Tawan Ausgabe Herbst 2004 - Deutscher Teil
TAWAN Ausgabe Herbst 2004
Deutscher Teil
Mithrakult (Mehrayini) in Iran und in Europa
Architektur zum Hören und Nicht-Hören
Magnetfeld der Erde: Feldumkehr oder vorübergehende Schwächung?
Kompetenz gegen Produktionsausfälle
Traditionelle Architektur in Iran „Bauen mit und unter der Erde“
Quo vadis?
Unsere moderne Gesellschaft ist heute mit vielen „fantastischen“ technischen Errungenschaften beschmückt. Sei es im chemischen, biochemischen, medizinischen oder in anderen Bereichen. Fast jeden Tag wird irgendwo in einem Labor etwas Neues entdeckt beziehungsweise auf die Beine gestellt.
Auch das „Beamen“ bzw. der Tele-Transport – den die meisten von uns seit der TV-Serie „Star Trek“ kennen und immer als eine schöne Fantasie bezeichnet haben – ist mittlerweile der Realität ein Stück näher gekommen. Physikern der Innsbrucker Universität ist es in Zusammenarbeit mit ausländischen Kollegen gelungen, die Information einer Masse in Energie(-wellen) umzuwandeln und diese schließlich in eine andere Masse zu übertragen. Auch wenn die überbrückte Distanz derweil noch minimal ist (etwa einige Millimeter), der Fortschritt ist beträchtlich!
Man kann sich mit den Fragen des Typs abmühen, wie solche Fortschritte in Zukunft wirken, oder wie sie in unser Leben eingreifen werden. Sie können auch unsere Fantasie grenzenlos beflügeln. Aber eines steht fest: Sie alleine können die Welt nicht von Krankheiten, Hunger, Krieg und Naturkatastrophen befreien. Dazu bedarf es eine andere Kategorie Fortschritt – und da liegt die eigentliche Herausforderung für unsere Fantasie.
Herzlichst, Ihr Tawan
Mithrakult (Mehrayini) in Iran und in Europa
Javad Parsay
Herr Mag. Parsay ist Museumspädagoge in Wien
Mithra1
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Abb. 1: Mithra, Wandmalerei von Kuh-e Khadje
Der Mithrakult ist aus dem Persischen in das Abendland gekommen. Im alten vorzarathustrischen Persien, galt Mithra, Abb.1, als Genius oder Gott des unpersönlichen Himmellichtes. Er erschien vor Sonnenaufgang, oben auf den Bergesgipfeln, während des Tages aber und, in allen seinen hellen Stunden, durcheilte er, auf seinem, von vier weißen Rossen gezogenen Wagen, die Räume des Firmaments, und wenn dann die Nacht niedersank, erleuchtete er noch mit einem hellen Schimmer die Oberfläche der Erde, „immer umsichtig, immer wachsam, immer da“. Er bewachte und überwachte mit Hilfe von „tausend Ohren“ und „zehntausend Augen“ die Menschenwelt.
Den Grund für das große Ansehen des Mithra, finden wir im 10. Opfergesang, jenem „Yascht“, in dem der Sassaniden- Schreiber folgende Eingangsverse durch Ahura Mazda dem Zarathustra sagen lässt:
Es sprach Ahura Mazda zu Spitama Zartoscht (Zarathustra): Als ich den Mithra, der weite Triften hat, erschuf, da machte ich, O Spitama, gleich anbetungswürdig, gleich preisungswürdig, wie mich selbst, den Weisen Herrn.
Mithra ist also hier seinem Schöpfer, Ahura Mazda, gleichgestellt. In den darauf folgenden Versen, wird er in vielen Szenen gezeigt und vieler guter Taten gerühmt. Wesentlich, für das Fortleben der Mithraverehrung, ist aber, dass sich, wie in den Rig-Vedas, so auch hier, in dem Yascht2 des Awesta, verschiedene, häufig genannte Charakterzüge des Mithra herausarbeiten lassen:
Mithra wird, seiner Wortbedeutung nach, mit „Vertragstreue“ und „Freundschaft“ gleichgesetzt.
Mithra ist der Sonnengott, der Wachsame, der morgens viele Erscheinungen hervorbringt, die Schöpfung des heiligen Geistes, der wohlgeschaffene große Gott.
Er ist ein kriegerischer Gott, im Dunkeln wachsam, untrüglich, der Stärkste der Stärksten, der Tapferste der Tapfersten. Er ist der Allwissendste der Götter, hat tausend Ohren und zehntausend Augen, ist der Held von zehntausend Spähern, der Allwissende, der Untrügliche.
Ein anderes Bild ergeben die heiligen Bücher des alten Indien und des Iran, der Rig-Veda, und das Awesta, die beide schon eine Gottheit mit dem Namen Mithra benennen. In Indien wurde der Gott Mithra, neben Varuna und Indra, dem Götterkönig, genannt. Ein Gedicht der Rig-Veda ist dem Mithra allein gewidmet. Es zeigt ihn vor allem als Freund des Menschen, wie einige der insgesamt neun Verse dieses Gesanges belegen sollen. Viele Kulturforscher äußern sich auch darin, dass der Ursprung der Mithra-Religion in Indien und Persien liege. Xenophon und Herodot vertreten die Meinung, dass Persien die ursprüngliche Heimat des Mithra ist.3
Eine, im Jahre 1971 in Manchester, 1975 in Teheran und 1978 in Rom, stattgefundene internationale Kongressreihe veröffentlichte umfangreiche Sammelbände, die, unter anderem, einen wertvollen Beitrag zur neuen Forschung geleistet haben.4 Immer noch beschäftigen viele Kulturforscher, seit Anfang des 20. Jahrhunderts, die persisch-iranischen Verbindungen. Es wurde abermals betont, dass seine geographische Lage, das Hochland von Iran, bis weit nach Nordchina, spürbar ist.
Die Basis der Untersuchungen des Mithrakultes bilden auch die archäologischen Überreste der Heiligtümer des Mithra und ihres Inventars, die in über 420 Orten nachzuweisen sind, und aus 1000 Inschriften, 650 Stiertötungsreliefs, die allerdings nur knapp zur Hälfte vollständig erhalten sind, und 500 weiteren Reliefs bestehen.
In einem Bild des jagenden Gottes Mithra, Abb.2, sind, verflacht und sogar frontal, Mithras Kopf und Oberkörper wiedergegeben. Durch die Anordnung der fliehenden Tiere in gestaffelten, diagonalen Reihen, wurde aber etwas Bewegung und Tiefentwicklung erzielt. Ähnliche Bilder sind vorbildlich in der Sassanidenzeit, in Form von Jagddarstellungen von Sassanidenkönigen, widergegeben.
