Jutta Nowosadtko | Helmut Schmidt University - Academia.edu
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Papers by Jutta Nowosadtko
In Early Modern Germany skinners and executioners belonged to the class of the so-called "di... more In Early Modern Germany skinners and executioners belonged to the class of the so-called "dishonorable" professions. They formed a marginal group in the "honorable" society. The skinner's main function was to dispose of dead animals. The executioner was responsible for torture and the execution of a sentence. In the seventeenth century both officials spent much of their time practising medicine as regular members on the market of licensed medical practitioners. All truly licensed healers used techniques which were related to magic lore. In the eighteenth century doctors and qualified surgeons gained a monopoly and it became illegal for skinners and executioners to practise medicine. Those who did so were prosecuted. The Enlightenment declared their methods to be founded on superstitions.
Nach Konfession und Nationalitat unterschieden sie sich in keiner Weise von ihren Nachbarn und Mi... more Nach Konfession und Nationalitat unterschieden sie sich in keiner Weise von ihren Nachbarn und Mitbewohnern - und doch waren sie Fremde: Die Abdecker der Fruhen Neuzeit blieben durch ihren Beruf von ihrer Lebensumgebung "entfremdet" , obwohl ihre Arbeit fur das Gemeinwesen unentbehrlich war.
Auch gut zehn Jahre nach dem militärgeschichtlichen Paradigmenwechsel, den John Keegan 1993 einge... more Auch gut zehn Jahre nach dem militärgeschichtlichen Paradigmenwechsel, den John Keegan 1993 eingeleitet hatte, fällt es schwer, Chancen und Fallstricke des schwerbewaffneten "cultural turn" gegeneinander abzuwägen. In seinem Werk "A History of Warfare" - das zwei Jahre später ebenso programmatisch wie problematisch unter dem deutschen Titel "Die Kultur des Krieges" erschien - hatte Keegan zu einer radikalen Abkehr von den traditionellen Perspektiven der Militärgeschichtsschreibung aufgerufen. In der Nachfolge von Clausewitz habe die Forschung das Phänomen Krieg falsch kontextualisiert und irrtümlich dem Beziehungsgeflecht von Staat und Politik zugeordnet. Anstatt den Krieg als "Fortführung der Politik mit anderen Mitteln" zu definieren, sei es angebrachter, ihn als "Fortführung der Kultur mit ihren eigenen Mitteln" zu analysieren.
Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur (IASL), 2006
Das sogenannte Tagebuch des Nürnberger Scharfrichters Franz Schmidt, der zwischen 1578 und 1617 a... more Das sogenannte Tagebuch des Nürnberger Scharfrichters Franz Schmidt, der zwischen 1578 und 1617 amtierte, gehört zu den bekanntesten Selbstzeugnissen dieses Berufsstandes. An der Rezeption dieser Quelle läßt sich exemplarisch der Übergang zwischen Aufklärung und Romantik darstellen. Zum Zeitpunkt ihrer Aufzeichnung dokumentierte die Malefizchronik noch die geordnete Einrichtung der Nürnberger Kriminaljustiz. Ende des 18. Jahrhunderts konnte sie nur noch als Beleg für die generelle Reformbedürftigkeit des gesamten Strafvollzugs herangezogen werden. In der Romantik diente das Tagebuch zur Imagination einer dunklen, faszinierenden Vergangenheit. The so-called diary of the Nürnberg executioner Franz Schmidt, who held office between 1578 and 1617, is one of the most well-known self-documentations of this profession. The reception of this source can be used to show the transition between the Enlightenment and Romanticism. At the time it was written, this ›Malefizchronik‹ (crime chronicles) documented the still ordered institution of Nürnberg's criminal justice system. By the end of the 18th century it could only be used as proof of the need for a sweeping reform of the entire penal system. During the Romantic period, the diary served as a means of imagining a dark and fascinating past.
Archiv für Kulturgeschichte, 1992
Bei seinem Aufenthalt in England notierte der spätere Ulmer Handelsherr Samuel Kiechel 1585 folge... more Bei seinem Aufenthalt in England notierte der spätere Ulmer Handelsherr Samuel Kiechel 1585 folgende Beobachtung in seinen Reiseberichten: Ittem süe haben einen unloblichen brauch in Engelandt, wann ein ybeltheterr zum todt verurtheilt wärt, das er solle müt dem strängen gerächt werden, haben süe keinen besondern nachrüchter, sondern nemmen einen fleischhackher oder mezger, wölchen es befolhen wärt, der mueß solches verrichten. Nun wüll ich wol glauben, das zum ofternmal ein redlich mann dozu genommen, dem es sehr beschwerlich und ein gros leüd dorab trage, f...]. Diese von Kiechel mit aller Entschiedenheit mißbilligte Praxis des englischen Strafrechts wird noch zweihundert Jahre später durch den preußischen Publizisten und Schriftsteller Johann Wilhelm von Archenholtz bestätigt: Die Hinrichtung mit dem Beile ist ein Vorrecht des Adels in gewissen Fällen, das bey Mordthaten dem Delinquenten nicht zu statten kommt, [...]. Ein Fleischermeister übernimmt sodann das Amt der Enthauptung, weil sein Gewerbe ihn hiezu am tauglichsten macht. Die Familie des Verurtheilten erwählt ihn, und verehrt ihm gewöhnlich zu seiner Operation ein Beil mit einem silbernen Hefte.. Es ist offensichtlich, daß sich zwischen 1585 und 1787 in erster Linie der Betrachterstandpunkt, d.h. die Beurteilung dieser englischen Besonderheit gewandelt hatte. Die Ablehnung, die der Brauch, .redlichen Metzgern' die Scharfrichtertätigkeit zuzumuten, bei Kiechel provoziert, ist der
In Early Modern Germany skinners and executioners belonged to the class of the so-called "di... more In Early Modern Germany skinners and executioners belonged to the class of the so-called "dishonorable" professions. They formed a marginal group in the "honorable" society. The skinner's main function was to dispose of dead animals. The executioner was responsible for torture and the execution of a sentence. In the seventeenth century both officials spent much of their time practising medicine as regular members on the market of licensed medical practitioners. All truly licensed healers used techniques which were related to magic lore. In the eighteenth century doctors and qualified surgeons gained a monopoly and it became illegal for skinners and executioners to practise medicine. Those who did so were prosecuted. The Enlightenment declared their methods to be founded on superstitions.
