Metrische absolute Geometrie – Wikipedia
Die metrische absolute Geometrie ist eine axiomatische Beschreibung der absoluten Geometrie, die ein gemeinsames Fundament für Modelle der euklidischen Geometrie und der nichteuklidischen Geometrie, konkret für elliptische Geometrien und hyperbolische Geometrien legt. Der Begriff und die Axiome stammen[1] von Friedrich Bachmann, der sie in seinem Lehrbuch „Aufbau der Geometrie aus dem Spiegelungsbegriff“ formuliert, wichtige Folgerungen beweist und zeigt, wie die zweidimensionalen, metrischen absoluten Geometrien, die metrischen Ebenen in projektive Ebenen eingebettet werden können.[2] Jede metrische Ebene bestimmt durch ihre „Metrik“ eine bestimmte Untergruppe der Projektivitätengruppe des zweidimensionalen projektiven Raumes , in den sie sich einbetten lässt, auch der Körper
ist durch die metrische Ebene eindeutig bestimmt.
Es ist zu beachten, dass der Begriff „Metrik“ wie er in diesem Zusammenhang benutzt wird, nur entfernte, formale Ähnlichkeiten mit der Metrik eines metrischen Raumes hat. Die „Metrik“ bestimmt hier eine Orthogonalität zwischen Geraden, im Allgemeinen keinen Abstand zwischen Punkten. Man kann diese Orthogonalität in dem Koordinatenvektorraum, des projektiven Raumes
, in den die metrische Ebene eingebettet wird, durch eine symmetrische Bilinearform beschreiben (zu dieser Beschreibung siehe Projektiv-metrische Geometrie). Diese Rechtwinkeldefinition entspricht dann formal der für den reellen, euklidischen Fall gewohnten Definition durch ein Skalarprodukt, also durch eine positiv-definite symmetrische Bilinearform.
Dieser Artikel beschreibt hauptsächlich die ebene metrische absolute Geometrie, ihre Modelle heißen metrische Ebenen.
Das geometrisch formulierte Axiomensystem ist äquivalent zu dem gruppentheoretisch formulierten.[3] In der metrischen Geometrie wird das gruppentheoretisch formulierte Axiomensystem zur Grundlage gemacht, aus diesem System wird geschlossen. Das geometrische Axiomensystem wird hier zum Abgleich mit anderen Axiomensystemen der absoluten Geometrie zitiert:
Gegeben sei , wobei die Elemente der Menge
Punkte, die Elemente der Menge
Geraden genannt werden.
, die Inzidenzrelation sei eine zweistellige symmetrische Relation. Gilt
, so sagt man „
inzidiert mit
“ und verwendet dafür auch die sonst in der Geometrie üblichen Formulierungen. Kurz:
ist eine (einfache) Inzidenzstruktur, wobei nicht gefordert wird, dass Punkt- und Geradenmenge disjunkt sind.[4] Die Relation
, die Orthogonalität, kann nur zwischen Geraden bestehen, man sagt dann für
:
ist senkrecht zu
,
ist ein Lot von
usw.
Jede bijektive Selbstabbildung der Punktmenge , bei der die Inzidenz und die Orthogonalität erhalten bleiben, heißt orthogonale Kollineation. Eine involutorische orthogonale Kollineation, die eine Gerade
punktweise fest lässt, heißt eine Spiegelung an der Geraden
.
- Inzidenzaxiome: Es gibt wenigstens eine Gerade und mit jeder Geraden inzidieren wenigstens drei Punkte. Zu zwei verschiedenen Punkten gibt es genau eine[5] Gerade, welche mit beiden Punkten inzidiert.
- Orthogonalitätsaxiome: Ist
senkrecht zu
, dann ist
senkrecht zu
(Symmetrie). Senkrechte Geraden haben einen Punkt gemein. Durch jeden Punkt gibt es zu jeder Geraden eine Senkrechte, und, falls der Punkt mit der Geraden inzidiert, nur eine.