Vielleicht hilft es, wenn wir uns an
den Bericht erinnern, den Herodot von den persischen Lebensgewohnheiten gibt.
Er berichtet, dass die Perser vom 5. bis zum 20. Lebensjahr vor allem in drei
Dingen unterrichtet wurden: Im Reiten, im Bogenschießen und in der
Wahrheitsliebe5. Unter der Dynastie der Parther, haben sich viele
Adelige des persischen Reiches mit dem Namen Mithra geschmückt. Selbst die
Könige der Parther-Dynastie haben Namen entwickelt, die mit dem Namen Mithra
in Verbindung standen, wie: Mehr´dad (Mithradate). Noch heute ist eine
Kombination mit dem Namen Mithra oder „Mehr“, als Männer- wie auch als
Frauenname sehr beliebt, wie zum Beispiel Mehr-dad, Mehr-asa, Mehr-ban, als
männliche Namen und Mithra, Mehr-naz, Mehr-angiz, als weibliche Namen.
Mithra in Kleinasien
Der Mithrakult, mit seinen Anfängen in Persien, gelangte erst nach Kleinasien, dann nach Griechenland, wurde dann aber nach Rom und vor allem an die Grenzen des Reiches zur Donau und zum Rhein getragen. Auf der Ost- und Westterrasse des Nemrud Dagh, des heiligen Berges, (Türkei-Syrien), zeigen verschiedene gefundene Reliefs, wie Mithra dem König (Antochios 1., 34- 69 v. Chr.), die Hand reicht. Er wird mit der persischen Tiara, die eine nach vorne abknickende Spitze hat und deren Laschen bis auf die Schultern herabreichen, dargestellt. Der Kopf ist von einem Strahlenkranz umgeben. Jetzt drängt sich die Frage nach dem Grund auf, wer oder was den König bewogen hat, auch die persischen Götter in sein Panteon aufzunehmen. Mit der Errichtung des Nemrud Dagh als zentrales Staatsheiligtum konzipierte und errichtete Antochios 1. ja auch seine Ahnengalerie. Die väterliche Ahnenreihe führt der persische Großkönig Dariyusch (Dareios) an und die mütterliche Seite geht auf Alexander von Makedonien zurück.
Ein ähnliches Bild von der iranischen Tradition und der Handreichung dieses Gottes, haben wir im Relief, in Tagh-e- Bostan, (Kermanschah, im West Iran). Das Bild zeigt uns den Gott Mithra, neben König Schapur II. (309-79 n. Chr.) und König Ardaschir II. (379-83 n. Chr.) bei der Machtübergabe, Abb.3.
Der Mithrakult hat sich im ersten und zweiten nachchristlichen Jahrhundert über die ganze damals bekannte Erde ausgebreitet. Er wurde in Europa als eine ausgesprochen gute Soldatenreligion empfunden, weil er durch die römischen Legionäre bis an den Rhein und nach England gelangte, war aber schon längst über die Trägerschichten hinausgegangen, und hatte in weiteren Kreisen Anhänger gefunden.
Die Stiertötung
Die eigentliche Erlösungstat des Mithra, ist die Schaffung neuen Lebens, durch das Blut des von ihm getöteten Stieres, Abb.4. Die Darstellung dieser Szene durfte in keinem Mithräum fehlen. In vielen Heiligtümern sind, der Stier, als Symbol für den Winter, und der Löwe, als Symbol für die Sommerzeit, ein uraltes Thema für viele literarische und bildnerische Darstellungen im Iran. Diese Motive wurden auch vorbildlich in anderen Kulturen nachgemacht. In der keltischen Kultur ist der Stier, als das wichtigste Symbol für den Staat, überall in Erscheinung getreten.
Das im 10. Jh. n. Chr. entstandene “Bundahishen”,
berichtet von dem Stier, der von Ahura Mazda als erstes Lebewesen erschaffen
wurde. Dieser Stier soll dann Ahriman, den Mächtigsten der Bösen, getötet
haben. Anhand der Reliefs, Skulpturen und Malereien haben wir versucht, die
Legende um Mithra und seine Beziehungen zu anderen Göttern zu verstehen.
In Höhlenmalereien, in Lasceaux/Frankreich, sind Stierzeichnungen als Kraftträger symbolisiert. Man kann immer noch aus den traditionellen Spielen, wie der „Kraftprobe“ in Spanien, mit den freigelassenen Stieren auf den Strassen von Pamplona, oder dem Stierkampf (der Matadore) in Spanien, eine Verbindung mit der Stiertötung herausinterpretieren.
Die Geburt
Viele Reliefs, aber auch Skulpturen, geben uns die Szene der Geburt des Gottes wider. Er ist der Felsgeborene, und als solcher wird er uns auch in verschiedenen Inschriften vorgestellt. Offenbar symbolisiert er die Spitze eines Berges, auf dem Mithra den Menschen zum ersten Mal erscheint. Flammen schießen zuweilen aus dem Felsen empor, wie etwa auf dem Bild aus Dura Europos.
Dieses Thema taucht nicht nur im Alten Testament (im Buch Exodus) auf. Schon im 10., dem Mithra gewidmeten, Opfergesang des Awesta, in Vers 13, wird von dem Gott gesagt, dass er auf dem Berge Alborz, (nahe zu Teheran), in strahlendem Glanze erscheint, weil er von dort das Volk der Arier überblicken könne. Schon die Geburt legt also die Funktion und die wichtigste Aufgabe des Mithra fest, nämlich Mittel zu sein zwischen Gut und Böse, zwischen Tod und Leben. Damit ist er auch als Erlöser geboren.
Wie wichtig für den Menschen die
Geburt des Gottes ist und wie groß sein Interesse an dem Geburtsvorgang,
darüber geben uns einige weitere Details auf den verschiedenen Denkmälern
Auskunft. Dadurch wird auch verständlich, dass das Geburtsfest des Mithra eine
besondere Bedeutung im Leben der Gemeinde hatte. In europäischen Ressourcen
wird der 25. Dezember als Geburtstag genannt. An diesem Tag wurden auch neue
Gläubige in den Kreis der Kultgemeinde aufgenommen, denn am Tag der Geburt des
Gottes, wird der Initiant, durch die Einweihung in die Mysterien, neu geboren.
