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Probleme/Projekte/Prozesse: Otto Dibelius

chen Ordnung und geistigen Atmosphäre geprägt, die von den Begriffen »altpreußisch« und »Thron und Altar« bestimmt sind, wobei allerdings das Altpreußische wie auf andere Weise die Liberalität seines Lehrers Harnack kritische Maßstäbe gegenüber manchen abenteuerlichen Zügen des Wilhelminischen setzten. Der spätere Titel seiner Erinnerungen, »Ein Christ ist immer im Dienst«, definiert das Altpreußische in seiner Lebenshaltung ebenso wie der spontane Eindruck, den man bei jeder Begegnung mit ihm hatte:
Das ist ein Herr!
     Was für Konsequenzen mußte es haben, daß sich ein Kirchenmann solcher Prägung, also durch Kontinuität und Stabilität altpreußischer Tradition, derart tiefgehenden Zäsuren in der geistigen und gesellschaftlichen Entwicklung in Deutschland stellen mußte, wie sie von diesen Jahreszahlen markiert werden: 1918, 1933, 1945 bis 1949 und schließlich 1961.

I

Für den altpreußischen Kirchenmann Otto Dibelius (und dies ist ja nicht nur eine sozial-historische Bestimmung, sondern auch – mit Blick auf die seit 1817 bestehende Kirche der altpreußischen Union, der heutigen Evangelischen Kirche der Union, eine konfessionelle) war wahrscheinlich der Einschnitt von 1918 der tiefste: Einer seiner vielen theologischen und kirchenpolitischen Gegner, der zugleich einer seiner Nachfolger (jedenfalls für Ost-Berlin und Brandenburg) wurde, Albrecht Schönherr, hat dies noch für sich und seine Generation (der dreißig Jahre nach Otto Dibelius geborenen) so herausgestellt – 1991, nach einer neuerlichen Zäsur, die Otto Dibelius nicht mehr erlebt, aber wohl immer ersehnt hat.
     In der Tat: Was mußte es für eine Revolution bedeuten – und gerade in diesem Kontext waren die Vorgänge von 1918/19 eine Revolution–, daß mit dem System Thron und Altar das Summepiskopat des Königs verschwand und an die Stelle des preußischen Königs als summus episcopus drei Minister in evangelicis traten, darunter zwei Sozialdemokraten. (Ganz abgesehen davon, daß – vom »Zehn-Gebote- Hoffmann«, dem seinerzeit populären, durch Kirchenkritik besonders auffälligen Politiker der USPD, inspiriert – zu den Arbeiter- und Soldatenräten gerade auch in Berlin zeitweilig »Kirchenräte« getreten waren).
     Otto Dibelius beteiligte sich an diesen Auseinandersetzungen in engagierter Weise, und zwar fungierte er übergemeindlich als Geschäftsführer eines vom Evangelischen Oberkirchenrat berufenen Vertrauensrates von 50 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, der sich in die Neugestaltung des kirchlichen Lebens (neue Kirchenverfassung, Schulfragen) sowie in die Öffentlichkeitsarbeit einschaltete. Durch seine theologische Schulung, seine organisatorische