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Nr. 55/56

  • ️Mon Jan 01 1923
Zentralblatt der Baeverwaltüng 
MIT NACHRICHTEN DER REICHS- UND STAATSBEHOERDEN 4 HERAUSGEGEBEN IM PREUSS. FINANZMINISTERIUM 
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holungen mit Rabatt. Alle Zuschriften darüber an den Verlag. 
NUMMER 55/56 
43. JAHRGANG BERLIN, DEN 11. JULI 1923 
SCHRIFTLEITER: RICHARD BERGIUS und Dr.-Ing. NONN, BERLIN W 66, WILHELMSTRASSE 89 
INHALT: Dem Andenken an Hugo Licht. — Die Tirso-Talsperre in Sardinien. — Das 75jährige Bestehen des Oesterreichischen 
Ingenieur- und Architekten-Vereins in Wien. — Vermischtes. — Bücherschau. — Löhne und Preise. — Amtliche 
Mitteilungen. 
(Alle Rechte Vorbehalten.) 
Dem Andenken an Hugo Licht. 
Ein Künstler von seltener Begabung, der Erbauer des Neuen Rat 
hauses in Leipzig, der Geheime Baurat Professor Dr.-Ing. e.h. Hugo 
Licht ist am 28. Februar d. J. gestorben. Wenn auch die ehedem 
ihm eigene geistige und körperliche Frische nachgelassen hatte, die 
Höhenkurve des Lebens all 
mählich sich zu Tale senkte, 
sein Schaffensdrang kannte 
keine Grenze. Nun ist er aus 
dem engeren Kreise der 
näheren Freude abgerufen: 
sein Lebenswerk hat er voll 
endet, der Name Hugo Licht 
ist in das goldene Buch der 
Geschichte eingetragen. Wir 
Zeitgenossen haben ihn ver 
loren; die wir mit ihm wan- 
derten,stehen gesenkten Haup 
tes still. Das sind unseres 
Daseins Rätsel. Wir fühlen 
den Zusammenhang e^er 
Wesenheit und sind über um, 
hinaus verwachsen mit unserer 
Umgebung. So fühlen wir den 
Zwiespalt in unserem Herzen, 
denn einer ist dahingegangen, 
der uns teuer war. Was 
weiß die Nachwelt dereinst 
wenig von solchen Beziehun 
gen zu sagen? Jedoch, sie 
erkennt die Bedeutung der 
Persönlichkeit aus ihren Wer 
ken, urteilt besser und abge 
klärter als wir es vermögen. 
Die Worte, die das Andenken 
an den Architekten Sir Chri- 
stopher Wren in der Pauls- 
katliedrale in London wacli- 
rufen, sie werden einst auch 
für Hugo Licht gelten: „Suchst 
du sein Denkmal, Wandrer? 
Schaue um dich!“ Das Denk 
mal Lichts ist das Neue Rat 
haus in Leipzig. Diese nova 
arx, diese neue Burg, wie er 
sie seihst genannt hat, die er 
so fest gefügt und so eng 
und unzertrennlich mit seinem 
Namen verbunden liat in dem 
stolzen Bewußtsein: Saxa 
loquuntur! Das bildete die 
Triebkraft in all seinem Den 
ken, Fühlen und Handeln, das 
außergewöhnlich ausgebildete 
Verantwortlichkeitsgefühl; da 
raus erwuchs die strenge 
Selbstkritik, der hohe sittliche 
Ernst seiner Arbeit. Indem er unermüdlich nach Ausdruck seiner 
Gedanken rang, wußte, er, die Größe der Künstlerschaft wird einst 
an seinen Werken gemessen. So hat er die Stätte seiner zweiten 
Heimat, in der er 44 Jahre lebte, als A r c li i t e c t u s 1 i p s i e n s i s 
im Drange der Neuzeit emporgehoben, angefüllt und verschönt 
durch die Bauten seiner Hand; so sind sie Ruhmeskünder seines 
Namens geworden. 
Die Wirksamkeit Hugo Lichts möchte nach den beiden Gesichts 
punkten beurteilt werden: welchen Einfluß hat er im algemeinen vor 
bildlich auf die Bautätigkeit während unseres wirtschaftlichen Auf 
schwunges ausgeübt, und welche Erfolge kommen der Stadt Leipzig, 
seinem hauptsächlichsten Ar 
beitsfelde, zugute. Aus seiner 
Jugendzeit haben wir nur 
dürftige Anhaltspunkte. Er 
wurde am 21. Februar 1841 
n Niederzedlitz bei Fraustadt 
in der preußischen Provinz 
Posen geboren. Mit 21 Jahren 
finden wir ihn in dem Atelier 
der Architekten Hermann Ende 
und Wilhelm Böckmann in 
Berlin, wo er Gelegenheit 
fand, unter Leitung dieser 
ausgezeichneten Männer für 
seinen Beruf trefflich sich vor 
zubereiten. Durch den Besuch 
der Bauakademie trat er im 
Jahre 1864 in nähere Bezie 
hung zu dem feinsinnigen 
Richard Lucae, hielt sich dann 
einige Zeit in Wien auf und 
bereicherte seine Kenntnisse 
durch einen längeren Aufent 
halt in Italien. 1871 nach Ber 
lin zurückgekehrt, lenkte er 
bald als Privatarchitekt durch 
seine Bauausführungen die 
Aufmerksamkeit der Fachge 
nossen auf sich. 
Um sich in die damalige 
Zeit hineinzuversetzen und die 
Bewegungsvorgänge der jun 
gen Kaiserstadt recht zu ver 
stehen, haben wir keinen 
besseren Anhalt, als daß wir 
Lichts damals erschienenes 
Werk aufschlagen: „Die Ar 
chitektur Berlins“. Es zeigt 
uns in einer Reihe neuerstan 
dener Bauten auch die Erst 
lingswerke seiner Kunst. Noch 
lebte der Schinkelsche Geist, 
der in der ersten Hälfte des 
vorigen Jahrhunderts unter 
bescheidenen Verhältnissen 
wahrhaft Klassisches geschaf 
fen und unvergängliche Werte 
hinterlassen, in seinen Jün 
gern fort. Freier, ja als gelte 
es, manches Versäumte nach 
zuholen, so entfaltete sich nun 
das ganze Wirtschaftsleben; 
hatte es doch lange genug den Druck unter der Ungunst politischer 
Ohnmacht empfunden. Neue Aufgaben stellten nicht nur Staat und Stadt, 
auch die bürgerlichen Lebensbedürfnisse erweiterten sich zusehends 
in außergewöhnlichem Umfange. Zu den führenden Architekten, die 
in den nächsten Jahrzehnten von maßgebendem Einfluß wurden, ge 
sellte sich bald Hugo Licht. Frühzeitig mit gesundem Urteil begabt, 
hatte er auf Reisen mit offenem Auge seinen Gesichtskreis erweitert 
Hugo Licht. 
Büste im Neuen Rathaus in Leipzig von Prof. Wrba.