„Ich wurde geboren beim ersten Licht“, sagt ein Mithradiener im (Mehr´abe)
Mithräum von Santa Prisca.
Mehr´abe (Mithräen)
Nach altem Brauch, verehrte man
Mithra in einer geeigneten Felsenhöhle,
Abb.5, weil
die Tötung des Stieres durch Mithra in einer Höhle stattfand. In Rom und im
übrigen Italien, wo der Kult entstand und sich zunächst ausbreitete, übernahm
man den allgemeinen Begriff für ein Heiligtum: Templum.
Die Architektur der Kultstätten ist einzigartig, ihr typischer Aufbau macht es leicht, Mehrabe (Miträen) bei den Ausgrabungen zu identifizieren. Da in den Städten solche Höhlen und Grotten fehlten, wurde das Heiligtum vertieft angelegt, so dass man es durch ein paar Stufen, mitunter sind es sieben, abwärts betrat. Die Decke war gewölbt, wie es die Zeichnung des Mithräums in Sofia (Bulgarien), Abb.6, zeigt. Die Konstruktion der gewölbten Decke war das Symbol für das Himmelsgewölbe. Ein rund gewölbtes Dach über dem Heiligtum, bot die Möglichkeit, in dessen Inneren durch Bemalung mit Sternen den Himmel nachzuempfinden. Der Kulturraum wird somit ein Abbild der Welt, durch die der Mensch schreitet, hin zu Gott, der im Hintergrund sichtbar wird.
Die gesamte Anlage eines Mithratempels bestand aus drei Teilen: Die Stelle von Mehr´ab (Altar), ganz vorne, wo eine kleine Nische in den Podien, beschützt durch einen Bogen, eingelassen war, dieser gab den Blick frei auf das zentrale Kultbild, welches an der Rückenwand aufgestellt war. Der Vorraum, mit einer Arkade beim Eingang5, hatte zwei Sitzsockeln an beiden Seiten. Man findet kaum die Spuren von Fenstern in noch gut erhaltenen Heiligtümern. Sie waren zumeist völlig dunkel, nur durch Feuer und Fackeln erhellt.
Für die Gläubigen war der Tempel mehr als nur eine Stätte regelmäßiger Verehrung und Opferung. Die Mithra-Anhänger bezeichneten ihren Tempel als einen glücklichen, heiligen, frommen und segens-pendenden Ort, wie uns in hunderten von Gedichten aus iranischen literarischen Texten beschrieben wird. Im Tempel wurden sie, durch die Einweihung als Mithradiener, neu geboren.
Dass in der Nähe des Tempels eine Quelle liegen soll, ist auch verständlich, denn die Tempelbesucher mussten sich, für jede Kultfeier, nach bestimmten Waschordnungen den Körper waschen; Dann traten sie, wie Mithra, aus dem Dunkel der Felsenhöhle an das Licht.7
Die Kultfeiern
Die Reliefdarstellungen, -im Mithräum Santa Prista-, lassen keinen Zweifel daran, dass eine von den üblichen Kultfeiern der Mithra-Anhänger das Kultmahl war. Welche Speisen bei dem Mahl verzehrt worden sind, lässt sich nicht feststellen. Iranische Quellen berichten vom Genuss eines Saftes, „Haoma“, der in späteren Zeiten, von Zartoscht, durch Wein ersetzt wurde.8 Die europäischen Forschungsberichte sprechen von Brot und Wein. Die Anhänger waren festen Glaubens, dass durch den Genuss des Kultmahls, neues Leben entstand. Man kann annehmen, dass die Mahlzeit mit bestimmten Formeln verbunden war.
Die Sieben
Weihgrade,
„Haft Schahr –e Esch´gh“
Verschiedene Einweihungen und die Weihegrade kennen wir, mit ihren vielen Einzelheiten, aus Inschriften und bildlichen sowie literarischen Zeugnissen. Sie geben uns ein Bild von der Bedeutung der Einweihungen und den Zeremonien. Der Gläubige konnte, nacheinander: Rabe, Verlobter, Soldat, Löwe, Perser, Sonnenläufer und Vater werden. Nicht jeder konnte vom untersten Grad bis zum Vater aufsteigen. Sieben Einweihungsgrade kannte der Mithrakult, wobei die Zahl nicht zufällig ist. Nach dem Glauben der Mithradiener, gliedert sich der Himmel in sieben Sphären, von denen jede einem Planeten zugeordnet ist. Eine Art Leiter, Abb.7, wurde aus acht übereinander gestellten Toren zusammen-gesetzt, von denen die sieben ersten als symbolische Erinnerung an den Weg, den es zurückzulegen galt, um, durch das achte Tor, in den unendlich gestirnten Himmelsraum zu gelangen, dienten.
In späteren literarischen Texten, begegnen wir, sowohl in religiösen Vorstellungen als auch in der iranischen Mystik, solchen Bezeichnungen wie, „Haft Schahr-e Esch´gh“ oder „ Hascht Behescht“ (sieben Städte der Liebe, acht Tore des Paradieses), etc.
Mithra und das Christentum
In der Beziehung zu anderen
Gottheiten ist die Rolle des Mithra, als Mittler, von besonderer Bedeutung.
War er doch schon in der persischen Zeit als Vermittler zwischen dem höchsten
Gott Ahura Mazda und dem Gott der Unterwelt Ahriman verstanden worden. Im
römischen Kult findet man diese Anspielung auf das Verständnis als Mittler
noch verstärkt.
„Si le christianisme eüt été arrété dans sa croissance par quelque maladie mortell, le monde eüt été mithraist». Dieser Ausspruch von F. Renan9 ist im Zusammenhang mit der Frage nach der Bedeutung beider Religionen oft zitiert worden. Das lag zweifellos an der großen Ähnlichkeit beider Religionen, was sogar im Altertum allgemein auffiel.
Beide Religionen verdanken ihre ersten Erfolge der politischen Einheit des römischen Reiches. Sie profitierten wiederum von dem moralischen Verfall des Imperium Romanum, denn gerade im 3. Jh. n. Chr., dem Jahrhundert der großen Reichskrise, erlebten sie ihre Blütezeit.
Neben den äußerlichen gemeinsamen bzw. getrennten Entwicklungen, gab es aber vor allem in der Lehre Gleichartiges. Wie Mithra ist auch Christus ein Mittler zwischen Gut und Böse, zwischen dem himmlischen Vater und den Menschen. Ahriman, als Dämon des Bösen symbolisiert, ebenso wie der Satan, die Hölle, der die lichten Sphären des Himmels gegenüberstehen. Die Fahrt zu diesem Himmel ist sowohl für Christen als auch für die Mithra-Gläubigen ein zentrales Thema ihrer Lehre. Selbst die Auferstehung und das endzeitliche Gericht kennen beide Religionen. Auch das heilige Mahl, durch das der Mensch teilhat, an dem Opfer seines Gottes, ist ihnen gemeinsam.
