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Abb. 1. Opernhaus vor dem Umbau.
II.
DIE BAUARBEITEN.
Von Regierurigs- und Baurat Tietze, Berlin.
Vorgeschichte und Bauprogramm.
ohl kaum hat je eine Bauaufgabe das Interesse
weiter Fach- und Laienkreisc so beansprucht, wie
die Umgestaltung der Staatsoper Unter den Linden.
Es ist nicht die Aufgabe der folgenden Ausführungen, die
Gründe darzulegen, die zu diesem Umbau führten. Der
Hinweis auf die zahlreichen Veröffentlichungen, insbe
sondere auf diejenigen im Zentralblatt der Bauverwal
tung, Jahrgang 1926, Heft 14 und 40, mag genügen; er
wähnt sei nur noch einmal kurz, daß die baulichen Zu
stände, namentlich in dem vollständig veralteten Bühnen
hause, gebieterisch Aenderung verlangten. Da der schon
beschlossene und zur Ausführung bestimmte Neubau in
folge des verlorenen Krieges nicht ausgeführt werden
konnte, der Polizeipräsident aber als Aufsichtsorgan den
Bühnenbetrieb schließen wollte, mußte der Umbau ernst
lich in Frage gezogen werden.
Nach vielfachen Planungen und Versuchen stellte
auf Grund der von der Generalverwaltung der
Staatstheater als nutznießencler Behörde und von der
Bau- und Theaterpolizei erhobenen Forderungen die
Staats-Hochbauverwaltung einen Entwurf auf, der zur
Ausführung bestimmt wurde. Es dürfte noch in Erinne
rung sein, daß die interessierten Architektenverbände
durch ihre vielfachen Einwände eine Nachprüfung dieses
Entwurfs beim Landtag durchsetzten. Das Finanz-, das
Kultus- und das Wohlfahrtsministerium, das Ministerium
des Innern, der Lancltag, die Preußische Bau- und Finanz
direktion als ausführende Behörde, die General Verwaltung
der Staatstheater, die Akademie des Bauwesens, die Aka
demie der Künste, die Architektenverbände, die Stadt
Berlin, der Beurteilungsausschuß der Stadt Berlin, die
Städtische Baupolizei, die Theaterpolizei und die Feuer
wehr haben sich eingehend mit den vorgelegtcn Ent
würfen befaßt. Der ursprüngliche Entwurf wurde dabei
abgeändert und durch das Hinübergreifen des Umbaues
auf das Zuschauerhaus nicht unerheblich erweitert. Hier-
clurdi war es möglich, die mehr als veralteten Zustände
auch im Zuschauerhaus grundlegend zu ändern. Es
konnten nicht nur ausreichende Treppen für die einzelnen
Ränge gewonnen, sondern auch die Kassen, die Eingangs
halle und die Flure wesentlich geräumiger und praktischer
gestaltet werden. Die von der Eingangshalle her unter
dem Parkett hindurchgeführten Zugänge zum III. und
F ‘ ^- an S ermöglichten die Herstellung eines neuen
Lrlrischungsraumes unter dem Parkett. Erst sehr viel
später entschloß man sich, auch den Zuschauer-
raum, der naturgemäß während der langen Bauzeit
stark gelitten hatte, zu erneuern, und darin eine Reihe
von Verbesserungen vorzunehmen. So wurden die Seh
linien vieler Plätze wesentlich verbessert durch Ver
schiebung der Proszeniumswände um je 40 cm parallel
nach außen. Die Wände des Parketts wurden von der
inneren an die äußere Stützenreihe verlegt und das Par
kett selbst, das infolge der Horizontal- und Tiefcrlcgung
der Bühne etwas gesenkt werden konnte, mit 2 Reihen
unter die große Mittellogc geführt. Der Gewinn waren
allein im Parkett 147 Plätze. Desgleichen war es möglich,
die die Sicht einzelner Plätze stark behindernden Stützen
im II. und III. Rang um 40 bzw. 25 cm zurückzusetzen.
Die aus Sicherheitsgründen notwendige Neuarmicrung der
großen Dachbinder über dem Zuschauerraum erlaubte es,
die eisernen Stützen im IV. Rang vollständig zu entfernen.
Auch die große Krone konnte bei der notwendigen Auf
arbeitung um 1,40 m gekürzt werden, so daß für den
IV. Rang besonders günstige Sehverhältnisse geschaffen
wurden. Der gesamte Zuschauerraum ist gänzlich überholt,
mit neuem Gestühl versehen und in seiner alten Farben
wirkung (Weiß und Gold auf leuchtendem Rot) wieder
hergestellt werden. Die am Orchesterraum ausgeführten
Arbeiten sowie die Schaffung von Doppelwänden im
I. Rang haben die berühmte Akustik des Hauses nicht nur
erhalten, sondern sie nach dem Urteil maßgebender Fach
kreise sogar verbessert.
Abb. 1 zeigt den Zustand des Opernhauses vor
dem Umbau. Es darf darauf hingewiesen werden,
daß der Anblick von den Linden infolge der vielen un
ruhigen Anbauten des Opernhauses von der Hedwigs
kirche nicht mehr als die Kuppel zeigt. Auch den Blick
von der Behrenstrafie auf den südlichen Teil des Hauses
konnte man wohl kaum als glücklich bezeichnen. Abb. 2
zeigt den Grundriß vor dem Umbau, der sich zunächst
nur auf das Bühnenhaus erstrecken sollte. Neu zu
schaffen waren neben der Erweiterung und Vertiefung
der Bühne vor allem ein aus Sicherheitsgründen für die
Darsteller und das Personal von der Theater- und Bau
polizei verlangter mindestens 5 m breiter Bühnen-Um-
gang, sehr große Räume für die eigentliche Bühnen
maschinerie, eine Reihe von Magazinräumen für die
Dekorationen und neben den gewünschten Künstler-,
Solo-, Chor- und Ballett-Garderoben eine große Probe
bühne. Der Schnürbodenaufbau mit seinem Rollenwerk
sollte hierbei erhalten bleiben.