Die römischen Basiliken mit Umgang. Forschungsgeschichtliche Bestandsaufnahme, historische Einordnung und primäre Funktion
- ️Fri Jul 21 2006
In der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts entstehen am Stadtrand von Rom außerhalb der aurelianischen Stadtmauer, an den großen Ausfallstraßen, sechs monumentale Basiliken: Die Basilika an der Via Nomentana (S. Agnese), die Basilika an der Via Tiburtina (S. Lorenzo), die Basilika an der Via Praenestina (Tor de‘ Schiavi), die Basilika an der Via Labicana (SS Pietro e Marcellino), die Basilika an der Via Appia (SS Apostoli), und die Basilika zwischen Via Appia und Via Ardeatina (S. Marco). Alle sechs Basiliken haben einen Umgang anstelle der Apsis, eine architektonische Form die im ganzen römischen Reich weder vorher noch später gefunden worden ist, also ein Unicum der Spätantike bleiben wird. Die allgemeine Annahme, dass aufgrund der einheitlichen Form und der planmäßigen Anordnung als Ring um die Stadt herum eine einheitliche Funktion zu vermuten ist und aufgrund der Nähe zu Märtyrergräbern mit einer spezifisch christlichen Funktion zu rechnen ist, wird in dieser Arbeit mittels der Methode des forschungsgeschichtlichen Ansatzes überprüft. Die Ergebnisse der Arbeit lauten folgendermaßen: Es gibt keine einheitliche primäre Funktion der sechs Basiliken mit Umgang und daher auch keine spezifisch christliche Funktion. Ebenso wenig spezifisch christlich ist die Herkunft der Bauform: Die schräge Frontseite bei vier dieser Basiliken mit Umgang weist auf die carceres des Zirkus hin, der Umgang auf die porticus der Villenarchitektur, die westliche Ausrichtung auf die Kultpraxis. Die Basilika mit Umgang stellt also eine spätantike Variante der Vielzweckbauform Basilika dar. Diese Bauform ist von Anfang an für Bestattungen bestimmt gewesen, wenngleich zunächst nur für die Gräber der kaiserlichen Stifter. Alle sechs Basilken sind bei aller Unterschiedlichkeit demnach primär für den Totenkult errichtet worden: Anhand der sechs Bauten wird in dieser Arbeit die Entwicklung vom spätantiken Toten- und Herrscherkult zum öffentlichen Toten- und Märtyrerkult nachgezeichnet. Als Ursache für die Einmaligkeit dieser Bauform ist zu konstatieren, dass die sozioökonomischen Bedingungen nur in Rom und nur im 4. Jahrhundert gegeben waren — der Kaiser, der bereit war, die Gebäude zu finanzieren, die Grundstücke, die der kaiserlichen Familie als Privatbesitz gehörten, die rechtliche Grundlage des Patrozinium und des Patrimonium. So prägten diese sechs Basiliken mit Umgang im 4. Jahrhundert viele Jahrzehnte lang aufgrund der Monumentalität die Ausfallstraßen er Stadt Rom und boten über die Totenfesttage hinaus, an denen sich eine große Menschenmenge versammelte, jedem, der in die Stadt kam, Gelegenheit dazu, hier dem Kaiser und der römischen Herrschaft zu gedenken, für seine Dynastie bei den divi und beim Gott der Christen zu beten, bei den Göttern und bei den Märtyrern um Beistand für Rom und für sich selbst zu bitten.