In einem mittelalterlichen Text, sagt Zartoscht (Zaratustra) zu seinen Anhängern: Wer nicht von meinem Leib isst und von meinem Blut trinkt, so dass er sich mit mir vermischt, wie ich mich mit ihm vermische, der wird das Heil nicht haben10. Christus aber sagt zu seinen Jüngern: Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben ..., der bleibt in mir und ich in ihm.11
So waren es die Politiker und Herrscher, die den Streit zwischen der Mithrareligion und dem Christentum entschieden. Die Schlacht an der milvischen Brücke des Jahres 312 n. Chr., brachte nicht nur Konstantin d. Gr. den Sieg, sondern auch den Untergang für den Mithrakult12 So wie vorher die Kaiser den Sonnengott Mithra im Imperium Romanum etabliert hatten, so pflanzte nun Konstantin das Kreuz in den römischen Boden ein.
Es gab in der Folgezeit noch ein Aufbegehren, doch als Führer dieses Verteidigungskampfes der alten Religionen konnten sich die heidnischen Kaiser, wie etwa Julian Apostata, nicht durchsetzen, und die Mithradiener mussten zusehen, wie die Christen in Rom ihre Tempel mit Beilhieben zerstörten.
Quellen:
1. Die Sprach- und Schreibregelung ist nicht einheitlich. Für den altindischen Gott hat sich die orthographische Schreibung „Mitra“ eingebürgert, für den persischen „Mithra“ und für den römisch-hellenistischen „Mithras“.
2. Übersetzt nach: Die Yast’s des Awesta, übersetzt und eingeleitet von H. Lommel, Göttingen-Leipzig 1927, wonach die Widergabe der folgenden Verse 141/2 erfolgt.
3. Herodot bereiste Persien in den Jahren um 455 v. Chr. und beschreibt in seinen Historien I, 131 ff. Sitten und Religion der Perser.
4. Über diese Studienreihe hinaus gibt es noch die von J. R. Hinnels herausgegebenen Mithraic Studies, 2 Bde., Manchester 1975 mit wertvollen Beiträgen zur neuen Forschung, die als Vorträge 1971 auf dem ersten internationalen Mithra-Kongress gehalten wurden. Die Vorträge des 2. Kongresses 1975 in Teheran sind in einem eigenen Band der Acta Iranica unter dem Titel Études Mithraiques 1978 erschienen. Ergänzt werden diese Arbeiten noch durch die, in drei Nummern, seit 1976, erschienene Zeitschrift Journal of Mithraic Studies.
5. Herodot I, 136.
6. Diese Bogenstruktur wurde später als ein wichtigste Element der Architektur angenommen.
7. Wasche dich und dann trete in den (Khorabat) ein, damit diese Deyr e-Moghan (Magier- Kloster) ja nicht durch deine Unreinheit beschmutzt wird, Gedichtsbuch von Hafez.
8. Dieses Präparat (Haoma, Mei-e Baghi), als Getränk, wurde vor Zartoscht (Zaratustra) aus dem Saft einer Pflanze gemacht, und hat eine stark berauschende Wirkung. Zartoscht hat das mit Wein ausgewechselt.
9. E. Renan, Mark Aurèle et la fin du monde antique, Paris 1929, 579.
10. M.J. Vermaseren, Mithras, 83
11. Joh. 6, 54-56.
12. Manfred Claus, Mithras, Kult und Mysterien, C.A.Beck München, 1990
Architektur zum Hören und Nicht-Hören
Lärmschutzwände an Verkehrsbändern
Ali Eshtehardi
Architekten planen Häuser und entwerfen Inneneinrichtungen, selbst vor Möbelstücken machen sie nicht Halt. Ebenso treiben sie aber auch im Bereich der Stadt- oder Landschaftsplanung ihr (Un)Wesen. Ganz umtriebige Zeitgenossen findet man gar als Ausstellungskurator oder beim Kulissenbau für Theater und Opernhäuser. Manche entwerfen sogar Yachten, verwirklichen sich als Produkt- und Industriedesigner oder verdingen sich als Karikaturist.
Die Betätigungsfelder ist offenbar breit gefächert. Weniger oft ist die Gattung Architekt in rein technischen Bereichen anzutreffen. Zu groß ist anscheinend der Respekt vor der Technik oder die Angst vor künstlerischer Einschränkung, dabei wäre gerade bei ganz alltäglichen, technischen Funktionselementen ab und zu ein künstlerisches Händchen vonnöten.
Der Mödlinger Architekt Wolfgang Brunbauer wagte den Schritt in unbekanntes Terrain. Mit der gängigen Praxis des Lärmschutzes oder vielmehr mit der formalen Ausformulierung der Lärmschutzwände selbst unzufrieden, entwickelte er ein Lärmschutzsystem, das sich nicht nur durch seine bessere Wirkungsweise, sondern auch durch
seine ansprechende Optik und eine wesentlich längere Lebensdauer deutlich von den bisher eingesetzten Systemen unterscheidet. Die Produkte seiner Firma CALMA-TEC, die er nach der Entwicklung und Patentierung des ersten Prototypen gründete, bringen einen Paradigmenwechsel im Bereich der Lärmschutztechnik an Verkehrsbändern.
Bisher waren Lärmschutzwände als Zäune mit eingeschobenen Absorbern konzipiert. Die CALMA-TEC-Lärmschutzwand funktioniert als schwingendes System, bei dem Luftstöße und akustische Schwingungen im Schutzsystem absorbiert werden. Das akustische System beruht dabei auf der besonderen Form. Der Lärmspoiler hat eine nach außen gekrümmte Beugekante, die an der Oberkante in einen außen liegenden Wulst mündet.
Die verwendeten Absorber bewirken nicht nur Absorbtions- sondern auch Interferenzphänomene, die zu einer wesentlich besseren Schirmwirkung führen. Damit kann im Vergleich zu herkömmlichen Wänden wesentlich an Höhe gespart werden. Der Ausblick vom Bahn- oder Autofenster auf die Landschaft ist damit wieder gegeben. Messungen an der Pilotstrecke in Deutschland haben im Vergleich des Lärmspoilers mit gleich hohen, hochabsorbierenden Wänden eine Verbesserung des Lärmschutzpegels von über 4 db(A) ergeben.
