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Großer Preis von Frankreich 1907 – Wikipedia

Rennsieger Felice Nazzaro
Otto Salzer im Mercedes 120 PS
Die Boxenanlage. Im Bild der Corre-La Licorne von Joseph Collomb (#C1) und der Renault AK von Ferenc Szisz (#R1)

Der zweite, nach heutiger Zählweise X.[1] Große Preis von Frankreich (X Grand Prix de l’Automobile Club de France) fand am 2. Juli 1907 auf einem Straßenkurs bei Dieppe statt. Das Rennen wurde gemäß einer Verbrauchsformel (maximal 30 l Benzin pro 100 km Renndistanz) über 10 Runden à 76,989 km ausgetragen, was einer Gesamtdistanz von 769,889 km entsprach.

Sieger wurde Felice Nazzaro auf Fiat.

Trotz des französischen Erfolgs und der breiten öffentlichen Aufmerksamkeit, die der Grand Prix von 1906 hervorgerufen hatte, war im Anschluss Kritik aufgekommen, die vor allem das Austragungsformat betraf. Das Rennen wurde insgesamt als zu lang empfunden und zu lange Startintervalle dafür verantwortlich gemacht, dass es kaum zu direkten Kämpfen zwischen den Wagen auf der Strecke gekommen war. Insbesondere war der Ausgang des Rennens als zu sehr von der Reifenfrage abhängig empfunden worden, zumal dieser Effekt noch dadurch verstärkt worden war, dass nur der Fahrer und sein Mechaniker am Auto hatten arbeiten dürfen.

All das sollte mit der Neuauflage 1907 verbessert werden, zudem hatte man mit dem Badeort Dieppe einen für das Publikum und insbesondere für Gäste und Teilnehmer aus Großbritannien und Belgien wesentlich leichter erreichbaren Austragungsort gewählt, der obendrein auch noch einen gewissen „Glamourfaktor“ bot. Bei nur 6 Franc Eintritt war der Ort tagelang von festlichem Trubel erfüllt.

Weniger glücklich war die Auswahl einer neuen Rennformel. An die Stelle des bisherigen Maximalgewichts von 1000 kg trat nun eine Verbrauchsformel, bei der den Teilnehmern des Grand Prix pro 100 km gefahrener Strecke 30 l Benzin zugestanden wurden. Ziel war, die Entwicklung der Rennwagen mehr in Richtung des alltäglichen Gebrauchs und somit insgesamt zu ausgewogeneren und weniger überzüchteten Konstruktionen zu lenken. Letztlich war damit die Absicht verbunden, den Ausgang der Rennen weniger abhängig von den Reifen zu machen. Allerdings waren im Grand Prix von 1906 fast alle Teilnehmer schon locker unter dieser Treibstoffmenge geblieben, darunter der siegreiche Renault von Szisz. Deswegen gab es für die Konstrukteure nur wenig Anlass zu gravierenden Änderungen und die meisten Hersteller traten wieder mit ihren bewährten „Eintonnern“ an. Aufgrund des Wegfalls der Gewichtsbegrenzung machten jedoch viele von der Möglichkeit Gebrauch, die Chassis gegenüber dem Vorjahr zusätzlich zu verstärken.

Nur einige neue Teams brachten etwas Vielfalt ins Feld, allen voran der einzige US-amerikanische Hersteller-Vertreter John Walter Christie. Sein von ihm selbst entwickelter Wagen mit Frontantrieb war der leichteste im Feld und hatte dennoch mit einem quer über der Vorderachse eingebauten Vierzylinder von beinahe 20 l Hubraum den größten jemals in einem Grand-Prix-Wagen eingesetzten Motor. Um die größtmögliche Zylinderbohrung zu erzielen, waren die Zylinder in einer noch recht unüblichen V-Form angeordnet. Vier von Porthos aus Frankreich, Weigel aus Großbritannien und Dufaux aus der Schweiz eingesetzte Achtzylinder muteten dagegen schon beinahe wieder konventionell an.

Insgesamt schickten 16 Hersteller aus sieben Ländern zusammen 37 Wagen auf die über zehn Runden führende Gesamtdistanz von 769,83 km, davon allein 24 Rennwagen der zehn französischen Fabrikate. Unter diesen befanden sich auch die drei Wagen von Clément-Bayard, obwohl Albert Clément, der Sohn des Firmengründers Adolphe Clément, im Vorfeld des Rennens bei Probefahrten auf der Strecke tödlich verunglückt war, ebenso wie der Darracq-Fahrer Marius Pin. Nachdem Aquila Italiana kurz vor dem Rennen noch zurückgezogen hatte, vertrat Fiat allein die jetzt erstmals auch bei einem Grand Prix obligatorischen Nationalfarben Italiens. Neben den bereits genannten Wagen aus Großbritannien, der Schweiz und den USA komplettierten aus Deutschland wiederum Mercedes sowie Germain aus Belgien mit je einem Drei-Wagen-Team das Feld.

