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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers (2.1910)

AUSSTELLUNGEN

das Große wollen, aber über Unfertiges nicht
hinauskommen. Es blieb ihm verfagt, die großen
dekorativen Aufgaben zu löfen, die er fich ge-
teilt hatte; er, der ein leidenfchaftlicher Künder
neuer malerifdier Ideale werden wollte, blieb
allezeit ein Stammler, dem das begeifterte und
begeifternde Wort nicht über die Lippen konnte.
Aber man foll darum feine Bedeutung nicht ver-
kennen. Es liegt ein tiefer Ernft über den
künftlerifchen Äbfichten, die er hatte; manche
der ausgeftellten Arbeiten läßt ahnen, was alles
an Anregung und Vorbildlichkeit von diefem
Künftler hätte ausgehen können, wenn feine
Hand williger feinem Äuge hätte dienen, wenn
er eindrucksvoller hätte wiedergeben können,
was er fühlte. Die Äusftellung in der Galerie
Arnold enthält Arbeiten aus allen Schaffens-
perioden des Künftlers: Werke aus der Frühzeit,
die unter dem Einflüße Piffaros entftanden find,
dann fpätere, denen man den erften Aufenthalt
in den Tropen (Martinique), das weltferne Leben
in der Bretagne und die Berührung mit van
Gogh und Cezannes anfieht, und endlich die
reifften, die in Tahiti entftanden. Schade, daß
man im Zufammenhange mit diefen Gemälden
nicht auch Lithographien des Künftlers fehen
kann, z. B. die „Pastorales Martinique“ und „Les
Cygales et les fourmis“ oder die Serie, die er
„Les drames de la mer“ genannt hat; fie wür-
den die Eindrücke von dem Wefen feiner Kunft,
die man durch die Äusftellung in der Galerie
Arnold erhält, noch vertieft haben. Sehr zu
ftatten für das Verftändnis der Kunft Gauguins
kam ein Vortrag mit Führung, den am 15. Sep-
tember Dr. Rudolf Meyer-Riefftahl (Paris)
in der Galerie Arnold gehalten hat.

Die erfte Äusftellung der neugegründeten
„Künftlervereinigung Dresden“, von wel-
cher ebenfalls in Heft 17 fchon kurz berichtet
wurde, erweift fich als eine fehr ernft zu neh-
mende künftlerifche Veranftaltung. Sie gibt
einen gefchloffenen Überblick über den Stand
der Dresdner Gegenwartskunft. Das Ergebnis
diefes Überblicks ift, daß die Dresdner Kunft in
Malerei und Plaftik, Architektur und Kunftge-
werbe fich feit einigen Jahren in energifcher
Vorwärtsentwicklung bepndet. Die ausgezeich-
nete Befchaffenheit der künftlerifchen Bildungs-
anftalten Dresdens, der Königl. Akademie der
bildenden Künfte, der Königl. Technifchen Hoch-
fchule und Königl. Kunftgewerbefchule, mag den
größten Anteil an diefer erfreulichen Tatfache
haben. An der Akademie der bildenden Künfte
wirken als Lehrer für Malerei GotthardKuehl,
Eugen Bracht, Robert Sterl, Emanuel
Hegenbarth, Karl Banßer, Oskar Zwint-

fcher, Otto Gußmann, um nur einige der
bedeutendften Namen zu nennen, als Lehrer für
Plaftik Robert Diez und Georg Wrba. An
der Königl. Technifchen Hochfchule lehren Bau-
künftler von der Bedeutung Martin Düifers,
G. Beftelmeyers, Oswin Hempels, Hugo
Hartungs; an der Königl. Kunftgewerbefchule
find Kunftgewerbler von dem Änfehen Erich
Kleinhempels und Karl Groß’ tätig. Alle
diefe Künftler find Mitglieder der neuen Dresdner
Künftlervereinigung und haben deren erfte Äus-
ftellung mit Arbeiten befchickt. Und mit ihnen
find zugleich ihre talentvollen einftigen Schüler
auf dem Plane erfchienen, die zum Teil auch
fchon wieder als Lehrer zu wirken vermögen.
Es ift fctiade, daß diefe Äusftellung nicht früher,
im Frühfommer, arrangiert werden konnte; fie
würde dann beffer nach außen hin gewirkt
haben als jeßt im Herbft, wo den nach Dresden
kommenden Fremden mehr Theater und Mufik
und die Kunftfammlungen intereffieren als vor-
übergehende Kunftausfteilungen. Aber mit einer
Wirkung über Dresden hinaus haben die Ver-
anftalter diefer Äusftellung wohl überhaupt nicht
gerechnet; die erwarten fie von ihren Beteili-
gungen an künftigen Ausheilungen in Berlin
und München, in Wien und Paris oder wie
immer die Städte heißen, in denen fich die bil-
dende Kunft unferer Zeit lebensvoll äußert.

Die Äusftellung umfaßt insgefamt etwa 500
Kunftwerke. Am reichften zu Worte kommt die
Malerei; etwas ftiefmütterlich bedacht ift die
Plaftik. Arbeiten der Architektur unddesKunft-
gewerbes treten nicht als felbftändige Äusftel-
lungsgruppen auf, fondern werden dem Be-
fchauer gewiffermaßen nur im Vorübergehen
gezeigt. Von den Sälen der Maler nehmen
naturgemäß die das größte Intereffe in Änfpruch,
welche den Mitgliedern der neuen Künftlerver-
einigung, alfo den Dresdner Malern eingeräumt
worden find. Ein Sonderkabinett ift Gotthard
Kuehl zugewiefen worden, dem Künftler, der für
die fog. „moderne“ Dresdner Kunft als Altmeifter
angefprochen werden darf. Es ift erftaunlich,
wie frifch fich der Sechzigjährige als Maler noch
gibt; geradezu bewundernd aber fteht man vor
feiner Tätigkeit als Lehrer. Da ift nicht einer
von feinen — in diefer Äusftellung vertretenen —
Schülern, der Mittelmäßiges leiftete; jedes Ein-
zelnen Schaffen hat feine perfönliche Note. Zu
nennen find F erdin an d Dorfdi, FrißBeckert,
Arthur Bendrat, Äuguft Wilckens, Hans
Nadler, William Kraufe, Johannes Ufer,
Edmund Körner und Walter Friederici.
Einer der jüngften Schüler des Meifters ift Ernft
Richard Dieße, auch ein, vor allem farbig
reichbegabter Maler, wenn auch zunächft noch

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