In Bezug auf die Konstruktion zeichnet sich der Lärmspoiler durch seine Steifheit und Leichtigkeit aus. Dank Letzterer ist es auch an schwer zugängigen Strecken möglich, die Wände zu installieren. Je nach Größe und Höhe können die Spoiler auch von zwei bis vier Männern versetzt und montiert werden. Die stranggepressten Aluminiumprofile weisen darüber hinaus hohe Widerstandsmomente auf und eignen sich damit, selbst die Windstöße einer vorüber rasenden Hochgeschwindigkeitsbahn schadlos aufzunehmen. Durch eine intelligente Profilgestaltung kann auf jegliche Nietverbindungen – die bei hochbeanspruchten Systemen generell eine potenzielle Schwachstelle darstellen – verzichtet werden.
Die Aluminiumprofile, die die Schallabsorber tragen, sind über ein Klicksystem kraftschlüssig miteinander verbunden und bilden eine homogen gekrümmte Schale, die über spezielle Halterungen seitlich in die Säulen eingespannt ist. Die Säulen selbst sind als T-Profile ausgebildet, GV-Schrauben und Winkelprofile pressen die Absorber an den Flansch der Säule. Schwingungstechnisch sind die Säulen so konzipiert, dass die Schwingungsfrequenz, die der Verkehr verursacht, deutlich außerhalb ihrer Eigenfrequenz liegt. Der schwächste Punkt jeder Lärmschutzwand sind die Schallabsorber, die durch Vibrationen, Klimaeinwirkungen, mechanische Beschädigungen, Verschmutzungen und ganz normale Alterserscheinungen nicht nur in ihrer optischen Erscheinung sondern vor allem auch in Bezug auf ihre Wirkungsweise beeinträchtigt werden. Die Lösung dieses Problems ist der einfache und zerstörungsfreie Austausch schadhafter oder verbrauchter Absorber. Das Tragsystem bleibt vom Austausch unbeeinträchtigt.
Architekt Brunbauer betrachtet sein Lärmschutz-system als komplexes Wirksystem vom Wandscheitel bis zur Fundamentsohle. Das heißt, es gibt keine standardisierte Form, jede Lärmschutzwand ist auf die jeweiligen Bedürfnisse und Anforderungen maßgeschneidert. Der akusitsche Schall wird vor der Auslegung des Systems ebenso analysiert wie die Vibrationen, die sich aus den Verkehrsereignissen ergeben. Auf der Basis der Ergebnisse werden die einzelnen Systemelemente entsprechend strukturiert und dimensioniert. Die Lastabtragung erfolgt über die Einspannung der T-Säulen ins Fundament über Köcher oder Ankerverschraubungen, abhängig von den jeweiligen Bodenverhältnissen. Erste Erfahrungswerte konnte Wolfgang Brunbauer mit der Realisierung einer Versuchsstrecke für die Deutsche Bahn AG im bayrischen Brannenburg sammeln. Seit mehr als fünf Jahren ist das Lärmschutzsystem dort “in Betrieb”. Bislang gibt es keine Schäden oder Mängel am System, darüber hinaus hat eine nochmalige Messung ergeben, dass auch in Bezug auf den Wirkungsgrad keine Verschlechterung feststellbar ist.
Weitere Projekte sind bereits in Planung, beispielsweise für die Pilotstrecke bei Strengberg in Deutschland, neun Meter hohe Systemwände für die A9 bei München oder weitgespannte Stahl-Binderkonstruktionen für komplette Autobahneinhausungen.
Jüngste Neuentwicklung ist eine Wand für die Hochgeschwindigkeitsstrecken der Deutschen Bahn. Die neue Lärmschutzwand besitzt eine Dauerfestigkeit, die auf fünf Millionen HG-Airschocks von 300 km/h schnellen Zügen ausgelegt ist. Das entspricht einer Belastung von fünfzig Jahren.
In Österreich wurde bislang noch keine herkömmliche Lärmschutzwand durch die neuen, designorientierten Lärmspoiler ersetzt. Zu hoch sind den Verantwortlichen anscheinend noch die Investitionskosten, obgleich nach Angaben des Herstellers die Spoilerwände zirka fünfmal so lange wie die Standardlärmschutzwände halten und daruch quasi sich selbst finanzieren würden. Ganz zu Schweigen von der optischen Aufwertung, die ein weiteres Argument für deren Einsatz wäre. ◙
Magnetfeld der Erde: Feldumkehr oder vorübergehende Schwächung?
Mehrdad Madjdi
Das Erdmagnetfeld spielt eine wichtige Rolle für das Leben auf der Erde. Es bietet einen Schutzschild gegen hochenergetische ionisierende Strahlung aus dem All und wird nicht nur vom Menschen mithilfe des Kompasses, sondern auch von Tieren zur Navigation genutzt. Das Magnetfeld der Erde beeinflusst aber auch – wie unser Kollege, Herr Dr. Lamei, in „Tawan“, Ausgabe vom Herbst 2003 gezeigt hat – die Entwicklung von Organismen und die körperliche Vitalität. Doch woher kommt überhaupt dieses Magnetfeld? Ist es bloßer Zufall, dass magnetische und geographische Pole näherungsweise zusammenfallen? Wird das Magnetfeld möglicherweise bald verschwinden? Hier eine Zusammenfassung des neuesten Standes der Wissenschaft zu diesen Fragen:
In dem Film The Core – Der innere Kern, geschieht Schreckliches: Der rotierende, flüssige Kern der Erde kommt zum Stillstand. Das Magnetfeld wird schwächer, und der Globus verliert seinen Schutzschild gegen kosmische Strahlung und Sonnenwind. Navigationssysteme, Funkverkehr und Fernsehprogramme brechen zusammen.
Tatsache ist, dass das Erdmagnetfeld in den letzten Jahren stetig abnimmt. Zwar schwindet es nicht – wie im Film – innerhalb eines Jahres, aber für geologische Maßstäbe erstaunlich schnell.
