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Ramadan-Schriftzug in Frankfurt führt bundesweit zu Debatten

Ach, ist das wunderbar! Endlich gibt es wieder einen Grund, seinen Ausländerhass gemischt mit antimuslimischer Stimmungsmache auszupacken. Dabei kann man auch noch so zu tun, als ginge es einem selbst um Toleranz. So zumindest scheinen die offensichtlichen und versteckten Rechtsradikalen und pseudobürgerlichen Hetzer zu denken, die über Frankfurt am Main herfallen, weil es dort dieses Jahr zum ersten Mal eine Ramadan-Beleuchtung über der Freßgass gibt.

Diese Beleuchtung steht für Toleranz und zeigt, dass in Frankfurt ein interreligiöses Miteinander möglich ist: Die Freßgass ist dafür bekannt, dass es dort besonders gute Schweinswürste, Schnitzel und Braten für die Mittagspause und besonders guten Wein für den Feierabend gibt. Muslimisches Fasten direkt neben deutscher Wurst und Wein vom Rhein – besser kann Toleranz doch gar nicht illustriert werden. Frankfurt am Main war schon immer ein Vorreiter bei der Integration.

Der Hinweis auf die Ramadan-Beleuchtung wurde in den sozialen Medien oft zusammen mit dem Hinweis auf einen Aufreger aus der Adventszeit 2023 gepostet. Damals empörten sich viele, weil eine Hamburger Kita keinen Weihnachtsbaum aufstellen wollte. Jetzt schreiben viele: Seht, das ist die Islamisierung Deutschlands – Weihnachtsbäume werden abgeschafft und Ramadan-Beleuchtung angeschafft.

Beide Ereignisse weisen tatsächlich auf ein Problem hin. Es ging den Verantwortlichen in der Hamburger Kita damals darum, "kein Kind und seinen Glauben ausschließen" – wie sie sagten. Das mag gut gemeint gewesen sein, zeigte aber vor allem einen Mangel an Kulturkompetenz – wie chrismon-Kolumnist Johann Hinrich Claussen damals richtig schrieb. Religiöse Feste oder Bräuche wie Weihnachten oder Ramadan sind kulturelle Phänomene – von Menschen für Menschen gemacht. Sie zu kennen und mit ihnen umzugehen ist eine wichtige Fähigkeit in einer pluralen Gesellschaft. Deswegen lieber mehr und nicht weniger Christbäume und Ramadan-Beleuchtungen in Deutschland.

Der weitaus größte Teil aller Deutschen gehört einer Religion an. Laut Statista leben derzeit 44,8 Millionen Christen in Deutschland. Dazu zwischen fünf und sechs Millionen Muslime und viele Zehntausend Juden, Hindus, Buddhisten und andere religiöse Gruppierungen. Sie alle haben ihre Feste und Traditionen, die zu kennen und zu würdigen den eigenen Blick auf die Welt bereichert und uns viele menschliche Handlungen erst verstehen lässt. Dieses Wissen macht uns kulturkompetent.

Zu wissen, was diese Feste für die einzelnen Gruppen bedeuten, und ihnen zu ermöglichen, ihre Traditionen im Alltag zu leben, zeigt Interesse und den Willen, die anderen so zu nehmen, wie sie sind. Man muss die Tradition ja nicht übernehmen, aber man kann doch mitfeiern, wie man auch einen Geburtstag mitfeiert, ohne selbst Geburtstag zu haben.

Diese Toleranz muss natürlich in beide Richtungen gehen. Nicht wenige woke Kulturkämpfer*innen wollen Christbäume und Krippen aus Kitas verbannen und den Martinsumzug in Laternenfest umbenennen, weil ihnen diese Traditionen zu konservativ-christlich erscheinen. Gegen die Ramadan-Beleuchtung würden die gleichen Aktivisten sich aber nicht wenden. Das ist heuchlerisch. Wo Religion drin ist, darf auch Religion draufstehen - und zwar bei allen religiösen Richtungen.

Genauso heuchlerisch ist es, wenn der rechte Rand unserer Gesellschaft für den Weihnachtsbaum in der Kita kämpft, aber die Ramadan-Beleuchtung ablehnt. Man kann ja mit guten Gründen gegen Religion sein, dann aber bitte konsequent gegen alle. Oftmals wird dann auf autokratisch regierte Länder wie die Türkei oder Iran verwiesen, wo Christen ihre Traditionen nicht so einfach ausleben können wie Muslime hier. Dass Autokraten wie Erdogan oder die mörderischen Mullahs in Iran christlichen Bräuchen gegenüber nicht so offen sind, ist schlimm. Aber wir leben hier zum Glück auch nicht in einer Autokratie oder Diktatur! Und viele Muslime, die hier in Deutschland leben, sind ja gerade vor solchen Regierungen geflohen.

Kulturkämpfer von links und rechts arbeiten an der Spaltung dieser Gesellschaft. Die wird ihnen aber nicht gelingen – das sieht man in Frankfurt, wo man in Zukunft unter dem "Happy Ramadan"-Schild genüsslich Wein trinken und Schweinefleisch essen kann.