- An jeder Geraden gibt es wenigstens eine Spiegelung (Spiegelungsaxiom). Die Komposition von Spiegelungen an drei Geraden
, welche einen Punkt oder ein Lot gemeinsam haben, stimmt mit einer Spiegelung an einer Geraden
überein (Satz von den drei Spiegelungen).
Die Verknüpfung einer Gruppe wird multiplikativ oder häufiger durch Juxtaposition geschrieben,
ist ihr neutrales Element. Die Konjugation operiert wie das Potenzieren von rechts und ist dementsprechend definiert:
Für involutorische Gruppenelemente wird eine namenlose Relation definiert, es zeigt sich, dass diese Relation sowohl Inzidenz als auch Senkrechtstehen und noch einige andere Beziehungen beschreibt: Seien
involutorische Gruppenelemente, dann gilt
genau dann, wenn eine der folgenden äquivalenten Bedingungen erfüllt ist:
Die Grundrelation ist symmetrisch und irreflexiv.
- Abkürzungen
Statt „ und
“ wird abkürzend
geschrieben
bedeutet: Jedes linksstehende Element
steht mit jedem rechtsstehenden
in Relation usw.

Grundannahme: Es sei ein aus involutorischen Elementen bestehendes, invariantes Erzeugendensystem einer Gruppe
gegeben.
Die Elemente von werden mit kleinen lateinischen Buchstaben bezeichnet (sie spielen die Rolle der Geraden und Achsenspiegelungen), die involutorischen Elemente der Gruppe
, welche als Produkt von zwei Elementen des Erzeugendensystems
darstellbar sind – also die in der Form
mit
darstellbaren Elemente der Gruppe – werden mit großen lateinischen Buchstaben bezeichnet (sie spielen die Rolle der Punkte und Punktspiegelungen).
- Axiom 1: Zu
gibt es stets ein
mit
(Existenz der Verbindungsgeraden).
- Axiom 2: Aus
folgt
oder
(Eindeutigkeit der Verbindungsgeraden, zwei Geraden haben höchstens einen Schnittpunkt).
- Axiom 3: Gilt
, so gibt es ein
, so dass
ist (Satz von den drei Spiegelungen für drei kopunktale Geraden).
- Axiom 4: Gilt
, so gibt es ein
, so dass
ist (Satz von den drei Spiegelungen für drei lotgleiche Geraden).
- Axiom D: Es gibt
derart, dass
und weder
noch
noch
gilt (Axiom vom Dreiseit).
Vergleiche zur geometrischen Bedeutung der Axiome die Abbildung rechts für das Axiom D, zu den Axiomen 3 und 4 siehe weiter unten
Zwei senkrechte Geraden bestimmen also einen Punkt, senkrechte Geraden schneiden sich immer, ein Punkt kommutiert mit jeder Geraden, die mit ihm inzidiert. Zwei Geraden kommutieren genau dann, wenn sie zueinander senkrecht stehen.
heißt, wenn die Grundannahme und die Axiome erfüllt sind, erzeugte Bewegungsgruppe. Die geometrische Struktur
, die sich aus der Bewegungsgruppe durch die geometrischen Interpretationen ergibt, heißt die Gruppenebene von
.
Ist ein beliebiges Gruppenelement, dann gilt nach Definition der Punkte und Geraden, insbesondere aufgrund der Invarianz von
unter Konjugation:
Durch das „Transformieren“, also das gruppentheoretische Konjugieren, operiert die Gruppe auf sich selbst und insbesondere auf den Elementen, die geometrisch als Geraden und Punkte interpretiert werden. Als Transformationsgruppe der Punkte und Geraden wird als Gruppe der Bewegungen der Gruppenebene aus Punkten und Geraden bezeichnet.
Zunächst ist nach Konstruktion klar, dass durch die Transformation ein Epimorphismus der Gruppe auf die Gruppe ihrer inneren Automorphismen gegeben ist. Tatsächlich gilt:
Besteht für drei involutorische Elemente die Relation
, dann heißt
eine Verbindung von
.