Parallel zum Grand Prix wurde auf demselben Kurs ein weiteres Rennen ausgetragen, der Coupe de la Commission Sportive, bei dem der Treibstoffverbrauch sogar auf 15 l pro 100 km begrenzt war, führte allerdings nur über sechs Runden und war mit nur neun Teilnehmern sehr schwach besetzt. Sieger wurde ein gewisser de Langhe auf Darracq.

Im Hauptrennen der Grand-Prix-Wagen übernahm Louis Wagner auf Fiat zunächst die Führung, aber die Abstände zu den Verfolgern blieben relativ gering, sodass sich lange Zeit alle drei Fiat-Fahrer ebenso wie das gesamte Darracq-Team sowie zwei Lorraine-Dietrich und ein Renault Siegchancen ausrechnen konnten. In der vierten Runde musste Wagner jedoch mit Motorproblemen aufgeben, wodurch Arthur Duray auf Lorraine-Dietrich die Führung übernahm. In der vorletzten Runde hatte er sechs Minuten Vorsprung auf die beiden verbleibenden Fiat-Fahrer Felice Nazzaro und Vincenzo Lancia, doch dann fiel auch er mit einem Lagerschaden im Getriebe aus. Nachdem schließlich auch Lancia noch in der letzten Runde durch einen Kupplungsdefekt ausgeschieden war, lautete die Reihenfolge im Ziel Nazzaro auf Fiat mit insgesamt 6:46:33 Stunden Fahrzeit und einem Schnitt von 113,621 km/h, 6:37 Minuten vor Vorjahressieger Szisz auf Renault, dahinter mit 18:32 Minuten Rückstand Paul Baras auf Brasier. Keiner der Teilnehmer war dabei in ernsthafte Nöte mit dem Treibstoffvorrat gekommen. Von anfänglich 231 l, die jedem Teilnehmer zugestanden hatten, befanden sich in Nazzaros Fiat am Ende noch 11, im Darracq von Victor Rigal sogar noch 42 l. Insgesamt erreichten 17 Wagen das Ziel, davon 12 aus französischer Produktion. Die französischen Wagen belegten außerdem die Plätze zwei bis neun, aber der Sieg ging zum ersten Mal nach Italien. Fiat hatte damit nach der Targa Florio und dem Kaiserpreisrennen auch das dritte bedeutende Rennen der Saison und somit Rennen aller drei geltenden Rennformeln gewonnen.

Team Nr. Fahrer Info Chassis Motor Reifen
 Fabbrica d’Automobili Aquila A1 A. Pichat DNA a Aquila Italiana Aquila Italiana 11.2L I4
 Automobiles Brasier B1  Jules Barillier Brasier Brasier 12.0L I4
B2  Paul Baras
B3  Paul Bablot
 Société Francaise des Automobiles Corre C1  Pierre d’Hespel DNS Corre-La Licorne Corre-La Licorne 10.6L I4
C1  Joseph Collomb
 Société A Darracq D1  René Hanriot Darracq Darracq 14.3L I4
D2  Gustave Caillois
D3  Marius Pin DNS b
D3  Victor Rigal
 Fiat SpA F1  Vincenzo Lancia Fiat 130 HP Fiat 16.3L I4
F2  Felice Nazzaro
F3  Louis Wagner
 Daimler-Motoren-Gesellschaft M1  Camille Jenatzy Mercedes 120 PS Mercedes 15.3L I4
M2  Otto Salzer
M3  Victor Hémery
 Société General des Automobiles Porthos P1  Emile Stricker Porthos Porthos 10.9L I8
 Renault Frères R1  Ferenc Szisz Renault AQ Renault 12.9L I4
R2  „Edmond“ DNS c
R2  Henri Farman
R3  Claude Richez
 Weigel Motors W1  Algernon Lee Guinness DNS Weigel Weigel 12.7L I8
W1  Gregor Laxen
W2 Vereinigtes Königreich D. M. Weigel DNS
W2  Pryce Harrison
 Établissements Clément-Bayard BC1  Pierre Garcet Clément-Bayard Clément-Bayard 12.9L I4
BC2  Albert Clément DNS d
BC2  Jean Alézy
BC3  Elliott Shepard
 Marchand et Dufaux DM1  Frederic Dufaux Marchand Dufaux 14.7L I8
 Societé Gobron-Brillie GB1  Louis Rigolly Gobron-Brillié Gobron-Brillie 13.6L I4 Gegenkolben
 Ateliers Germain GE1  Claude Perpère Germain Germain 5.4L I4
GE2  Henri Degrais
GE3  François-Marie Roch-Brault
 Société Lorraine des anciens Éts. De Dietrich & Cie LD1  Arthur Duray Lorraine-Dietrich Type FX Lorraine-Dietrich 17.3L I4
LD2  Henri Rougier
LD3  Fernand Gabriel
 Automobiles Motobloc MB1  Louis Pierron Motobloc Type P Motobloc 12.0L I4
MB2  Claude Page
MB3  Jean-Pierre Courtade
 Automobiles Panhard et Levassor PL1  George Heath Panhard Panhard & Levassor 15.5L I4
PL2  Hubert Le Blon
PL3  Lucas Dutemple
 Front Drive Motor Co WC1  John Walter Christie Christie Christie 19.6L V4

a

Auto auf dem Antransport beschädigt.

b

Tödlicher Unfall im Training.

c

Krankheitsbedingt durch Henri Farman ersetzt.

d

Tödlicher Unfall im Training.

