Glyndebourne Festival Opera – Wikipedia
Das Opernhaus von Glyndebourne [ˈglaɪndbɔːn] (Glyndebourne Festival Opera) wurde 1933 auf dem Grundstück eines ehemaligen Landhauses in Sussex (England) von John Christie (1882–1962) gebaut. Mit dem deutschen Dirigenten Fritz Busch und dem deutschen Schauspieler und Regisseur Carl Ebert gründete er dort die Glyndebourne Festival Opera, die am 28. Mai 1934 eröffnet wurde. Sie entwickelte sich binnen kurzem zu „einer der bedeutendsten kleinen Opernbühnen der Welt“.[1]
Der Gründer des Festivals, John Christie, war ein wohlhabender Landbesitzer und Musikfreund, der schon vorher in seinem aus dem 16. Jahrhundert stammenden Landhaus private musikalische Abende gegeben hatte. 1920 hatte er sein Haus um einen großen Orgelraum erweitert. Christies besondere Liebe galt der Oper. Seiner Ansicht nach war das Kunstwerk Oper auf den Britischen Inseln „nicht existent“.[2] 1931 heiratete er die Sopranistin Audrey Mildmay, mit der er die Salzburger und Bayreuther Festspiele besuchte. Sie bestärkte ihn in dem Plan, für ein eigenes Festival mit Schwerpunkt im Mozart-Repertoire auf dem Landsitz ein kleines Opernhaus mit 300 Sitzplätzen zu bauen. Aber es fehlten noch die künstlerischen Macher eines Opernhauses – ein musikalischer Leiter und ein Regisseur. Zuerst hatte Christie versucht, Thomas Beecham und das London Symphony Orchestra für sein Vorhaben zu gewinnen. Aber Beecham sagte ab. Er hatte sich selbst schon mit einem eigenen Opernhaus ruiniert. Außerdem fürchtete er, Christie sei nur another rich man trying to make his wife a star.[3]
Da traf es sich gut, dass zwei Emigranten aus Deutschland für eine neue Beschäftigung frei waren, die im Opernfach sehr renommiert waren. Sie hatten sich, unter anderem, 1932 an der Städtischen Oper in Berlin mit einer qualitativ hervorragenden Inszenierung von Verdis Maskenball hervorgetan. Der eine war der Dirigent und -aufgrund seiner frühzeitigen Emigration- ehemaliger Generalmusikdirektor der Dresdener Semperoper Fritz Busch, der andere sein Freund und Intendant der Städtischen Oper Berlin Carl Ebert. Beide wurden nach der Machtergreifung 1933 Opfer von Verfolgung durch die SA, weil sie sich u. a. weigerten, bei der Vertreibung von jüdischen Musikern und anderen Verbrechen der NS-Zeit mitzumachen. Fritz Busch und Carl Ebert wollten qualitativ herausragende Opern produzieren, und sie überzeugten Christie, diesem Qualitätsanspruch zu folgen. Die drei und der dazugestossene Emigrant Rudolf Bing, der auf Fritz Buschs Wunsch hin als Manager eingestellt wurde,[4] wurden sich einig und gründeten die Glyndebourne Festival Opera;[3] Rudolf Bing übernahm die Intendanz. Das erste Festival wurde am 28. Mai 1934 mit Mozarts Hochzeit des Figaro, gefolgt von Così fan tutte, eröffnet.[5] Es dauerte sechs Wochen. Alle Aufführungen der beiden Inszenierungen waren nahezu ausverkauft. Mozart blieb auch weiterhin das bevorzugte Repertoire in Glyndebourne. Ab den 1960er Jahren war einer der Schwerpunkte die Barockoper (Raymond Leppard).
Während des Zweiten Weltkriegs wurde nicht gespielt, das Haus beherbergte damals aus London evakuierte Kinder. 1952 wurde die Glyndebourne Festival Society gegründet, die das Management von John Christie übernahm. Nach dessen Tod 1962 übernahm sein Sohn, der spätere Sir George Christie, und ab 2000 dessen Sohn Gus Christie die Leitung des Aufsichtsrates. Im November 2015 wurde der deutsche Opernmanager Sebastian F. Schwarz (bislang am Theater an der Wien) als neuer Generaldirektor ab Mai 2016 berufen.[6] Im März 2018 trat dieser von seinem Amt zurück und leitete anschließend das Königliche Opernhaus von Turin, das Teatro Regio di Torino. Seit Sommer 2019 hat Stephen Langridge das Amt inne.
Glyndebourne liegt vier Meilen von Lewes entfernt, zwei Autostunden von London, östlich von Brighton.
Im Sommer ist das Festival ein beliebter Anziehungspunkt für Opernfreunde, die die langen Aufführungspausen (die längste anderthalb Stunden) traditionell dazu nutzen, ein Picknick im Park zu veranstalten. Gepicknickt wird allerdings auf hohem Niveau in Abendgarderobe (Smoking/Dinner-Jacket) und mit ausgesuchtem Menü.
Im Laufe der Jahre wurde das Gebäude-Ensemble immer wieder provisorisch erweitert (1936 433 Sitzplätze, 1952 ca. 600, 1977 850). In einem Gutachten aus dem Jahr 1989 mit dem Titel Glyndebourne: Building an independent future wurde der Neubau eines größeren Opernhauses gefordert, mit der Begründung, dass hierdurch die Zukunft der Oper gesichert und neue Einnahmequellen erschlossen würden.