Wichtige konkrete geometrische Interpretationen der Verbindbarkeit:
Die Lotgleichheit zweier Geraden ist in der absoluten Geometrie eine Äquivalenzrelation, die die Parallelität im Sinne der Inzidenz oft ersetzen kann.
Von Geraden sagt man „sie liegen im Büschel“, wenn
also eine Gerade ist.
Die dreistellige Relation Im-Büschel-Liegen
hat offensichtlich die folgenden Eigenschaften:
Nicht so offensichtlich ist die:
Die Büschelrelation erzeugt als dreistellige „Äquivalenzrelation“ eine Aufteilung der Geradenmenge in Geradenbüschel mit folgenden Eigenschaften, die den Äquivalenzklasseneigenschaften einer zweistelligen Äquivalenzrelation ähneln (und rein mengentheoretische Folgerungen aus den genannten Relationeneigenschaften, der dreistelligen Reflexivität, Symmetrie und Transitivität sind):
- Für drei verschiedene Geraden in einem Büschel gilt die Relation.
- Gilt die Relation für zwei verschiedene Geraden eines Büschels und eine dritte Gerade, dann liegt auch diese im Büschel.
- Zwei verschiedene Geraden eines Büschels bestimmen dieses eindeutig.
- Zwei verschiedene Büschel haben höchstens ein Element gemein.
Geometrisch treten in der absoluten Geometrie drei Arten von Geradenbüscheln auf:
- Büschel kopunktaler Geraden (die klassischen Büschel, wie sie im projektiven Raum auftreten),
- Büschel lotgleicher Geraden, Lotbüschel,
- „freie“ Büschel (weder Punkt- noch Lotbüschel).
Für die ersten zwei Arten gilt ein „Alles oder Nichts“-Prinzip: Ist ein Punktbüschel zugleich Lotbüschel, dann sind es alle! Dies ist genau dann der Fall, wenn die Geometrie elliptisch ist, in diesem Fall existieren auch keine freien Büschel. In jeder nichtelliptischen Geometrie schließen sich die drei Fälle aus. Alle drei Arten werden bei der Einbettung der absoluten Geometrie in eine projektive Idealebene zu Idealpunkten. Genau diese Idealpunkte sind dann die Punkte der Idealebene.


Gilt für 4 Geraden , dann sagt man nach Hjelmslev:[9] „Die Geraden
liegen zueinander spiegelbildlich in Bezug auf die Geraden
.“ Dann liegen auch die Geraden
spiegelbildlich zueinander in Bezug auf
, vergleiche die Abbildungen. Ist dabei
, also
und gleichwertig
, dann sagt man: „Die Geraden
liegen spiegelbildlich zueinander in Bezug auf die Achse
“. Aus den Axiomen folgt nicht, dass es zu zwei gegebenen verschiedenen Geraden
eine solche Mittellinie gibt.
Für Paare von Geraden in einem Punktbüschel ist durch die symmetrische Lage eine Äquivalenzrelation gegeben:
. Zwei Paare, die zueinander in der
-Relation stehen, bestimmen die gleiche „Drehung“ um den Punkt, mit dem sie gemeinsam inzidieren. Daher kann man die Äquivalenzklassen als Winkel auffassen. Der in der Abbildung rechts (kopunktale Geraden) eingezeichnete (euklidische) Winkel zwischen zwei Achsen ist der halbe euklidische Drehwinkel der Drehung um
, die durch das Transformieren mit
gegeben ist. In der zweiten Abbildung (lotgleiche Geraden) ist die eingezeichnete (euklidische) Verschiebung die Hälfte der Translation, die durch das Transformieren mit
(links) bzw.
(rechts) im metrisch-euklidischen Fall gegeben ist.

An den folgenden Axiomen gabeln sich die verschiedenen Arten von absoluten Geometrien:
- Verbindbarkeitsaxiom, es spielt die Rolle eines Vollständigkeitsaxioms.
- Existenz eines Polardreiseits (charakterisiert die elliptische Geometrie)
- Existenz eines Rechtsseits (charakterisiert im Wesentlichen die euklidische Geometrie, zusammen mit dem Verbindbarkeitsaxiom genau diese).
