Skelette für Straßburg
- ️DIE ZEIT
- ️Thu Aug 19 2004
zeitgeschichte: Skelette für Straßburg
Eines der grausigsten Wissenschaftsverbrechen des "Dritten Reiches" ist endlich aufgeklärt
19. August 2004 Quelle: (c) DIE ZEIT 19.08.2004 Nr.35
Kein Foto, kein Brief ist Henri Litchi von seinen Eltern geblieben. Der 68-jährige Pariser Drogist besitzt nur einige wenige Dokumente über sie. Zu den Originalen unter diesen Papieren gehört die Heiratsurkunde. Esther Scialom und Ichay Litchi schlossen demnach am 12. September 1929 in Thessaloniki den Ehebund. Bald darauf wanderten sie nach Frankreich aus. Doch wann genau und warum, ob direkt nach Paris oder erst über einen Umweg: Henri Litchi kennt die Antworten nicht.
Zu seinen eigenen frühesten Erinnerungen zählt eine Zugfahrt im Winter 1942, die ihn und seine ältere Schwester Arlette in ein französisches Pyrenäendorf führte. Wer hat die beiden in Paris an den Bahnhof gebracht? Auch so eine unbeantwortete Frage. Seine Mutter jedenfalls nicht, denn sie starb ausweislich der Todeserklärung am 24. Februar 1941 nachts um 23.50 Uhr in einer Pariser Klinik. In dem Bergdorf wurden Henri und Arlette von einer Pflegemutter erwartet, die beide Kinder sicher durch den Krieg lotste. "Ich habe gute Erinnerungen an sie", blickt Henri Litchi dankbar zurück. "Sie hatte eine ähnliche Stimme wie meine Mutter."