Abnahme des Erdmagnetfeldes
Heutzutage vermessen Satelliten das Erdmagnetfeld mit äußerster Genauigkeit. 1980 wurden die ersten exakten Messungen vorgenommen. Der Vergleich mit den Daten, die die Satelliten in jüngster Zeit geliefert haben, zeigt, dass das Erdmagnetfeld in dieser vergleichsweise kurzen Zeitspanne um zehn Prozent abgenommen hat. Die Abnahme erfolgt jedoch nicht auf der ganzen Erde gleichmäßig, sondern es treten Unregelmäßigkeiten auf. Derzeit gibt es zwei große Störzonen im Magnetfeld der Erde. Die größere der beiden Störzonen liegt südlich Afrikas: Über den Südatlantik, zwischen Kapstadt und Buenos Aires, ist das Magnetfeld um 50 Prozent schwächer, als man erwarten würde. Geophysiker sprechen von der "südatlantischen Anomalie". Die meisten Satelliten werden heute so programmiert, dass sie diese Gefahrenzone meiden. Die zweite Störzone liegt im Bereich des Nordpols. In dieser Region hat kosmische Strahlung etwa 1989 in Québec schon mal das Stromnetz lahm gelegt.
Da das Magnetfeld der Erde (genauer gesagt: das axiale Dipolmoment) seit 1840, als Gauß eine Methode zur absoluten Intensitätsmessung einführte,stetig abnimmt (etwa 6,6 Prozent pro Jahrhundert), kann man über eine bevorstehende Feldumkehr spekulieren. Bei linearer Extrapolation wäre dies in etwa 2000 Jahren der Fall. Während der Umpolung nimmt das Magnetfeld vorübergehend stark ab. Nach ein paar tausend Jahren wäre der Nordpol in der Antarktis angekommen. Aber Fluktuationen des Feldes hat es auch in Phasen stabiler Polarität immer gegeben und das Dipolmoment ist zurzeit noch größer, als es im Zeitmittel der letzten fünf Millionen Jahre war. Dennoch lässt es sich nicht ausschließen, dass wir uns in der Startphase zu einer Feldumkehr befinden könnten.
Das Erdmagnetfeld: Kein Stabmagnet
Über 99 % der Quellen des Erdmagnetfeldes liegen im Erdinneren, und in erster Nährung lässt sich das Feld an der Erdoberfläche als das eines leicht gegen die Rotationsachse geneigten Stabmagneten (Dipol) im Erdmittelpunkt beschreiben. In etwa 60 bis 70 Grad geografischer Breite befinden sich konzentrierte Bündel magnetischen Flusses. Die Regionen unmittelbar um die Pole, wo ein reines Dipolfeld die größte radiale Flussdichte vorweisen müßte, sind dagegen durch verminderten bzw. inversen Fluss charakterisiert. Diese Abweichungen lassen sich durch die Überlagerung verschiedenster Multipolanteile beschreiben. Außerdem ändert sich das Magnetfeld langsam mit der Zeit.
Informationen zur Veränderung des Erdmagnetfeldes in der Erdgeschichte werden aus der Untersuchung von Lavagesteinen gewonnen. Kleine Mengen an ferromagnetischen Mineralien in Gesteinen von ozeanischen Inselvulkanen aus verschiedenen Epochen der Erdgeschichte konservieren in ihrer remanenten Magnetisierung bis heute Informationen über Richtung und Stärke des Feldes zu der Zeit, als das Gestein entstanden ist. Demnach hat es in der Vergangenheit zahlreiche Umpolungen des Erdmagnetfeldes gegeben (siehe Abbildung), die jedoch nicht periodisch wie bei der Sonne auftreten, sondern zufällig verteilt sind. Die Intervalle zwischen diesen Ereignissen waren etwa 200 000 Jahren, die letzte Magnetfeldumkehr war vor 780 000 Jahren.
Diese Beobachtungen zeigen aber auch, dass das Bild eines Stabmagneten im Erdzentrum nicht zutreffen kann. Die frühe Vorstellung, nach der das Erdmagnetfeld auf remanenter Magnetisierung beruht, lässt sich kaum mit der beobachteten Multipolanteile in Einklang bringen. Zudem verschwindet der Ferromagnetismus oberhalb der Curie-Temperatur, die für typische magnetische Mineralien in Tiefen von 10–20 km überschritten wird.
Die innere Struktur der Erde
Tiefer als 10 Kilometer können die Geologen nicht bohren. Daher versuchen sie das Erdinnere anhand von Erdbebenwellen zu rekonstruieren, die sich über den Globus ausbreiten – ähnlich wie der Frauenarzt per Ultraschall einen Embryo sichtbar macht. Wie Mutter Erde im Bauch aussieht, ist in groben Zügen bekannt:
1909 entdeckte der kroatische Wissenschaftler Mohorovicic mithilfe seismischer Messungen die untere Begrenzung der Erdkruste, die Mohorovicic-Diskontinuität (kurz „Moho“ genannt) und führte damit die Existenz einer „Erdkruste“ in unser Bild von der Erde ein. Diese Erdkruste ist unter den Kontinenten 30 bis 40 km dick, unter den Ozeanen etwa 10 km. 1912 gelang es dem deutschen Seismologen Beno Gutenberg, die Tiefe des Erdkerns mit knapp 3000 km (55 % des Erdradius) zu bestimmen. Der Bereich zwischen der Moho und dem Erdkern wurde von dem deutschen Geophysiker Emil Wiechert als Erdmantel bezeichnet, der im Wesentlichen aus magnesiumhaltigen Silikaten besteht. Der britische Geophysiker Harold Jeffreys wies dann 1926 nach, dass der Erdkern aus flüssigem Eisen besteht. Schließlich gelang es der dänischen Seismologin Inge Lehmann 1936, zwischen einem äußeren flüssigen und einem festen inneren Kern (etwa 20 % des Erdradius), die beide aus Eisen bestehen, zu unterscheiden. Die Dichte des Kerns ist allerdings geringfügig kleiner als die von reinem Eisen unter hohem Druck, sodass ca. 5–10 % eines leichteren chemischen Elements (z.B. Si, S, O – genaueres weiß man nicht) dazu legiert sein müssen.
Heute geht man davon aus, dass das Magnetfeld der Erde durch Strömungen im flüssigen Teil des Erdkerns erzeugt wird, man spricht hierbei vom „Geodynamo“. Eine mögliche Ursache dieser Strömungen ist thermische Konvektion. Sie wird hauptsächlich durch die seit Entstehung der Erde gespeicherte Wärme angetrieben, die in einem langsamen Abkühlprozess verloren geht. Noch wichtiger sind wahrscheinlich chemisch getriebene Strömungen.