- Axiom
schränkt die Möglichkeiten der Unverbindbarkeit ein. Es charakterisiert zusammen mit der Negation des Verbindbarkeitsaxioms die hyperbolische Geometrie.

Geometrisch ist ein Polardreiseit ein Dreiseit (drei Geraden, die nicht kopunktal sind), bei dem jede Gerade auf beiden anderen senkrecht steht. In der Sprache der Gruppenebene sind das drei verschiedene , bei denen je zwei verschiedene zueinander in der
Relation stehen, das heißt bei den unterschiedlichen äquivalenten Aussagen und Interpretationen:
- Jedes Produkt von zwei dieser Elemente
- ist eine Involution, d. h. ein Punkt,
- ist dem umgekehrten Produkt gleich.
- Aus der zweiten Aussage folgt, dass die drei Elemente kommutieren.
Nennt man z. B. das Produkt Punkt
, dann sind
involutorisch, also liegt
auf
und
, ist also der eindeutig bestimmte Schnittpunkt dieser senkrechten Geraden. Analog sind
,
die anderen beiden Ecken des Dreiseits.
Da die drei Geraden kommutieren, ist
.
kann aber nicht involutorisch sein, sonst wäre
auch in der Geraden
enthalten, was der Eindeutigkeit des Lotes in einem Punkt der Geraden
widerspräche. Also gilt
und das Entsprechende für jede Permutation der drei Geraden im Produkt.
Gilt umgekehrt für drei Geraden, so müssen sie paarweise verschieden sein (sonst wäre das Produkt entweder eine Gerade oder eine transformierte Gerade also wieder eine Gerade und jedenfalls eine Involution). Es folgt
und wieder hat man drei verschiedene paarweise senkrechte Geraden, die zugleich als Produkte von Geraden Punkte sind.
- Axiom
(Es existiert kein Polardreiseit) Es ist stets
.
- Axiom
(Es existiert ein Polardreiseit) Es gibt
mit
.
Aus dem Axiom folgt mit den gemeinsamen Axiomen: Kein Produkt einer ungeraden Anzahl von Erzeugenden ist einem Produkt einer geraden Anzahl von Erzeugenden gleich. In diesem Fall ist die Untergruppe
der durch eine gerade Anzahl von Erzeugenden darstellbaren Gruppenelemente eine Untergruppe vom Index 2 in
. Dann gilt:
Aus dem Axiom folgt mit den gemeinsamen Axiomen: Jedes Produkt einer geraden Anzahl von Erzeugenden ist einem Produkt einer ungeraden Anzahl von Erzeugenden gleich, es ist
, und außerdem gilt:

Geometrien, für die gilt, werden metrisch-euklidisch genannt. In einer metrisch-euklidischen Ebene wird die Lotgleichheit als Parallelität definiert:
soll gelten, wenn die beiden Geraden ein gemeinsames Lot haben.
Lotgleiche Geraden haben keinen oder alle Punkte gemein, sind also Nichtschneidende oder identisch. Zwei Geraden, die einander nicht schneiden, müssen aber nicht unbedingt ein gemeinsames Lot besitzen (siehe bei den Modellen). Das Verbindbarkeitsaxiom
schließt die Existenz solcher Nichtschneidender, die nicht lotgleich sind, aus.
Aus dem Axiom folgt das Axiom
, gleichwertig: Aus dem Axiom
folgt das Axiom
(immer auf der Grundlage der gemeinsamen Axiome). Ein Polardreiseit kann nicht zugleich mit einem Rechtsseit existieren. Etwas formeller: Keine metrisch-euklidische Geometrie ist elliptisch, keine elliptische metrisch-euklidisch.
Aus dem Axiom folgt der Rechtsseitsatz:[11] Aus
und
folgt
.
Vergleiche die Abbildung.
