwischen als Hauptverdächtiger in der Affäre betrachtet wird, in der bei rund 200 Sportlern die Leistung mittels Blutaustausch und der Zufuhr von Hormonen beeinflusst worden sein sollen, kommen gegen Kaution frei.
29. Mai 2006: Die deutsche Firma Würth, Co-Sponsor des Saiz-Rennstalls, kündigt an, ihren bis Ende der Saison laufenden Vertrag zu erfüllen.
30. Mai 2006: T-Mobile-Fahrer Oscar Sevilla und dessen früherer Teamkollege Santiago Botero sollen laut Medienberichten wie Jose Enrique Gutierrez, Angel Vicioso und Jose Antonio Escuredo ein Appartement von Merino und Fuentes aufgesucht haben. Sevilla räumt ein, zwecks Leistungstests mit Fuentes zusammengearbeitet zu haben. Das T-Mobile-Team verlangt von allen Fahrern eine schriftliche Erklärung, indem die Fahrer bestätigen, nie mit Fuentes zusammengearbeitet zu haben.
31. Mai 2006: Dem spanischen Continental-Rennstall Comunidad Valenciana soll wegen der Verwicklung in den Dopingskandal das Startrecht für die Tour de France wieder entzogen werden. Sein sportlicher Leiter Jose Ignacio Labarta war im Zuge der Ermittlungen verhaftet und gegen Kaution wieder auf freien Fuß gesetzt worden.
1. Juni 2006: Saiz und Labarta werden von der internationalen Vereinigung der Profiradrennställe AIGCP zur Niederlegung aller Ämter aufgefordert. Saiz ist AIGCP-Mitglied, war jahrelang Präsident der Vereinigung und gehört auch dem Vorstand des Weltverbandes UCI an.
2. Juni 2006: Der Schweizer Phonak-Rennstall schließt die des Dopings verdächtigten Santiago Botero und Jose Enrique Gutierrez bis auf weiteres von Starts aus. Beiden werden Verbindungen zu Merino und Fuentes nachgesagt.
6. Juni 2006: Botero kündigt an, seine Karriere wohl zu beenden. Er gibt seine 1995 begonnene Verbindung zu Fuentes und Laberta zu. In Madrid bitten die spanischen Behörden die Welt-Andidoping-Agentur um Unterstützung durch Experten. Der Saiz-Rennstalls findet mit Hilfe seines Kapitäns Alexander Winokurow einen neuen Hauptsponsor namens Astana.
8. Juni 2006: Saiz legt auf AIGCP-Druck alle Ämter nieder.
10. Juni 2006: Frankreichs Radsport-Chef Jean Pitallier fordert den Ausschluss von Astana-Würth und Comunidad Valenciana inklusive des Kasachen Alexander Winokurow von der am 1. Juli beginnenden Tour de France.
13. Juni 2006: Comunidad Valenciana wird erwartungsgemäß von der Tour de France ausgeschlossen. Damit reduziert sich die Anzahl der Tour-Mannschaften auf 21.
22. Juni 2006: Der Radsport-Weltverband UCI erteilt Astana-Würth die ProTour-Lizenz. Die Überprüfung der wirtschaftlichen Voraussetzungen war nach dem Liberty-Rückzug eingeleitet worden. Die UCI-Zusage ist Berechtigung für den Tour-Start.
25. Juni 2006: Spaniens Radprofis boykottieren aus Protest gegen die Veröffentlichung eines Dopingberichtes über Ermittlungen gegen 58 Fahrer die Landesmeisterschaft. Zu den Verdächtigten sollen allein 15 Astana-Fahrer gehören.
26. Juni 2006: Laut El Pais tauchen in den von der Guardia Civil am 23. Mai bei der "Operacion Puerto" beschlagnahmten Unterlagen auch mehrmals die Codes "Jan" und "Hijo Rudicio" (Rudis Sohn) auf. Letztere Bezeichnung weist nach Spekulationen des Blattes auf Ullrichs Bertreuer Rudy Pevenage hin. Die betreffenden Unterlagen sollen den Kauf von Dopingmitteln für 1900 Euro belegen. Am späten Abend fordern die Tour-Organisatoren Astana-Würth auf, nicht an der Tour teilzunehmen.
27. Juni 2006: Der Internationale Sportgerichtshof CAS in Lausanne kündigt an, in einem Schnellverfahren kurz vor dem Tour-Start zu entscheiden, ob Astana-Würth fahren darf.
28. Juni 2006: Die UCI droht allen Fahrern mit dem Ausschluss, wenn sie in den spanischen Dopingskandal verwickelt sein sollten. UCI-Präsident Pat McQuaid hat die ProTour-Teams in einem Schreiben aufgefordert, von ihren Fahrern schriftlich versichert zu bekommen, dass sie nicht in den Skandal verstrickt seien. Ullrich beteuert seine Unschuld und schaltet seine Anwälte ein.
29. Juni 2006: Jan Ullrich und Ivan Basso gehören zu den insgesamt 58 verdächtigten Radprofis. Das gibt Cadena Ser unter Berufung auf Informationen der Guardia Civil bekannt. CAS spricht Astana-Würth das Startrecht zu.
30. Juni 2006: Jan Ullrich und Oscar Sevilla werden vom T-Mobile Team wegen einer möglichen Verwicklung in die Doping-Affäre bis auf weiteres suspendiert und dürfen damit nicht bei der einen Tag später beginnenden Tour de France starten. Das geben die Teamsprecher Christian Frommert und Luuc Eisenga auf einer Pressekonferenz in Plobsheim bei Straßburg bekannt. Auch Betreuer Rudy Pevenage ist von der Suspendierung betroffen.