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Erstmals fossile Tintenfisch-Knorpel entdeckt

  • ️Thu Apr 21 2022

Wissenschaft

Zwischen Gaming und Lunz am See (beide Bezirk Scheibbs) haben Wissenschafter des Naturhistorischen Museums und der Uni Wien weltweit erstmals fossile Tintenfisch-Knorpel entdeckt. Sie stammen von Tieren, die vor 233 Millionen Jahren lebten.

21. April 2022, 15.11 Uhr
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Ein kleiner Graben beim Polzberg zwischen Gaming und Lunz am See verbirgt eine der wichtigsten Fossil-Fundstellen Österreichs. Seit mehr als 150 Jahren werden dort spektakuläre Fossilien des Erdmittelalters geborgen, die in der Wissenschaft weltweit für Aufsehen sorgen.

Dort wurden auch die ersten fossile Tintenfisch-Knorpel entdeckt. Zunächst war nicht klar, worum was sich bei den bis zu drei Zentimeter großen, schwarzen Gebilde handelt, die bei den Grabungen im Vorjahr gefunden wurden.

Fossilien mittels Computertomographie untersucht

Paläontologin Petra Lukeneder und Paläontologe Alexander Lukeneder untersuchten nun über 80 unterschiedliche Exemplare dieser Fossilien mittels Computertomographie. So konnten sie in das Innere der Gebilde blicken. Bild um Bild entstanden auf diese Weise digitale 3D-Modelle, die von unzähligen, sich verzweigenden Gängen durchzogen waren.

Die Wissenschafter fanden heraus, dass die Teile aus reinem Kohlenstoff bestehen. Rund um die Funde sind hunderte Fanghäkchen von Tintenfisch-Armen eingebettet und auch Schulpe, die kalkigen Schalen der Weichtiere, fanden sich in der Nähe der Strukturen.

Fotostrecke mit 4 Bildern

Die Modelle wurden dann mit modernen Tiergruppen verglichen, wodurch die rätselhaften Objekte erstmals eindeutig als fossile Tintenfisch-Knorpel identifiziert wurden, teilten die Forscher mit. „Durch geochemische Prozesse reicherte sich im ursprünglich knorpeligen Material allmählich Kohlenstoff an und führte zur Erhaltung der nun schwarzen und harten Gebilde“, wird in einer Aussendung erklärt.

Knorpel stammen von ausgestorbenem Tintenfisch

Die Knorpel stammen laut aktueller Forschungsergebnisse von der Tintenfisch-Art Phragmoteuthis bisinuata, die vor 233 Millionen Jahren lebte. Phragmoteuthis ist ein ausgestorbener Verwandter der modernen Tintenfische. „Heute lebende Tintenfische wie Loligo vulgaris, der Gemeine Kalmar, bilden sehr ähnliche Strukturen aus Tintenfisch-Knorpeln im Kopfbereich aus. Diese knorpelige Struktur stärkt und schützt dabei das Gehirn und den Augenbereich der Tiere. Bei diesen Meeresbewohnern führt die Speiseröhre direkt durch den Kopfknorpel und das Gehirn in den Magen des Tieres“, heißt es in der Aussendung.

Die Tintenfische bewohnten marine Bereiche des damaligen Reiflinger Meeres, einem Seitenast des Tethys-Ozeans. In dieser Phase der Erdgeschichte kam es zu einer weltweiten Krise mit Massenaussterben auf der Erde, die über zwei Millionen Jahre andauerte. Diese Krise hatte auch Auswirkungen auf die Sedimente und Ablagerungen der Meeresböden. Am Meeresboden kam es so zur Ausbildung von sauerstoffarmen Bereichen. Im lebensfeindlichen Schlamm blieben dadurch selbst feinste Details der Fossilien erhalten und machen den Polzberg in Niederösterreich heute noch zu einer einzigartigen Fundstelle.