Trotz einer gewissen Ähnlichkeit zu Axiom ist der Rechtseitsatz ein Schließungssatz mit Orthogonalität – aus drei Senkrechtrelationen in einem Vierseit folgt die Vierte – während das Axiom eine reine Existenzaussage ist.

Hier wird „Verbindbarkeit“ in einem etwas engeren Sinn als weiter oben verstanden. Die Axiome können auch äquivalent allgemeiner formuliert werden, aber sie sollten hier als Axiome formal wenig voraussetzen. Die hier gegebene Formulierung ist die von Bachmann zur Beschreibung der hyperbolischen Geometrie gegebene:[12]
- Gibt es für zwei Geraden einen solchen Schnittpunkt oder ein gemeinsames Lot, dann nennt man sie verbindbar (im engeren Sinn).
- Anders formuliert besagt Axiom
: In einem Büschel kopunktaler Geraden gibt es höchstens zwei verschiedene, die mit einer gegebenen Geraden
unverbindbar sind (weder einen Punkt noch ein Lot mit ihr gemeinsam haben).

Eine Geometrie, die und
erfüllt, wird als hyperbolische Geometrie bezeichnet.
Man kann das um die Unvollvollständigkeitsaxiome und
als Zusatzaxiome erweiterte Axiomensystem der hyperbolischen Geometrie äquivalent, aber ein wenig kürzer beschreiben, indem man
mit dem gemeinsamen Axiom
zusammenfasst zum Axiom
: Es gibt
, mit
und
unverbindbar (im oben beschriebenen engeren Sinn:
haben weder einen Punkt noch ein Lot gemein).[12]
Man kann also die hyperbolischen Bewegungsgruppen auch gleichwertig durch das Axiomensystem beschreiben, das man erhält, wenn man zusätzlich das Axiom fordert und die Axiome
und
durch
ersetzt.[12]
Weiterhin gilt:[12]
Daher kann eine Gruppenebene nur höchstens einer der Klassen „elliptische“, „metrisch-euklidische“ oder „hyperbolische“ Geometrie angehören.
Eine Gruppenebene, die die Axiome ,
und
erfüllt, wird als halbelliptisch bezeichnet, sie lässt sich auch gleichwertig durch das Axiom
- „Zwei verschiedene Geraden haben entweder genau ein Lot oder genau einen Punkt gemeinsam, nie beides.“[13]
beschreiben. Bei der Einbettung in einen projektiv-metrischen Raum werden halbelliptische Gruppen zu elliptischen Gruppen vervollständigt; ihre Bewegungsgruppe erweist sich dabei als volle elliptische Gruppe , aber das axiomatisch beschriebene Erzeugendensystem
, das heißt geometrisch die Geraden der Ebene bilden eine echte Teilmenge
der projektiven Geradenmenge und hier gruppentheoretisch der Menge aller involutorischer Gruppenelemente
.
Abgesehen von der Äquivalenz des geometrisch formulierten Axiomensystems zu dem gruppentheoretisch formulierten, ist zunächst nicht klar, in welchem Sinn es sich bei den axiomatisch beschriebenen Gruppen mit Erzeugendensystem aus involutorischen Elementen um „geometrische Abbildungsgruppen“ handelt. Die Einbettung in eine projektiv-metrische Ebene (die Idealebene der Gruppenebene) macht dies deutlich und leistet dabei viererlei:[14]
- Für die Inzidenzrelation: Die Menge der Achsenspiegelungen
wird injektiv auf eine Teilmenge der Idealgeradenmenge (die eigentlichen Idealgeraden) abgebildet und die Menge der Geradenbüschel bijektiv auf die Punktmenge der projektiven Idealebene. Dabei bleibt die Inzidenzrelation für eigentliche Punkte (Punktbüschel der Gruppenebene) und eigentliche Geraden erhalten.
- Für die Orthogonalität: Die Orthogonalität in der Gruppenebene wird zu einer Idealgerade-Idealpol Beziehung in der projektiven Idealebene fortgesetzt. Zwei Geraden der Gruppenebene (eigentliche Idealgeraden) sind senkrecht zueinander, wenn die eine im Idealpol (einem Büschel) der anderen enthalten ist. Die Fortsetzung auf beliebige Idealgeraden und deren Pole ist eindeutig.