Ein allgemein bekanntes Beispiel für chemische Konvektion sind die großräumigen Strömungen in den Ozeanen, wo Dichtevariationen aufgrund eines unterschiedlichen Salzgehalts zum Antrieb der Tiefenzirkulation beitragen. Im flüssigen Kern der Erde beruht die chemische Konvektion auf einer zunehmenden Anreicherung der leichten chemischen Elemente in der Legierung. Im Zuge der Abkühlung der Erde kristallisiert nahezu reines Eisen am Rand des inneren Kerns aus (der dadurch wächst). Die leichte Komponente konzentriert sich in einer dünnen Flüssigkeitsschicht um den inneren Kern und verleiht ihr Auftrieb. Eine weitere mögliche Energiequelle für den Geodynamo ist die Erdrotation um die eigene Achse.
Weil das flüssige Metall ein guter Leiter ist, erzeugen diese Strömungen wie in einem Dynamo ein elektromagnetisches Feld – das Magnetfeld der Erde. Die dabei induzierten elektrischen Ströme müssen aber stark genug sein und die richtige Geometrie haben, um das zur Induktion nötige Magnetfeld immer von neuem aufzubauen.
Mithilfe von Experimenten und numerischen Simulationen lassen sich manche Eigenschaften des Erdmagnetfelds mittlerweile gut reproduzieren und Theorien über die zugrunde liegenden Mechanismen – z.B. über die oben erwähnte Geometrie der Strömungen im Erdinneren – formulieren.
Magnetfelderzeugung in homogenen Dynamos
Dynamos begegnen uns im täglichen Leben, man findet sie an Fahrrädern und in Autos. Auch in diesen Apparaten wird mechanische in elektromagnetische Energie umgewandelt.
Ihre Funktionsweise basiert allerdings auf einer geschickten Anordnung des elektrischen Leiters, z. B. in Form einer Spule. Im Erdkern haben wir es dagegen mit einer Kugel mit nahezu homogener elektrischer Leitfähigkeit zu tun. In technischer Betrachtungsweise sind die verschiedenen Bereiche des Kerns also kurzgeschlossen, und es stellt sich die Frage, ob in einer solchen Umgebung der Dynamoeffekt überhaupt wirksam sein kann. Diese Frage ist bis Ende der 50er Jahre offen geblieben, als die ersten theoretischen Beispiele funktionierender Dynamos entwickelt wurden. Man bezeichnet diese Dynamos als „homogene“ Dynamos, um sie von ihren „technischen“ Gegenübern zu unterscheiden.
Ein homogener Dynamo verlangt sowohl ein dreidimensionales Magnetfeld als auch ein dreidimensionales Geschwindigkeitsfeld. Numerische Simulationen des vollen Dynamoproblems sind deshalb erst Mitte der 90er Jahre praktikabel geworden. Seither hat die Untersuchung des Geodynamos einen gewaltigen Aufschwung erfahren.
Die Simulationsmodelle zeigen, dass im flüssigen Erdkern Konvektionssäulen mit zyklonalem Drehsinn vorhanden sein müssen, die sich in z-Richtung (d. h. parallel zur Rotationsachse der Erde) von der Nordhemisphäre in die Südhemisphäre erstrecken (siehe Abbildung auf der vorigen Seite). Sie zeigen weiteres, dass magnetische Flusskonzentrationen tatsächlich mit turbulenten Strömungen im Erdkern verbunden sind und erst das Zusammenspiel der Zellen den Dynamoeffekt ermöglicht.
Ein weiteres Ergebnis ist, dass während der Feldumkehr der Dipolanteil gegenüber den Quadropol- and Oktupolkomponenten zurück tritt, und dass die Erde zur Erzeugung ihres Magnetfeldes nur die Leistung von umgerechnet 200 bis 500 großen Kraftwerken braucht. Erforderlich sind demnach etwa 200.000 bis 500.000 Megawatt, was etwa 0,6 bis 1 % der Wärmeverluste der Erde ausmacht.
Noch arbeiten diese Simulationen aufgrund begrenzter Rechenkapazitäten mit starken Vereinfachungen und teilweise unrealistischen Annahmen. Hinzu kommen offene Fragen wie: Welche chemischen Elemente bilden neben Eisen den Kern der Erde? Und viele andere. Deshalb lassen die Simulationen eine begründete Prognose über die zukünftige Feldentwicklung der Erde nicht zu. Mit anderen Worten: sie können noch nicht erklären, ob es sich bei der momentanen Schwäche des Erdmagnetfeldes um „normale“ Fluktuationen des Feldes handelt oder ob wir uns in der Startphase zu einer Feldumkehr befinden.
Quellen:
1. Die Erde, Rolf Emmermann und Volker Haak, Physik Journal 1 (2002) Nr. 10, Seiten 29-31
2. Der Geodynamo, U. R. Christensen, A. Tilgner, Physik Journal 1 (2002) Nr. 10, Seiten 41-47
3. Power Requirement of the geodynamo …, U. R. Christensen, A. Tilgner, Nature 429 (13 May 2004)
4. Wenn der Kern spinnt, Max Rauner, Die Zeit 27.03.2003, Nr. 14
5. Das Erdmagnetfeld während der Umpolung, Münchner Wissenschaftstage, Lebendige Erde, Okt. 2002
Kompetenz gegen Produktionsausfälle
Quelle: Der Standard vom 6.09 und 12.09.2004
Ein Netzwerk aus
Vorarlberger Industriebetrieben sagt frühzeitigem Versch-leiß und damit
verbundenen Produktionsausfällen den Kampf an. Mit dem neuen Kompetenzzentrum
VResearch Center for Tribotronics and Technical Logistics
(Wissen), verwaltet vom Land Voralberg, sollen neue Oberflächen sowie Mess-
und Kontrollmethoden zur Reduktion von Verschleiß entwickelt und intelligente
Systeme zur Optimierung logistischer Prozesse erforscht werden.
Geschäftsführer des neuen Kompetenzzentrums VResearch ist der gebürtige Iraner Vaheh Khachatouri. Der Absolvent des Studiums Industrielle Elektronik und Regelungstechnik an der TU Wien weiß, wie man sich dem Thema des Zentrums, „Verschleißerscheinungen von Werkzeugen“, analytisch nähert, um Produktionsausfälle in der Industrie zu verhindern: Bis Ende Juli war er beim Werkzeugriesen Hilti AG als Mitglied des Führungskaders zuständig für geschäftsübergreifende Innovationsprojekte. Davor beriet er Siemens, den Industriewerkzeughersteller Nitto Kohki Ltd., Rockwell Automation und auch Hilti in Forschungsfragen und absolvierte zahlreiche Auslandsaufenthalte. Khachatouri, geboren 1964 in Teheran, ist verheiratet und Vater zweier Kinder.
