Funktionenfolge – Wikipedia

Eine Funktionenfolge ist eine Folge, deren einzelne Glieder Funktionen sind. Funktionenfolgen und ihre Konvergenzeigenschaften sind für alle Teilgebiete der Analysis von großer Bedeutung. Vor allem wird hierbei untersucht, in welchem Sinne die Folge konvergiert, ob die Grenzfunktion Eigenschaften der Folge erbt oder ob Grenzwertbildungen bei Funktionenfolgen vertauscht werden können. Zu den wichtigsten Beispielen zählen Reihen von Funktionen wie Potenzreihen, Fourier-Reihen oder Dirichletreihen. Hier spricht man auch von Funktionenreihen.
Eine (reelle) Funktionenfolge ist eine Folge von Funktionen
. Allgemeiner können Definitions- und Zielmenge auch andere Mengen sein, beispielsweise Intervalle; sie müssen jedoch für alle Funktionen dieselben sein.
Abstrakt kann eine Funktionenfolge als Abbildung
für eine Definitionsmenge und eine Zielmenge
definiert werden. Falls als Indexmenge nicht die natürlichen Zahlen gewählt wurden, so spricht man von einer Familie von Funktionen.
Für die Folge ,
mit
gilt für jedes fixe
,
sie konvergiert punktweise gegen die Nullfunktion. Jedoch gilt für alle
also
Punktweise Konvergenz reicht also nicht aus, damit Grenzwert und Integralzeichen vertauscht werden dürfen; damit diese Vertauschung erlaubt ist, ist ein strengeres Konvergenzverhalten, typischerweise gleichmäßige Konvergenz, majorisierte Konvergenz oder monotone Konvergenz, hinreichend.
In der Analysis treten Funktionenfolgen häufig als Summen von Funktionen, also als Reihe auf, insbesondere als Potenzreihe oder allgemeiner als Laurentreihe.
In der Approximationstheorie wird untersucht, wie gut sich Funktionen als Grenzwert von Funktionenfolgen darstellen lassen, wobei insbesondere die quantitative Abschätzung des Fehlers von Interesse ist. Die Funktionenfolgen treten dabei üblicherweise als Funktionenreihen auf, also als Summe . Beispielsweise konvergieren Fourierreihen im
-Sinn gegen die darzustellende Funktion. Bessere Approximationen im Sinne der gleichmäßigen Konvergenz erhält man oft mit Reihen aus Tschebyschow-Polynomen.
In der Stochastik ist eine Zufallsvariable als messbare Funktion
eines Maßraums
mit einem Wahrscheinlichkeitsmaß
definiert. Folgen
von Zufallsvariablen sind daher spezielle Funktionenfolgen, ebenso sind Statistiken wie z. B. der Stichprobenmittelwert
Funktionenfolgen. Wichtige Konvergenzeigenschaften dieser Funktionenfolgen sind z. B. das starke Gesetze der großen Zahlen und das schwache Gesetz der großen Zahlen.
In der numerischen Mathematik tauchen Funktionenfolgen beispielsweise bei der Lösung von partiellen Differentialgleichungen auf, wobei
ein (nicht notwendigerweise linearer) Differentialoperator und
die gesuchte Funktion ist. Bei der numerischen Lösung etwa mit der finiten Elementmethode erhält man Funktionen
als Lösung der diskretisierten Version der Gleichung
, wobei
die Feinheit der Diskretisierung bezeichnet. Bei der Analyse des numerischen Algorithmus werden nun die Eigenschaften der diskretisierten Lösungen
, die eine Funktionenfolge bilden, untersucht; insbesondere ist es sinnvoll, dass die Folge der diskretisierten Lösungen
bei Verfeinerung der Diskretisierung gegen die Lösung des Ausgangsproblems konvergiert.
Eine Funktionenfolge heißt monoton wachsend (monoton fallend) auf
, wenn
(
)für alle
ist. Sie heißt monoton, wenn sie entweder monoton fallend oder monoton wachsend ist.
Eine Funktionenfolge auf einer Menge
, deren Wertevorrat ein normierter Raum ist, heißt punktweise beschränkt, wenn für jeden Punkt
die Menge
beschränkt ist. Diese Menge ist also die Menge aller Werte, die an der Stelle
von einer Funktion der Folge angenommen wird.
Eine Funktionenfolge ist auf einer Menge
gleichmäßig beschränkt, falls eine Konstante
existiert, so dass
für alle
und alle
.
