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Verfassungsschutz Mecklenburg Vorpommern - Hizb Allah (Partei Gottes)

  • ️Dieter Laatz

Hizb Allah (Partei Gottes)

gegründet: 1982 im Libanon
Leitung: Funktionärsgruppe
Mitglieder/Anhänger: ca. 800 (2002); (2001: 800)
Publikationen: u. a. "Al Ahd" (Die Verpflichtung), wöchentlich

Die schiitisch-extremistische, libanesische Hizb Allah (Partei Gottes) wurde 1982 nach der israelischen Militärinvasion im Libanon auf Betreiben des Iran von jüngeren libanesischen schiitischen Klerikern um deren geistlichen Führer Scheich Muhammad Husain Fadlallah gegründet. Dank massiver iranischer Unterstützung entwickelte sich die zunächst kleine, im wesentlichen aus radikalen Splittergruppen der 1975 von dem Schiitenführer Sayyid Musa as-Sadr gegründeten Amal-Miliz bestehende Gruppierung innerhalb kurzer Zeit zu einer militanten Sammlungsbewegung libanesischer Schiiten mit Schwerpunkt im Bekaa-Tal, Südlibanon und in den Vororten von Beirut. Die bis dahin führende vergleichsweise gemäßigte schiitische Amal-Miliz verlor Mitglieder an die Hizb Allah. Durch ihre Forderung nach einem islamischen Staat iranischen Vorbilds trat die Hizb Allah seit ihrer Gründung auf innerschiitischer Ebene quasi als Rivalin der Amal-Miliz an, die für eine zivile, säkulare Neuordnung der libanesischen Gesellschaft eintrat.

Vorbild für die Hizb Allah ist der revolutionäre Iran, die Lehren Khomeinis gelten als richtungsweisend. Das Fernziel der Organisation, die Umwandlung des Libanon in einen islamischen Staat nach iranischem Vorbild, ist zwischenzeitlich zugunsten einer pragmatischeren Haltung in den Hintergrund getreten. Nach Beendigung des libanesischen Bürgerkrieges 1991 veränderten sich auch die politischen Koordinaten für die Hizb Allah. Wiederholt verkündete sie, die Interessen der anderen Konfessionen im Libanon berücksichtigen zu wollen. Der Libanon könne nicht gegen den Willen der Mehrheit ein islamischer Staat werden. Diese Mehrheit sei aber nicht in Sicht, betonte der Gründer der Hizb Allah, Scheich Fadlallah, in einem Interview. In den Vordergrund der Propaganda traten nunmehr libanesische Belange wie der als nationale Pflicht für alle Libanesen bezeichnete Widerstand gegen die israelische Besetzung. Gleichwohl bestehen die engen Verbindungen der Hizb Allah zum Iran fort. Weiterhin ist erklärtes Ziel die Vernichtung Israels und die "Herrschaft des Islam" über Jerusalem.

Das Emblem der Hizb Allah weist auf deren politische Ausrichtung, es zeigt in arabischer Kunstschrift den Namen der Organisation "Hizb Allah" (Partei Gottes). Eine hochgereckte Faust hält die Kalaschnikow, über der geschrieben steht "Hizb Allah ist der Sieger". Die Unterzeile unter diesem Signet weist auf die politische Zielsetzung: "Islamische Revolution im Libanon!"

Die Hizb Allah wurde vom Iran nicht nur ideologisch inspiriert, sondern in der Folgezeit auch finanziell und militärisch unterstützt. Aus dem Iran erhielt die Hizb Allah zu Lebzeiten Khomeinis jährlich ungefähr 100 Millionen Dollar, von denen etwa 60 % in zivile und soziale Projekte flossen. Unter dem Dach der Hizb Allah agieren neben dem militärischen Arm "Al Moqawama Al Islamiya" (Islamischer Widerstand) verschiedene Wohlfahrtsorganisationen sowie eine seit 1992 im libanesischen Parlament vertretene libanesische Partei.

Die Hizb Allah zeigt sich als unversöhnlicher Gegner jeglicher Friedensabkommen im Nahen Osten. Hauptfeind der Hizb Allah ist der Staat Israel, gegen den sie mit menschenverachtender Brutalität einen unerbittlichen Kampf in Form von Bombenattentaten, auch auf zivile Einrichtungen, führt. Ziele waren dabei israelische Einrichtungen im Südlibanon, aber auch im Ausland - u. a. in Istanbul, Ankara und Buenos Aires. Auch nach dem Abzug der israelischen Armee aus der seit Sommer 1985 bestehenden Sicherheitszone im Südlibanon und der Auflösung der mit Israel verbündeten Südlibanesischen Armee im Mai 2000 setzten Einheiten der Hizb Allah Raketenangriffe sowohl auf militärische Einrichtungen als auch auf in Nordisrael gelegene Ortschaften fort. Die etwa 15 Kilometer tiefe Sicherheitszone hatte als Puffer gedient, um den Norden Israels vor Angriffen der Hizb Allah zu schützen.

"Islamischer Widerstand"

Die in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Hizb Allah-Anhänger agieren unter der Bezeichnung "Islamischer Widerstand". Sie sind weiterhin um die Verfestigung ihrer Strukturen bemüht, um ihren politischen Aktivitäten einen organisatorischen Rahmen zu geben. Wie auch in der Vergangenheit instruieren Funktionäre aus dem Libanon die Anhänger in den hiesigen Zweigorganisationen entsprechend der politischen Linie der Hizb Allah. Deutschland dient für die Hizb Allah genauso wie für die Muslimbruderschaft primär als logistisches Hinterland für Aktionen in den jeweiligen Heimatländern.

Treffpunkte der 110 konspirativ in Ortsgruppen organisierten Anhänger der sich u. a. durch Spendengelder finanzierenden Hizb Allah sind  Moscheen in Münster, Hannover, Braunschweig, Hildesheim sowie im Raum Osnabrück. Hinweise auf Gewaltaktionen der Hizb Allah in Deutschland liegen nicht vor. Ein zu berücksichtigender Faktor bleibt jedoch die Gewaltbereitschaft vieler im Libanon militärisch geschulter Anhänger der Hizb Allah.

Die Reaktionen aus dem Bereich der Hizb Allah auf die Terroranschläge am 11. September 2001 in New York und Washington sind als ambivalent zu bezeichnen. In einer am 18. September im Internet veröffentlichen Erklärung bedauerte die Hizb Allah zwar die Opfer der Anschläge, warnte die USA aber zugleich vor einer Fortführung ihrer Politik, die als ursächlich anzusehen sei für den Hass gegen die USA. Der Gründer der Hizb Allah und schiitische Gelehrte Scheich Fadlallah verurteilte in einem Zeitungsin-terview im Oktober die Terroranschläge gegen die USA:

"Wir befinden uns nicht in einem Krieg mit den USA. Was dort passiert ist, war keine Märtyreroperation, sondern ein Selbstmordattentat. Das rechtfertigt der islamische Glaube nicht."

Keine Islamische Bewegung könne nach Auffassung Fadlallahs allerdings die Existenz Israels akzeptieren. Die gewaltsame Eroberung fremden Landes und die Vertreibung der einheimischen Bevölkerung seien aus islamischer Sicht nicht zu rechtfertigen. Möglich sei allenfalls ein verlängerter Waffenstillstand. Weil sich die islamische Welt mit Israel im Kriegszustand befinde, seien dort auch "Märtyreraktionen" erlaubt.