Die Teilnehmer wurden in der Reihenfolge F1 – C1 – D1 – LD1 – P1 – DM1 – BC1 – MB1 – R1 – GE1 – PL1 – WC1 – M1 – W1 – GB1 – (A1) – B1 – F2 – D2 – LD2 usw. einzeln in festen Zeitabständen ins Rennen geschickt.

Pos. Fahrer Konstrukteur Runden Stopps Zeit Start Schnellste Runde Ausfallgrund
1  Felice Nazzaro  Fiat 10 6:46:33,0 h
2  Ferenc Szisz  Renault 10 + 6:37,6 min
3  Paul Baras  Brasier 10 + 18:32,6 min
4  Fernand Gabriel  Lorraine-Dietrich 10 + 25:06,0 min
5  Victor Rigal  Darracq 10 + 26:03,4 min
6  Gustave Caillois  Darracq 10 + 29:25,6 min
7  Jules Barillier  Brasier 10 + 41:21,0 min
8  Pierre Garcet  Clément-Bayard 10 + 47:44,0 min
9  Elliott Shepard  Clément-Bayard 10 + 53:23,2 min
10  Victor Hémery  Mercedes 10 + 1:38:52,0 h
11  Jean-Pierre Courtade  Motobloc 10 + 2:02:00,6 h
12  Paul Bablot  Brasier 10 + 2:26:26,6 h
13  Claude Richez  Renault 10 + 2:44:19,4 h
14  Henri Degrais  Germain 10 + 3:04:03,4 h
15  François-Marie Roch-Brault  Germain 10 + 3:24:12,0 h
16  Joseph Collomb  Corre-La Licorne 10 + 3:38:23,7 h
17  Claude Perpère  Germain 10 + 4:07:09,0 h
 Vincenzo Lancia  Fiat 9 DNF Kupplungsschaden
 Otto Salzer  Mercedes 9 DNF Felgenring gebrochen
 Arthur Duray  Lorraine-Dietrich 8 DNF 37:59,8 min Getriebe
 Lucas Dutemple  Panhard 8 DNF Ausfall
 Camille Jenatzy  Mercedes 7 DNF Felgenring nicht montierbar
 Louis Pierron  Motobloc 7 DNF Ausfall
 Frederic Dufaux  Marchand 7 DNF Ausfall
 Henri Farman  Renault 7 DNF Ausfall
 René Hanriot  Darracq 6 DNF Motorschaden
 Henri Rougier  Lorraine-Dietrich 5 DNF Ausfall
 Louis Rigolly  Gobron-Brillié 5 DNF Ausfall
 Pryce Harrison  Weigel 5 DNF Ausfall
 Claude Page  Motobloc 5 DNF Ausfall
 Emile Stricker  Porthos 4 DNF Lenkungsschaden
 Jean Alézy  Clément-Bayard 4 DNF Ausfall
 John Walter Christie  Christie 4 DNF Ausfall
 Louis Wagner  Fiat 4 DNF Steuerstange
 Gregor Laxen  Weigel 3 DNF Rad verloren
 Hubert Le Blon  Panhard 3 DNF Fahrer verletzt
 George Heath  Panhard 1 DNF Motorschaden
  • Robert Dick: Mercedes and Auto Racing in the Belle Epoque 1895–1915, MacFarland & Co, Jefferson, 2005, ISBN 0-7864-1889-3 (englisch)
  • Adriano Cimarosti: Autorennen – Die Grossen Preise der Welt, Wagen, Strecken und Piloten von 1894 bis heute, Hallwag AG, Bern, 1986, ISBN 3-444-10326-3
  • Paul Sheldon with Yves de la Gorce & Duncan Rabagliati: A Record of Grand Prix and Voiturette Racing, Volume 1 1900–1925, St. Leonard´s Press, Bradford, 1987, ISBN 0-9512433-0-6 (englisch)
  • Karl Ludvigsen: Classic Grand Prix Cars – The front-engined Formula 1 Era 1906–1960, Sutton Publishing, Stroud, 2000, ISBN 0-7509-2189-7
  • Hodges, David: A–Z of Grand Prix Cars, The Crowood Press, Ramsbury, 2001, ISBN 1-86126-339-2
  1. Das erste als Grand Prix de l’ACF organisierte Rennen fand 1906 statt. In den 1920er Jahren wurden jedoch rückwirkend auch den „großen“ Stadt-zu-Stadt-Rennen der Frühzeit zwischen 1895 und 1903 dieser Titel verliehen, obwohl das Gründungsdatum des ACF sogar erst nach dem Rennen Paris–Bordeaux–Paris 1895 liegt. Durch diese Zählweise wurde die Veranstaltung von 1906 nachträglich zum offiziell neunten Grand Prix de l’A.C.F