Der 1. Weltkrieg - 23. April 1918
Richthofens Heldentod
London,
23. April. (Reuter-Meldung.)
Der folgende Bericht über den Tod Richthofens ist von dem offiziellen
Kriegskorrespondenten bei den australischen Truppen in Frankreich eingegangen:
Richthofen wurde gestern abgeschossen, als er in geringer Höhe diesseits
der australischen Front flog. Die Kugel, die ihn traf, ist wahrscheinlich
von dem Kanonier Lewis bei einer Batterie der australischen Feldartillerie
abgefeuert worden. Richthofen fiel am Ende eines heftigen Kampfes zwischen
britischen und deutschen Geschwadern. Ein britischer Flieger ist der Meinung,
daß er Richthofen abgeschossen hat. Richthofen, der einen Dreidecker
steuerte, wurde getroffen, als er sehr niedrig über dem Boden flog,
und als er selbst einen britischen Aufklärer herunterjagte. Der deutsche
Meisterflieger stürzte nieder, das Flugzeug ging krachend in Stucke.
Nur eine Kugel wurde in Richthofens Körper gefunden, sie war in die
linke Seite eingedrungen und gerade durchs Herz gegangen.
Der Kampf begann, als zwei australische Flugzeuge, die sich ziemlich weit
hinter den deutschen Linien befanden, plötzlich sechs feindliche
Flugzeuge über sich bemerkten. Die Deutschen gingen sofort zum Angriff
nieder und fassten uns in der Flanke und im Rücken. Die Australier
machten Kehrt und schossen nach rückwärts; einer der feindlichen
Dreidecker stürzte anscheinend steuerlos herunter. Die Australier
gingen selbst herab, um sich gegen einen etwaigen Wiederaufstieg zu sichern.
Sie befanden sich jetzt außerhalb des Kampfes, der sich über
der Somme zwischen etwa fünfzehn Flugzeugen auf jeder Seite abspielte.
Das britische Geschwader von Kampfaufklärern (Fighting Scouts) hatte
ein feindliches Geschwader angegriffen, und die Australier waren augenscheinlich
nur auf einen Teil davon gestoßen.
Bis zur Feststellung von Richthofens Tod hatte man nicht erkannt, daß
es sich um sein berühmtes Flugzeug handelte. Die Persönlichkeit
ließ sich nach den Papieren und der Uhr des Getöteten deutlich
feststellen.
Paris,
23. April.
Der Korrespondent der Agentur Havas an der britischen Front telegraphiert
über die Beisetzung des Freiherrn v. Richthofen, daß ihm die
militärischen Ehren in vollem Umfang erwiesen wurden. Ein Geistlicher
nahm nach anglikanischem Ritus die gottesdienstliche Handlung vor. 6 britische
Fliegeroffiziere trugen den Sarg zur Gruft und legten Kränze mit den deutschen
Farben im Namen des Hauptquartiers seiner Brigade und mehrerer Geschwader,
darunter eines australischen, nieder. Einer dieser Kränze trug die
Inschrift "Dem tapferen und würdigen Feinde."
1)
Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten
des Wolff´schen Telegr.-Bureaus
Band 7
Nationaler Verlag, Berlin
(1918)