- Für die Gruppenstruktur: Die axiomatisch beschriebene Bewegungsgruppe
erweist sich als isomorph zu einer wohlbestimmten Untergruppe der orthogonalen Gruppe der projektiv-metrischen Ebene, in die eingebettet wird. Die orthogonale Gruppe ist dabei diejenige Untergruppe der projektiven Gruppe
, die die Polarstruktur invariant lässt. Das Erzeugendensystem
bestimmt diese Untergruppe
eindeutig, aber das Erzeugendensystem
ist durch
im Allgemeinen nicht eindeutig bestimmt.
- Für die algebraische Darstellung durch Koordinaten: Die Bewegungsgruppe bestimmt einen eindeutigen Koordinatenkörper
(den Koordinatenkörper der projektiv-metrischen Ebene) und im Fall einer hyperbolischen Bewegungsgruppe durch ihr Erzeugendensystem
auch eine eindeutige Anordnung dieses Körpers. Zusätzliche Eigenschaften der Bewegungsgruppe (Halbierbarkeit von Rechten Winkeln, geometrische Anordnung, Freie Beweglichkeit, …) entsprechen häufig einer bestimmten Klasse von Körpern.
Dabei beobachtet man zusätzlich und nebenher, dass die Halbspiegelungen, mit denen potentielle Idealgeraden (technisch) auf eigentliche Idealgeraden „kontrahiert“ werden, injektive Abbildungen auf der Menge der eigentlichen Idealgeraden darstellen, die nur dann surjektiv sind, wenn die Geometrie entweder elliptisch oder euklidisch ist. Daraus folgt, dass nur in diesen beiden Hauptfällen die metrische Ebene endlich sein könnte. – Tatsächlich existieren nur für den euklidischen Fall endliche Modelle. Im elliptischen Fall existieren die erforderlichen projektiven, elliptischen Polaritäten nur über unendlichen Körpern, siehe dazu Korrelation (Projektive Geometrie)#Polaritäten über endlichen Räumen.
Die gruppentheoretisch formulierten Axiome für eine absolute Geometrie lassen sich auf Räume der Dimension verallgemeinern:[18]
Grundannahme: Sei
eine erzeugte Gruppe,
invariantes Erzeugendensystem aus involutorischen Elementen. Die Grundrelation
für involutorische Gruppenelemente wird wie im zweidimensionalen Fall definiert. Es wird vereinbart, dass Ausdrücke wie
als Abkürzung für Konjunktionen stehen: Steht zwischen zwei Elementen
mindestens ein
-Symbol, dann soll zwischen ihnen die Relation bestehen. Im Beispiel ist etwa
ausgesagt, über die Beziehung zwischen
und
dagegen nichts.
Jedes Element von wird interpretiert als Spiegelung an einer Hyperebene und mit einem Kleinbuchstaben bezeichnet.
wird definiert als Menge der involutorischen Produkte
mit
und interpretiert als Menge der Punktspiegelungen. Die Punktspiegelungen werden mit Großbuchstaben bezeichnet.
Gemeinsame Axiome:
- Axiom 1n*: Zu
gibt es ein
mit
.
- Axiom 1n: Zu
mit
gibt es ein
mit
.
- Axiom 2n: Aus
folgt
oder
.
- Axiom 3n: Aus
und
folgt
.
- Axiom 4n: Aus
folgt
.
- Axiom Xn: Es gibt
mit
.
- Axiom Dn: Zu
mit
gibt es ein
derart, dass
und weder
noch
gilt.
Die geometrischen Interpretationen:
- Existenz einer Senkrechten, Axiom 1n*: Zu einem Punkt
und
Hyperebenen gibt es eine Hyperebene durch
, die zu den vorgegebenen senkrecht ist.