Eine Funktionenfolge kann also höchstens dann gleichmäßig beschränkt sein, wenn jede einzelne Funktion der Folge beschränkt ist. Für jede einzelne Funktion existiert daher die Supremumsnorm
. Eine Funktionenfolge ist nun genau dann gleichmäßig beschränkt, wenn sie als Menge von Funktionen bezüglich der Supremumsnorm beschränkt ist.
Dies wird auf vektorwertige Funktionen verallgemeinert: Dabei ist eine beliebige Menge,
ein reeller oder komplexer normierter Raum mit der Norm
. Man bezeichnet die Menge der auf
definierten Funktionen, die bezüglich der Norm in
beschränkt sind, als
und führt auf
mit
eine Norm ein, die
wiederum zu einem normierten Raum macht.
Dann ist eine Funktionenfolge mit auf
definierten Funktionen genau dann gleichmäßig beschränkt, wenn die Folge eine Teilmenge von
ist und als Teilmenge von
beschränkt ist.
Eine gleichmäßig beschränkte Funktionenfolge ist notwendigerweise auch punktweise beschränkt.
Eine Funktionenfolge ist auf einer offenen Menge
lokal gleichmäßig beschränkt, falls zu jedem
eine offene Umgebung
und eine Konstante
existiert, so dass
gilt für alle
und alle
.
Der Grenzwert einer Funktionenfolge wird Grenzfunktion genannt. Da die in den Anwendungen auftretenden Funktionsfolgen sehr unterschiedliches Verhalten bei wachsendem Index haben können, ist es notwendig, sehr viele verschiedene Konvergenzbegriffe für Funktionenfolgen einzuführen. Von einem abstrakteren Standpunkt handelt es sich meist um die Konvergenz bezüglich gewisser Normen oder allgemeiner Topologien auf den entsprechenden Funktionenräumen; vereinzelt treten aber auch andere Konvergenzbegriffe auf.
Die verschiedenen Konvergenzbegriffe unterscheiden sich vor allem durch die implizierten Eigenschaften der Grenzfunktion. Die wichtigsten sind:
Existiert der punktweise Grenzwert
in jedem Punkt des Definitionsbereiches, so wird die Funktionenfolge punktweise konvergent genannt. Beispielsweise gilt
die Grenzfunktion ist also unstetig.
Eine Funktionenfolge ist gleichmäßig konvergent gegen eine Funktion
, wenn die maximalen Unterschiede zwischen
und
gegen null konvergieren. Dieser Konvergenzbegriff ist Konvergenz im Sinne der Supremumsnorm.
Gleichmäßige Konvergenz impliziert einige Eigenschaften der Grenzfunktion, wenn die Folgenglieder sie besitzen:
Viele Reihen in der Funktionentheorie, insbesondere Potenzreihen, sind nicht gleichmäßig konvergent, weil die Konvergenz für zunehmende Argumente immer schlechter wird. Verlangt man die gleichmäßige Konvergenz nur lokal, das heißt in einer Umgebung eines jeden Punktes, so kommt man zum Begriff der lokal gleichmäßigen Konvergenz, der für viele Anwendungen in der Analysis ausreicht. Wie bei der gleichmäßigen Konvergenz überträgt sich auch bei lokal gleichmäßiger Konvergenz die Stetigkeit der Folgenglieder auf die Grenzfunktion.
Ein ähnlich guter Konvergenzbegriff ist der der kompakten Konvergenz, der gleichmäßige Konvergenz lediglich auf kompakten Teilmengen fordert. Aus der lokal gleichmäßigen Konvergenz folgt die kompakte Konvergenz; für lokalkompakte Räume, die häufig in Anwendungen auftreten, gilt die Umkehrung.
In der Mathematik dient der Begriff der normalen Konvergenz der Charakterisierung von unendlichen Reihen von Funktionen. Eingeführt wurde der Begriff von dem französischen Mathematiker René Louis Baire.
Bei den maßtheoretischen Konvergenzbegriffen ist die Grenzfunktion üblicherweise nicht eindeutig, sondern nur fast überall eindeutig definiert. Alternativ lässt sich diese Konvergenz auch als Konvergenz von Äquivalenzklassen von Funktionen, die fast überall übereinstimmen, auffassen. Als eine solche Äquivalenzklasse ist dann der Grenzwert eindeutig bestimmt.
Sind ein Maßraum und eine Folge darauf messbarer Funktionen
mit Definitionsmenge
gegeben, so wird die Funktionenfolge punktweise konvergent fast überall bezüglich
genannt, wenn der punktweise Grenzwert
fast überall bezüglich existiert, wenn also eine Menge
vom Maß Null (
) existiert, sodass
eingeschränkt auf das Komplement
punktweise konvergiert.