Wir gratulieren unserem Kollegen zu diesem Erfolg.
Traditionelle Architektur in Iran
„Bauen mit und unter der Erde“
Die Jahrtausendealte Baugeschichte Persiens birgt in ihrer heutigen Ausformung eine Fülle an erhaltenen und belebten Baukulturgütern. Manche dieser Bautraditionen, wie die Herstellung von kunstvollen Ziegelverbänden im Gewölbebereich, gehören zunehmend der Baugeschichte an. Auch die Verwendung des Baustoffes Lehm ist auf Grund von Ersatzbaustoffen wie gebrannten Ziegeln oder Beton im Abnehmen begriffen, was zu einer intensiveren Beschäftigung im Sinne des Verstehens und der Dokumentation aufruft, um noch bestehende Traditionen zumindest festzuhalten.
Das Institut für vergleichende Architektur-forschung der TU-Wien veranstaltete am 8. November 2004 einen Vortrag zu diesem Thema. Die Vortragenden waren Herr DI Hubert Feigelstorfer und Frau Architekt Azimeh Riahi Dehkordi.
Frau Azimeh Riahi Dehkordi leitet in Abyaneh, einem Lehm-Bergdorf in der Nähe der Stadt Kashan, ein Projekt zur Erhaltung und Restaurierung der traditionell gewachsenen, architektonischen und sozialen Strukturen.
Wir wünschen unserer Kollegin viel Erfolg bei diesem Experiment.
Wie sicher ist sicher?
Schwer zu sagen, ob es eher der 11. September war, der ein Beben in der Sicherheitsbranche ausgelöst hat, oder doch mehr die jüngsten Virenattacken mit Folgeschäden in Milliardenhöhe. Tatsache ist, dass die Nervosität bei den Industrieunternehmen zugenommen hat. Der Bedarf nach neuen Sicherheitstechnologien wächst und wächst.
Wo die Nerven blank liegen, sind die Wunderheiler nicht weit. Anbieter, die bis vor kurzem noch niemand kannte, garantieren Hundert-Prozent-Schutz mit neuen Hightech-Produkten.
Der Verband der Sicherheitsunternehmen in Österreich (VSÖ), mahnt zur Besonnenheit. "Einen 100-prozentigen Schutz wird es nie geben. Wer so etwas verspricht, ist ein Scharlatan. "Wichtig für ein Unternehmen sei eine ganzheitliche Sicherheitspolitik, in die sämtliche Bereiche des Unternehmens einbezogen sind, vom Brandschutz über Organisation und Bauplanung bis hin zur IT. Was nutzt einem die beste Sicherheitstür, wenn die Firewall nicht funktioniert?"
Da es für die Sicherheitsvorkehrungen in einem Unternehmen weder gesetzliche Regelungen noch verbindliche Qualitätsstandards gibt, muss sich das Unternehmen selbst darum kümmern. Es empfiehlt sich daher ein internes Screening, mit dem eine Sicherheitsstrategie für alle Bereiche festgelegt wird: Wo sind unsere neuralgischen Punkte? Wie schützen wir sie? Welche Restrisiken bleiben und wie gehen wir damit um?
Eine Befragung der Messebesucher bei austro-Sicherheit 2004, hat ergeben, dass das Interesse sich vor allem auf Themen wie mechanische Sicherheitstechnik, Kamera- und Videoüberwachung sowie IT-Sicherheit und Datenschutz fokussiert hat.
Wer Zutritt zu den Lebensnerven eines Unternehmens wie etwa Server- oder Steuerungszentralen hat, der ist in der Lage, den Betrieb innerhalb von Sekunden lahm zu legen. Darum ist gerade hier die Kontrolle darüber wichtig, wem Zugang zu welchen Bereichen gewährt wird. Die konventionelle Lösung, Zutrittshierarchien mit verschiedenen Schlüsseln festzulegen, hat neben einem hohen Organisations-aufwand noch einen prinzipiellen Nachteil: Wenn der Generalschlüssel für alle Türen verloren geht – wie kürzlich am Flughafen Düsseldorf geschehen – dann wird's teuer. Denn für die Aufrechterhaltung der Sicherheit gibt es dann nur eine Möglichkeit: den Austausch sämtlicher Schlösser. Außerdem kann im Fall des Falles nicht zurückverfolgt werden, wer wann welche Tür geöffnet hat. Das ist nur mit einem elektronischen Zugangssystem möglich. Der Be-nutzer erhält eine Codenummer, die festlegt, welche Türen ihm offen stehen und welche nicht. Zutritts-rechte können durch einfache Umprogrammierung jederzeit erweitert oder eingeschränkt werden.
Teure Biolösung
Eine Achillesferse in jedem Sicherheitssystem ist der Mensch. Codenummern und Passwörter können vergessen werden oder in falsche Hände gelangen. Bei dem Versuch, solche Risiken zu umgehen, haben biometrische Erkennungssysteme an Bedeutung gewonnen. Die gängigsten Verfahren sind der Fingerprint- und der Irisscan. Die Fingerprint-Methode weist jedoch noch eine Fehleranfälligkeit von zwei Prozent auf.
Für Aufsehen sorgte vor einiger Zeit ein Praxistest, in dem sämtliche geprüften biometrischen Systeme mit simplen tricks geknackt werden konnten. Selbst eine Iris-Scan-Kamera konnte durch ein hoch aufgelöstes Foto von der Iris überlistet werden. Die Lebend-funktionen, die bei der Prüfung getestet werden, wurden simuliert, indem das Foto mit einem aus-geschnittenen Loch in der Mitte vor ein anderes Auge gehalten wurde.
Ein interessantes biometrisches Verfahren wurde von einem koreanischen Unternehmen entwickelt. Die Methode vermisst die Venengefäßmuster des Handrückens. Sensoren prüfen nicht nur das Muster, sondern sie reagieren auch auf Temperatur und stellen mittels einer komplexen Filtertechnologie die Lebendfunktionen sicher. Dadurch sollen Täuschungsversuche ausgeschlossen werden. Da die Sensoren berührungslos arbeiten, treten auch keine Funktionsstörungen durch Verunreinigung wie bei der Fingerprint-Methode auf.
Für höchste Sicherheitsansprüche wird es aber wohl auf eine Kombination aus verschiedenen Verfahren hinauslaufen.
Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung aus einem Artikel in der Zeitschrift „FACTORY“, Ausgabe Juni 2004.