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Gespräch mit Kia-Ingenieur über EV3, 800-Volt-Technik etc.

Wenn Sie öfter unsere Artikel bei InsideEVs lesen, haben Sie es vielleicht schon bemerkt: Ich interessiere mich sehr für die Technik von Elektroautos. Mangels Elektrotechnik-Studium verstehe ich nicht alles, was mir die Cracks erklären, aber mühsam nährt sich das Eichhörnchen, und manchmal kann mir ein Ingenieur was so erklären, dass ich es zumindest teilweise verstehe. So wie David Labrosse, der Produktplaner von Kia Europe.

Der perfekt deutsch sprechende Franzose kennt sich technisch nicht nur ein bisschen aus, wie ich schnell merkte. Beim jüngsten Fahrevent habe ich nach dem Abendessen mit ihm und zwei anderen Fachleuten gesprochen. Da das nicht alles in meinen Fahrbericht zum Kia EV3 hineinpasst, lesen Sie hier, was ich erfahren habe.   

Kia EV3 (2025): Antrieb mit Elektromotor (rechts, mit Thermoisolierung), Getriebe (mit gelbem Abtriebs-Marker und Inverter (senkrecht an der hinteren Seite, kaum zu sehen)

Antrieb mit Elektromotor, Getriebe und Inverter

Kia EV3 (2025): ie 3-in-1-Einheit kommt von Schaeffler. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich um den EMR4 von Tochter Vitesco

Die 3-in-1-Einheit kommt von Schaeffler, vermutlich ist es die EMR4-Einheit von Tochter Vitesco

Vitesco EMR4 als Antriebseinheit für den EV3

Als Labrosse zuvor den Antrieb als Exponat präsentiert hatte, war mir der Schaeffler-Schriftzug aufgefallen. Mit fällt ein, dass der Nürnberger Zulieferer kürzlich Vitesco übernommen hat. Also schnell bei InsideEVs nachgeguckt, und tatsächlich: Vitesco meldete vor zwei Jahren den Verkauf der 3-in-1-Einheit EMR4 mit 160 kW an die Hyundai Motor Group. Die 400-Volt-Einheit mit Siliciumcarbid-Technik sei für ein kleineres Modell gedacht, das 2024 starte, hieß es damals. Alles passt. Als ich Labrosse frage, meint er, es könne sich um diese Einheit handeln, aber dass es wirklich die Vitesco EMR4 ist, kann oder will er mir nicht bestätigen. 

Den EMR4 von Vitesco soll es bald wahlweise mit PSM- und mit EESM-Rotor geben

Die EMR4-Einheit gibt es wahlweise mit PSM- und EESM-Rotor, bei Kia kommt der PSM zum Einsatz

Labrosse meint, vor ein paar Jahren noch wäre es unvorstellbar gewesen, dass die Siliciumcarbid-Technik in einem eher günstigen Volumenmodell zum Einsatz kommt. Recht hat er. Die einst teure Technik ist offenbar erschwinglich geworden. Sie soll den Antrieb um 3 bis 5 Prozent effizienter machen.

EV3-Allradversionen

Auch bei den geplanten Allradvarianten soll SiC-Technik zum Einsatz kommen, dann aber nur an der Primärachse, denn die hintere wird abgekoppelt, wenn nicht die volle Leistung gebraucht wird, wie von den anderen Elektro-Allradlern aus dem Konzern bekannt.

Mit den Leistungswerten konfrontiert, die ich aus einem Nextmove -Video habe (bei etwa 7:10 min) – 125 kW vorn, 70 kW hinten bzw. 145/75 kW für die GT-Version – , schütteln die Techniker den Kopf. Die Daten stünden noch nicht fest. Als ich nachbohre, heißt es, es wäre jedenfalls nicht vernünftig, den Frontmotor leistungsmäßig abzuschwächen. Und nein, auch nicht wegen der Batterie.

Kia EV3 (2025): Das Exterieur

Der EV3 ist das erste 400-Volt-Auto auf Basis von E-GMP, EV2, EV4 und EV5 folgen

Keine LFP-Batterie im EV3

Auch ein zweites Detail aus dem Nextmove-Video stimmt offenbar nicht: Die kleine Batterie arbeitet nicht mit Lithiumeisenphosphat-Kathode, sondern beide Akkus haben eine NMC811-Chemie (Nickel, Mangan, Cobalt im Verhältnis 9:1:1). Beide Batterien würden Pouchzellen der vierten Generation von LG verwenden. Der geliftete EV6 habe die gleichen Zellen; der Unterschied zur 3. Generation, die bisher im EV6 verwendet wurde, liege in der Chemie, auch wenn beides NMC811-Zellen seien. Änderungen an der Anode oder am Elektrolyten, den Additiven? Möglich, meint Labrosse, aber er wisse das nicht, die Akkuhersteller machten ein großes Geheimnis daraus. Ob beim EV3 (wie beim EV6) 12 Zellen in einem Modul wären, konnte oder wollte er mir ebenfalls nicht sagen. 

400 und 800 Volt

Der Kia EV3 ist das erste E-GMP-Fahrzeug mit 400-Volt-Technik aus dem Konzern. Der Grund ist klar: Teure 800-Volt-Technik macht ein kleines Elektroauto unnötig teuer, denn solche Fahrzeuge sind nicht für die Langstrecke gemacht.

Smart #5 (2025): Das Exterieur

Den Smart #5 gibt es mit 400 und mit 800 Volt

Zeekr 001 FR (2024): Das Exterieur

Auch den Zeekr 001 gibt es mit beiden Spannungslagen

Ich erwähne, dass es beim Smart #5 beide Spanungsniveaus in der gleichen Baureihe gibt, und frage, was man beim Wechsel auf die höhere Spannung alles ändern muss. Gar nicht so viel, antwortet Labrosse: Die Inverter müssten angepasst werden, bei den Motoren vor allem die elektrische Isolierung, damit der Strom nicht überspringt. Aber seiner Ansicht nach werde sich 800 Volt generell durchsetzen, und dann würde die Technik auch günstig. Dass 400-V-Komponenten derzeit noch günstiger sind, liege vor allem an Skaleneffekten.     

Ich will wissen, ob es stimmt, dass die 800-V-Technik des Konzerns von Rimac kommt (wie ich mal gelesen habe), aber er verneint das ganz klar. Man habe Kooperationen mit Rimac, aber nicht in diesem Bereich. Die Technik komme von Infineon; der Halbleiterkonzern produziere die SiC-Chips. 

Wir sprechen über die Stern- und die Dreiecksschaltung beim Kia EV9 und noch so manches, aber ich merke mehr und mehr, dass ich nicht mehr folgen kann. Als ich auf die Uhr sehe, erschrecke ich: Es ist halb 12, die Zeit ist wie im Flug vergangen, und ich bin morgens um vier aufgestanden. Aber das lange Aufbleiben hat sich wirklich gelohnt ...

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Unter dem Strich

Dass man bei einem Fahrevent etwas Neues zum Thema Technik erfährt, ist selten. Beim Kia EV3 war es anders. Gelernt habe ich unter anderem, dass der EV3-Antrieb von Vitesco stammt, dass ausschließlich NMC811-Pouch-Zellen von LG verwendet werden. Und dass die technischen Hürden für 800 Volt gar nicht so hoch sind, dass die höheren Preise vielleicht hauptsächlich durch die größere Nachfrage nach 400-Volt-Systemen bedingt sind.