Die Aufgabe der Architekten Patty und Michael Hopkins war es, die Sitzkapazität um 50 Prozent zu erhöhen (auf 1200), eine größere Bühne und Hinterbühne zu bauen, ohne dass die intime Atmosphäre durch ein großes Volumen zerstört wird. Zudem sollte sich das Gebäude an den Kontext des neoelisabethanischen Herrenhauses anfügen.
Hopkins and Partners sahen eine tiefgreifende Umgestaltung der Anlage vor, wobei die bestehenden Gebäude so weit wie möglich erhalten bleiben sollten. Das Opernhaus sollte abgerissen und durch ein völlig neues Gebäude ersetzt werden. Bei genauerer Untersuchung wurde festgestellt, dass die bisherige Raumaufteilung eher verwirrend war, insbesondere der Vorplatz und das Bühnenhaus. Als Lösung wurde vorgeschlagen, das gesamte Gebäude um 180° zu drehen.
Daraus ergaben sich mehrere entscheidende Vorteile. Erstens konnte der Neubau den Konturen des hier leicht ansteigenden Geländes angepasst und damit besser in die Landschaft integriert werden. Zweitens konnte der massive Bühnenturm zurückversetzt werden, so dass er das ursprüngliche Landhaus nicht mehr optisch erdrückte. Drittens war es möglich, das neue Foyer so zu konzipieren, dass es nicht mehr an der Straße liegt, sondern sich zum Garten hin öffnet, in dem traditionell die Picknicks stattfinden. Und schließlich konnte das Kulissenmagazin in eine deutlich markierte „Gewerbezone“ abseits der Publikumsbereiche integriert werden.
Der Entwurf für den Neubau sah einen geschlossenen dreigeschossigen Baukörper mit ovalem Grundriss und flachem Satteldach vor. Der traditionelle hufeisenförmige Zuschauerraum befindet sich in einer kreisrunden Trommel, die über das Hauptdach hinausragt und mit dem Bühnenturm verbunden ist. Die Eingangsseite des Gebäudes wird ebenerdig von Kolonnaden eingefasst, die sich entlang der Hauptachse sternförmig erweitern und ein neues glasüberdachtes Foyer bilden, welches den Neubau mit dem im ehemaligen Bühnenhaus eingerichteten Restaurant verbindet. Am anderen Ende des Opernhauses stehen in einem halbrunden Raum hinter der Bühne und dem Bühnenturm rund 700 m² Werkstatt- und Lagerräume zur Verfügung, die wiederum sternförmig mit dem Kulissentor und einem selbständigen schallgedämmten Probenraum verbunden sind. Die Verwaltungs- und Produktionsbüros sind um das Bühnenhaus herum angeordnet; ihre Fensteröffnungen beleben diesen ansonsten schmucklosen, glatten Gebäudeblock. Gleichzeitig fungieren diese Räumlichkeiten als akustische Pufferzone für den Zuschauerraum. Die Menschen, die das ganze Jahr über in Glyndebourne arbeiten, bekommen genug Tageslicht und frische Luft. Der Ausblick auf die Umgebung wird ihnen ebenfalls ermöglicht. Garderoben, Technikräume, Lager und Werkstätten sind im Kellergeschoss untergebracht.
Die Außenwand des Opernhauses besteht aus Ziegeln, die nicht nur als Verkleidung dienen, sondern eine tragende Mauer mit massiven vorspringenden Pfeilern und flachen Bögen bilden – ein anschauliches Beispiel dafür, wie der architektonische Charakter der Bauten von Hopkins sich immer auf natürliche Weise aus der konstruktiven Funktion der einzelnen Elemente ergibt.
1992 wurde mit dem Bau unter dem Sohn des Gründers John Christie, George Christie, begonnen, weswegen die Festspiele 1993 ausfielen. Die Kosten für den Umbau von 34 Millionen Pfund wurden fast ganz durch Spenden aufgebracht. Die Spender erhielten dafür die Verfügung über etwa ein Drittel der Sitzplätze.
Genau 60 Jahre nach der Ersteröffnung wurde das Festival nach den Umbaumaßnahmen am 28. Mai 1994 mit Mozarts Le nozze di figaro unter der musikalischen Leitung von Bernard Haitink in einer Inszenierung von Stephen Medcalf wiedereröffnet.[23] Im selben Jahr erklangen auf dem Festival unter anderem die Werke Don Giovanni von Mozart, Peter Grimes von Benjamin Britten, Eugen Onegin von Pjotr Iljitsch Tschaikowski sowie The Rake's Progress von Igor Strawinsky.[24]
Im Jahre 2008 gründete Glyndebourne sein eigenes CD-Label in der Absicht, die wertvollen Aufnahmen aus dem Archiv herauszugeben. Die Archiv-Aufnahmen wurden von 1960 bis 2008 von John Barnes finanziert und durchgeführt. Alle Vorstellungen werden heute weiterhin mitgeschnitten. Jedes Jahr erscheinen vier Opern auf CD in luxuriöser Aufmachung. Es handelt sich stets um Live-Aufnahmen von heute und gestern, die von der internationalen Presse hoch gelobt werden.
Ab 1968 wurden Produktionen außerhalb von Glyndebourne realisiert. Dieses Gastspiel-Ensemble tourte unter dem Label Glyndebourne Touring Opera und wurde 2003 in Glyndebourne on Tour umbenannt.