- Existenz einer Verbindung, Axiom 1n: Zu zwei Punkten und
paarweise senkrechten Hyperebenen, die mit beiden Punkten inzidieren, gibt es eine Hyperebene durch die Punkte, die zu den vorgegebenen Hyperebenen senkrecht ist.
- Eindeutigkeit der Verbindung, Axiom 2n: Sind die beiden Punkte aus Axiom 1n verschieden, dann gibt es nur eine solche Hyperebene.
- Existenz der vierten Spiegelungshyperebene, Axiom 3n: Sind ein Punkt
und
paarweise senkrechte Hyperebenen gegeben, von denen alle bis auf höchstens eine mit
inzidieren und auch diese nicht polar zu
ist, dann gibt es zu drei Hyperebenen durch
, die zu den vorgegebenen senkrecht sind, eine vierte Spiegelung(shyperebene).
- Dimension, Axiom Xn: Es gibt
paarweise senkrechte Hyperebenen. (Daraus folgt mit der Eindeutigkeit der Verbindung, dass der Raum genau
-dimensional ist).
- Axiom Dn: Zu
paarweise senkrechten Hyperebenen gibt es eine weitere, die zu
von ihnen senkrecht, aber von der letzten vorgegebenen verschieden und zu ihr nicht senkrecht ist.
Elliptisches Axiom:
- Axiom
(vom Polarsimplex): Es gibt
mit
.
- Das Kleinsche Kreisscheiben-Modell der hyperbolischen Geometrie, siehe Hyperbolische Geometrie. Dies ist das bis auf Isomorphie einzige Modell einer reellen hyperbolischen Ebene.
Für ist das gruppentheoretische Modell isomorph zum Kleinschen Kreisscheibenmodell. Da der Körper der reellen Zahlen nur eine Anordnung zulässt und jede hyperbolische Polarität äquivalent zur Standardbilinearform mit der Formmatrix
ist, kann man zeigen, dass das Kreisscheibenmodell die bis auf Isomorphie einzige hyperbolische Ebene (im Sinne der in diesem Artikel formulierten Axiome) über den reellen Zahlen ist.
Am reellen Beispiel lässt sich veranschaulichen, wie das gruppentheoretische Modell zustande kommt: Die Bewegungsgruppe des kleinschen Modells, das heißt die Gruppe der Kollineationen der projektiven Ebene , die das Kreisinnere des Einheitskreises so auf sich abbilden, dass die hyperbolische Orthogonalität erhalten bleibt, besteht genau aus denjenigen Projektivitäten, die die Einheitskreislinie auf sich abbilden. Diese Untergruppe der
ist für jeden nichtausgearteten Kegelschnitt isomorph zu
(für formal reellen Körper
).
Die Sphärische Geometrie auf der Einheitskugel im reellen dreidimensionalen Raum, bei der einander auf
gegenüberliegende Punkte („Antipoden“) miteinander identifiziert werden, wenn zusätzlich die entsprechende Orthogonalität von Großkreisen definiert wird. Siehe dazu auch Korrelation (Projektive Geometrie)#Eine elliptische Polarität. Dies ist das (bis auf Isomorphie einzige) Modell der ebenen, reellen elliptischen Geometrie.
Allgemein ist für jeden elliptischen projektiv-metrischen Raum die volle Bewegungsgruppe mit der Menge aller involutorischen Elemente dieser Gruppe als Erzeugendensystem
ein Modell einer
-dimensionalen elliptischen Geometrie.[19] Notwendig und hinreichend für die Erklärbarkeit einer elliptischen „Metrik“ im
, mit der dieser zu einem elliptischen projektiv-metrischen Raum wird, ist die Existenz einer projektiven elliptischen Polarität auf diesem Raum.
Im Allgemeinen müssen zwei elliptische Ebenen über dem gleichen Körper nicht isomorph sein. Sie sind es dann (hinreichende Bedingung) wenn die elliptische Polarität der einen Ebene durch Wahl einer geeigneten Basis des Koordinatenvektorraums auf die Form gebracht werden kann, die sie auf der anderen Ebene hat.
