Konvergenzradius – Wikipedia
Der Konvergenzradius ist in der Analysis eine Eigenschaft einer Potenzreihe der Form
,
die angibt, in welchem Bereich der reellen Gerade oder der komplexen Ebene für die Potenzreihe Konvergenz garantiert ist.
Der Konvergenzradius ist als das Supremum aller Zahlen definiert, für welche die Potenzreihe für (mindestens) ein
mit
konvergiert:
Falls die Potenzreihe für alle reellen Zahlen bzw. auf der ganzen komplexen Zahlenebene konvergiert, also diese Menge der (nach oben) unbeschränkt ist, sagt man, der Konvergenzradius ist unendlich:
.
Für eine Potenzreihe mit Konvergenzradius gilt:
Wird eine reelle Potenzreihe betrachtet, deren Koeffizienten reelle Zahlen sind, und sind auch
reell, so ist der Konvergenzbereich nach Auflösung der Betragsungleichungen das Intervall
sowie möglicherweise einer der oder beide Randpunkte. Für Potenzreihen im Komplexen, das heißt, alle diese Größen können komplexe Zahlen sein, besteht der Konvergenzbereich dieser Funktionenreihe aus dem Inneren der Kreisscheibe um den Mittelpunkt
und mit Radius
, dem Konvergenzkreis, sowie möglicherweise aus einigen seiner Randpunkte.
Außerdem gilt für alle , dass die Potenzreihe gleichmäßig für alle
mit
konvergiert. Auf einem inneren Kreis oder Teilintervall liegt also auch stets eine gleichmäßige Konvergenz vor.
Der Konvergenzradius lässt sich mit der Formel von Cauchy-Hadamard berechnen: Es gilt
Dabei gilt , falls der Limes superior im Nenner gleich
ist, und
, falls er gleich
ist.
Wenn ab einem bestimmten Index alle von 0 verschieden sind und der folgende Limes existiert oder unendlich ist, dann kann der Konvergenzradius einfacher durch
berechnet werden. Diese Formel ist aber nicht immer anwendbar, zum Beispiel bei der Koeffizientenfolge : Die zugehörige Reihe hat den Konvergenzradius 1, aber der angegebene Limes existiert nicht. Die Formel von Cauchy-Hadamard ist dagegen immer anwendbar.
Die folgenden drei Beispiele reeller Potenzreihen haben jeweils Konvergenzradius 1, konvergieren also für alle im Intervall
; das Verhalten an den Randpunkten ist jedoch unterschiedlich:

Der Entwicklungspunkt einer Potenzreihe hat einen direkten Einfluss auf die Koeffizientenfolge
und damit auch auf den Konvergenzradius. Betrachtet man beispielsweise die analytische Funktion
in ihrer Potenzreihendarstellung
.
Diese Umformungen folgen direkt mittels der geometrischen Reihe. Diese Darstellung entspricht der Potenzreihe um den Entwicklungspunkt und mit dem Wurzelkriterium folgt für den Konvergenzradius
.
Wählt man dagegen
als Entwicklungspunkt, so folgt mit einigen algebraischen Umformungen
.
Auch hier folgt mittels des Wurzelkriteriums der Konvergenzradius .
Ein dritter Entwicklungspunkt liefert mit analogem Vorgehen
als Potenzreihendarstellung mit dem Konvergenzradius . Zeichnet man diese drei Konvergenzradien um ihre Entwicklungspunkte, so schneiden sie sich alle im Punkt
da hier die Funktion
eine Singularität besitzt und nicht definiert ist. Anschaulich dehnt sich also der Konvergenzkreis um einen Entwicklungspunkt aus, bis er an eine nicht definierte Stelle der Funktion stößt.
Die Formeln für den Konvergenzradius lassen sich aus den Konvergenzkriterien für Reihen herleiten.
Die Formel von Cauchy-Hadamard ergibt sich aus dem Wurzelkriterium. Nach diesem Kriterium konvergiert die Potenzreihe
absolut wenn
Auflösen nach liefert den Konvergenzradius
Sofern fast alle ungleich Null sind, konvergiert die Potenzreihe
nach dem Quotientenkriterium, wenn folgende Bedingung erfüllt ist:
Auflösen nach liefert:
Die Potenzreihe konvergiert also für . Dies ist im Allgemeinen aber nicht der Konvergenzradius. Das liegt daran, dass das Quotientenkriterium im folgenden Sinne echt schwächer ist als das Wurzelkriterium: Ist
,
so kann im Allgemeinen nicht darauf geschlossen werden, dass die Reihe divergiert. Die Divergenz erhält man aber aus
.
Ähnlich wie oben schließt man also, dass die Potenzreihe für
divergiert, wobei
.
Man kann im Allgemeinen folglich nur aussagen, dass der Konvergenzradius zwischen und
liegt.
Daraus folgt aber insbesondere: Aus der Existenz von folgt
und in diesem besonderen Falle ist
der gesuchte Konvergenzradius.
- E. Freitag, R. Busam: Funktionentheorie. 2. Auflage. Springer-Verlag, Berlin 1995, ISBN 3-540-58650-4.
- Harro Heuser: Lehrbuch der Analysis – Teil 1, 6. Auflage, Teubner 1989, ISBN 3-519-42221-2, S. 542–561
- Klaus Jänich: Funktionentheorie – eine Einführung. 6. Auflage, Springer-Verlag, Berlin 2004, ISBN 3540203923.