Die Konvergenz fast überall bezüglich eines Wahrscheinlichkeitsmaßes wird in der Stochastik fast sichere Konvergenz genannt.
Beispielsweise gilt
punktweise fast überall bezüglich des Lebesgue-Maßes.
Ein anderes Beispiel ist die Funktionenfolge , wobei für
,
Diese Folge konvergiert für kein , da sie für jedes fixe
die Werte 0 und 1 unendlich oft annimmt. Für jede Teilfolge
lässt sich aber eine Teilteilfolge
angegeben, sodass
punktweise fast überall bezüglich des Lebesgue-Maßes.
Gäbe es eine Topologie der punktweisen Konvergenz fast überall, so würde daraus, dass jede Teilfolge von eine Teilteilfolge enthält, die gegen 0 konvergiert, folgen, dass
gegen 0 konvergieren muss. Da aber
nicht konvergiert, kann es folglich keine Topologie der Konvergenz fast überall geben. Die punktweise Konvergenz fast überall ist damit ein Beispiel eines Konvergenzbegriffes, der zwar den Fréchet-Axiomen genügt, aber nicht durch eine Topologie erzeugt werden kann.[1]
In einem Maßraum wird eine Folge darauf messbarer Funktionen
konvergent dem Maße nach gegen eine Funktion
genannt, wenn für jedes
gilt.[2]
In einem endlichen Maßraum, also wenn gilt, ist die Konvergenz dem Maße nach schwächer als die Konvergenz fast überall: Konvergiert eine Folge messbarer Funktionen
fast überall gegen Funktion
, so konvergiert sie auch dem Maße nach gegen
.[3]
In der Stochastik wird die Konvergenz dem Maße nach als Stochastische Konvergenz oder als Konvergenz in Wahrscheinlichkeit bezeichnet.[4]
Eine Abschwächung der Konvergenz dem Maße nach ist die Konvergenz lokal nach Maß. Auf endlichen Maßräumen stimmen beide Begriffe überein.
Eine Funktionenfolge heißt
konvergent gegen
oder konvergent im p-ten Mittel, wenn sie im Sinne des entsprechenden Lp-Raums
konvergiert, wenn also
Ist ein endliches Maß, gilt also
, so folgt für
aus der Ungleichung der verallgemeinerten Mittelwerte, dass eine Konstante
existiert, sodass
; insbesondere folgt dann also aus der
-Konvergenz von
gegen
auch die
-Konvergenz von
gegen
.
Aus der -Konvergenz folgt die Konvergenz dem Maße nach, wie man aus der Tschebyschow-Ungleichung in der Form
sieht.[5]
Eine Verallgemeinerung der Lp-Konvergenz ist die Konvergenz in Sobolew-Räumen, die nicht nur die Konvergenz der Funktionswerte, sondern auch die Konvergenz gewisser Ableitungen berücksichtigt. Der Sobolewschen Einbettungssatz beschreibt die Abhängigkeiten der Konvergenzbegriffe in den unterschiedlichen Sobolew-Räumen.
In einem Maßraum wird eine Folge darauf messbarer reell- oder komplexwertiger Funktionen
fast gleichmäßig konvergent gegen eine Funktion
genannt, wenn für jedes
eine Menge
existiert, sodass
und
auf dem Komplement
gleichmäßig gegen
konvergiert.[6]
Aus der fast gleichmäßigen Konvergenz folgt die punktweise Konvergenz fast überall;[7] aus dem Satz von Jegorow folgt, dass in einem endlichen Maßraum auch umgekehrt aus der punktweisen Konvergenz fast überall die fast gleichmäßige Konvergenz folgt.[8] In einem endlichen Maßraum, also insbesondere für reellwertige Zufallsvariablen, sind Konvergenz fast überall und fast gleichmäßige Konvergenz von reellwertigen Funktionenfolgen äquivalent.
Aus der fast gleichmäßigen Konvergenz folgt außerdem die Konvergenz dem Maße nach.[7] Umgekehrt gilt, dass eine dem Maße nach konvergente Folge eine Teilfolge enthält, die fast gleichmäßig (und damit auch fast überall) gegen die gleiche Grenzfolge konvergiert.[9]
In einem Maßraum wird eine Folge darauf messbarer reell- oder komplexwertiger Funktionen
fast überall gleichmäßig konvergent gegen eine Funktion
genannt, wenn es eine Nullmenge
gibt, sodass
auf dem Komplement
gleichmäßig gegen
konvergiert. Für Folgen beschränkter Funktionen ist das im Wesentlichen die Konvergenz im Raum
. Fast überall gleichmäßige Konvergenz kann wegen der sehr ähnlichen Bezeichnung leicht mit fast gleichmäßiger Konvergenz verwechselt werden, wie Paul Halmos in seinem Lehrbuch zur Maßtheorie kritisiert.[10]
Die schwache Konvergenz für Funktionenfolgen ist ein Spezialfall der schwachen Konvergenz im Sinne der Funktionalanalysis, die allgemein für normierte Räume definiert wird. Zu beachten ist, dass es in der Funktionalanalysis, der Maßtheorie und der Stochastik mehrere verschiedene Konzepte von schwacher Konvergenz gibt, die nicht miteinander verwechselt werden sollten.