- Originalliteratur
- Arnold Schmidt: Die Dualität von Inzidenz und Senkrechtstehen in der absoluten Geometrie. In: Math. Ann. Band 118, 1943, S. 609–625.
- Johannes Hjelmslev: Neue Begründung der ebenen Geometrie. In: Math. Ann. Band 64, 1907, S. 449–474.
- Zur Mehrdimensionalen (n>2) Verallgemeinerung
- H. Kinder: Elliptische Geometrie endlicher Dimension. In: Arch. Math. Band 21, 1970, S. 515–527.
- Gerhard Hübner: Klassifikation n-dimensionaler absoluter Geometrien. In: Abhandlungen aus dem Mathematischen Seminar der Universität Hamburg. Band 33, 1969, S. 165–182.
- Lehrbuch (Hauptquelle)
- Friedrich Bachmann: Aufbau der Geometrie aus dem Spiegelungsbegriff. 2. ergänzte Auflage. Springer, Berlin / Heidelberg / New York 1973, ISBN 3-540-06136-3.
- ↑ Die grundlegende Idee zu einer „Spiegelungsgeometrie“ stammt von Hjelmslev, z. B. Hjelmslev (1907), Bachman hat nach seinen Worten ein Axiomensystem von Schmidt (Schmidt, 1943) „reduziert“.
- ↑ Bachmann (1973)
- ↑ Bachmann (1973), S. 32.
- ↑ Formuliert man wie hier die Geometrie gruppentheoretisch, so ergibt sich, dass in der elliptischen Geometrie Punkte und Geraden als Gruppenelemente nicht zu unterscheiden sind. Trotzdem ist man bei vielen Formulierungen, in denen Senkrecht- oder Inzidenzrelationen vorkommen, formal auf der sicheren Seite, wenn man sich Punkt- und Geradenmenge „disjunkt gemacht“ denkt.
- ↑ Aus dieser Eindeutigkeitsaussage folgt die (viel schwächere) „Einfachheit“ der Ebene als Inzidenzstruktur: Eine Gerade ist vollständig durch die Menge der mit ihr inzidierenden Punkte bestimmt. Daher genügt es, die Morphismen, hier die orthogonalen Kollineationen, als Punktabbildungen zu definieren.
- ↑ Bachmann (1973), §3.7 Satz 18
- ↑ Bachmann (1973), §3.7 Satz 19
- ↑ Bachmann (1973), §4.4 Satz 6 (Transitivitätssatz)
- ↑ Hjelmslev (1907)
- ↑ Man beachte hier: Pol
und Polare
sind in der Gruppe identische Elemente, aber als geometrische Objekte nie inzident, denn
bedeutet, dass
keine Involution ist.
- ↑ Bachmann (1973), §6,8, Satz 13 (Rechtseitsatz)
- ↑ a b c d Bachmann (1973) §14.1 Die Axiome der hyperbolischen Bewegungsgruppen
- ↑ Bachmann (1973) §6.12 Begründung der absoluten Geometrie
- ↑ Tatsächlich muss man die Einbettungsabbildung aus mehreren Halbspiegelungen, die auf Geraden wirken und deren „gespiegelte Inverse“, die auf Punkte wirken, zusammensetzen und Polarität und Erzeugendensystem nachträglich aus den eigentlichen Objekten rekonstruieren. Die Grundidee geht auf Hjelmslev zurück. Bachmann (1973) §6.10 Begründung der metrischen Geometrie
- ↑ Da eigentliche Idealgeraden nie mit ihrem Pol inzidieren, existiert nur eine involutorische Perspektivität mit diesen Vorgaben.
- ↑ Bachmann (1973), §6.5 Satz 10
- ↑ Projektiv ist jede involutorische Perspektivität mit der Ferngerade als Achse und einem eigentlichen Punkt
als Zentrum (eine eigentliche Punktspiegelung an
) eine solche Achsenspiegelung. Aber zur Ferngerade existiert kein Pol.
- ↑ Bachmann (1973), §20.9
-dimensionale absolute Geometrie.
- ↑ Kinder (1970)