Nach Konfession und Nationalitat unterschieden sie sich in keiner Weise von ihren Nachbarn und Mi... more Nach Konfession und Nationalitat unterschieden sie sich in keiner Weise von ihren Nachbarn und Mitbewohnern - und doch waren sie Fremde: Die Abdecker der Fruhen Neuzeit blieben durch ihren Beruf von ihrer Lebensumgebung "entfremdet" , obwohl ihre Arbeit fur das Gemeinwesen unentbehrlich war.
Auch gut zehn Jahre nach dem militärgeschichtlichen Paradigmenwechsel, den John Keegan 1993 einge... more Auch gut zehn Jahre nach dem militärgeschichtlichen Paradigmenwechsel, den John Keegan 1993 eingeleitet hatte, fällt es schwer, Chancen und Fallstricke des schwerbewaffneten "cultural turn" gegeneinander abzuwägen. In seinem Werk "A History of Warfare" - das zwei Jahre später ebenso programmatisch wie problematisch unter dem deutschen Titel "Die Kultur des Krieges" erschien - hatte Keegan zu einer radikalen Abkehr von den traditionellen Perspektiven der Militärgeschichtsschreibung aufgerufen. In der Nachfolge von Clausewitz habe die Forschung das Phänomen Krieg falsch kontextualisiert und irrtümlich dem Beziehungsgeflecht von Staat und Politik zugeordnet. Anstatt den Krieg als "Fortführung der Politik mit anderen Mitteln" zu definieren, sei es angebrachter, ihn als "Fortführung der Kultur mit ihren eigenen Mitteln" zu analysieren.
Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur (IASL), 2006
Das sogenannte Tagebuch des Nürnberger Scharfrichters Franz Schmidt, der zwischen 1578 und 1617 a... more Das sogenannte Tagebuch des Nürnberger Scharfrichters Franz Schmidt, der zwischen 1578 und 1617 amtierte, gehört zu den bekanntesten Selbstzeugnissen dieses Berufsstandes. An der Rezeption dieser Quelle läßt sich exemplarisch der Übergang zwischen Aufklärung und Romantik darstellen. Zum Zeitpunkt ihrer Aufzeichnung dokumentierte die Malefizchronik noch die geordnete Einrichtung der Nürnberger Kriminaljustiz. Ende des 18. Jahrhunderts konnte sie nur noch als Beleg für die generelle Reformbedürftigkeit des gesamten Strafvollzugs herangezogen werden. In der Romantik diente das Tagebuch zur Imagination einer dunklen, faszinierenden Vergangenheit. The so-called diary of the Nürnberg executioner Franz Schmidt, who held office between 1578 and 1617, is one of the most well-known self-documentations of this profession. The reception of this source can be used to show the transition between the Enlightenment and Romanticism. At the time it was written, this ›Malefizchronik‹ (crime chronicles) documented the still ordered institution of Nürnberg's criminal justice system. By the end of the 18th century it could only be used as proof of the need for a sweeping reform of the entire penal system. During the Romantic period, the diary served as a means of imagining a dark and fascinating past.
Archiv für Kulturgeschichte, 1992
Bei seinem Aufenthalt in England notierte der spätere Ulmer Handelsherr Samuel Kiechel 1585 folge... more Bei seinem Aufenthalt in England notierte der spätere Ulmer Handelsherr Samuel Kiechel 1585 folgende Beobachtung in seinen Reiseberichten: Ittem süe haben einen unloblichen brauch in Engelandt, wann ein ybeltheterr zum todt verurtheilt wärt, das er solle müt dem strängen gerächt werden, haben süe keinen besondern nachrüchter, sondern nemmen einen fleischhackher oder mezger, wölchen es befolhen wärt, der mueß solches verrichten. Nun wüll ich wol glauben, das zum ofternmal ein redlich mann dozu genommen, dem es sehr beschwerlich und ein gros leüd dorab trage, f...]. Diese von Kiechel mit aller Entschiedenheit mißbilligte Praxis des englischen Strafrechts wird noch zweihundert Jahre später durch den preußischen Publizisten und Schriftsteller Johann Wilhelm von Archenholtz bestätigt: Die Hinrichtung mit dem Beile ist ein Vorrecht des Adels in gewissen Fällen, das bey Mordthaten dem Delinquenten nicht zu statten kommt, [...]. Ein Fleischermeister übernimmt sodann das Amt der Enthauptung, weil sein Gewerbe ihn hiezu am tauglichsten macht. Die Familie des Verurtheilten erwählt ihn, und verehrt ihm gewöhnlich zu seiner Operation ein Beil mit einem silbernen Hefte.. Es ist offensichtlich, daß sich zwischen 1585 und 1787 in erster Linie der Betrachterstandpunkt, d.h. die Beurteilung dieser englischen Besonderheit gewandelt hatte. Die Ablehnung, die der Brauch, .redlichen Metzgern' die Scharfrichtertätigkeit zuzumuten, bei Kiechel provoziert, ist der