Für heißt eine Funktionenfolge
aus
schwach konvergent gegen
, wenn für alle
gilt, dass
ist. Dabei ist durch
definiert.

Die nebenstehende Übersicht entstammt dem Lehrbuch Einführung in die Maßtheorie von Ernst Henze, der dafür seinerseits auf ältere Vorgänger verweist.[11] Sie verdeutlicht die logischen Beziehungen zwischen den Konvergenzarten für eine Folge messbarer Funktionen auf einem Maßraum . Ein schwarzer, durchgehender Pfeil bedeutet, dass die Konvergenzart an der Pfeilspitze aus der Konvergenzart am Pfeilursprung folgt. Für die blauen gestrichelten Pfeile gilt dies nur, wenn
vorausgesetzt ist. Für die roten Strichpunktpfeile gilt die Implikation, wenn die Folge durch eine
-integrierbare Funktion beschränkt ist.
In Maßräumen mit endlichem Maß, wenn also
gilt, ist es großteils möglich, die unterschiedlichen Konvergenzbegriffe nach ihrer Stärke zu ordnen. Dies gilt insbesondere in Wahrscheinlichkeitsräumen, da dort ja
gilt.
Aus der gleichmäßigen Konvergenz folgt die Konvergenz dem Maße nach auf zwei unterschiedlichen Wegen, der eine führt über die punktweise Konvergenz:
Der andere Weg von der gleichmäßigen Konvergenz zur Konvergenz dem Maße nach führt über die -Konvergenz:
Von der Konvergenz dem Maße nach gelangt man zur schwachen Konvergenz:
- Heinz Bauer: Maß- und Integrationstheorie. 2. Auflage. De Gruyter, Berlin 1992, ISBN 3-11-013626-0 (Gebunden), ISBN 3-11-013625-2 (Broschiert), ab S. 91 (§15 Konvergenzsätze) und ab S. 128 (§20 Stochastische Konvergenz).
- Jürgen Elstrodt: Maß- und Integrationstheorie 4. Auflage. Springer, Berlin 2005, ISBN 3-540-21390-2, (Beschreibt ausführlich die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Konvergenzarten).
- ↑ J. Cigler, H.-C. Reichel: Topologie. Eine Grundvorlesung. Bibliographisches Institut, Mannheim 1978. ISBN 3-411-00121-6. S. 88, Aufgabe 6
- ↑ A.N. Kolmogorow und S.V. Fomin: Reelle Funktionen und Funktionalanalysis. Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1975, 5.4.6, Definition 4.
- ↑ A.N. Kolmogorow und S.V. Fomin: Reelle Funktionen und Funktionalanalysis. Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1975, 5.4.6, Satz 7.
- ↑ Marek Fisz: Wahrscheinlichkeitsrechnung und mathematische Statistik. Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1989, S. 212.
- ↑ Robert B. Ash: Real Analysis and Probability. Academic Press, New York 1972. ISBN 0-12-065201-3. Theorem 2.5.1.
- ↑ Robert B. Ash: Real Analysis and Probability. Academic Press, New York 1972. ISBN 0-12-065201-3. S. 93.
- ↑ a b Robert B. Ash: Real Analysis and Probability. Academic Press, New York 1972. ISBN 0-12-065201-3. Theorem 2.5.2.
- ↑ Robert B. Ash: Real Analysis and Probability. Academic Press, New York 1972. ISBN 0-12-065201-3. Theorem 2.5.5.
- ↑ Robert B. Ash: Real Analysis and Probability. Academic Press, New York 1972. ISBN 0-12-065201-3. Theorem 2.5.3.
- ↑ Paul Halmos: Measure Theory, Springer-Verlag, Graduate Texts in Mathematics, ISBN 978-1-4684-9442-6, §22, Seite 90
- ↑ Ernst Henze: Einführung in die Maßtheorie, BI, Mannheim, 1971, ISBN 3-411-03102-6, Kapitel 4.6, Seite 146