Rückert
- ️Thomas Kraft
Ich, der schönste Besenbinder,
Welcher je durchzog das Land,
Binde nur für schöne Kinder,
Schöne Kinder seid zur Hand!
Besen von dem besten Schnitte,
Besen von der feinsten Sitte,
Besen voll von Zauberkraft,
Wie sie euch kein andrer schafft.
Häßliche, gebückte, lahme,
Alte, die gekehrt ihr Teil,
Bleibet fern von meinem Krame,
Euch ist hier kein Besen feil.
Meine Besen keck von Schwunge
Regen sich allein für junge,
Und für euch nur, sehet ihr?
Euch zu kehren fort von hier.
Du mit träumerischem Wesen,
Weiß ich doch, was dir gebührt,
Daß du brauchest einen Besen,
Welcher sich von selber rührt.
Hier will ich dir einen geben,
Brauchest nicht die Hand zu heben,
Magst ihm zusehn wohlgemut,
Wie er seine Arbeit tut.
Du mit dem gerümpften Näschen,
Bin ich anders recht belehrt,
Wohl gefiele dir ein Beschen,
Das vor fremden Türen kehrt;
Nimm mein niedlichstes von allen,
Geh und tu nach Wohlgefallen!
Machst du's nur fein säuberlich,
Lobt auch deine Arbeit sich.
Du mit lächelndem Erröten,
Eines werd ich wohl gewahr,
Daß du bist in großen Nöten
Vor zu großer Freierschar.
Nimm den Besen meinetwegen,
Der das Haus dir rein mag fegen;
Alle Freier feg er fort,
Lasse dir den liebsten dort.
Aber du, die ewig neue,
Der nichts altes wohlgefällt;
Daß die Gabe dich erfreue,
Nimm den Besen, der nicht hält.
Alle Nacht in Stücken geh er,
Alle Morgen neu ersteh er,
Und vergessen sei's dabei,
Daß es doch der alte sei.
Du zuletzt, o meine Liebe,
Die mich selbst zum Gott gemacht;
Daß für dich das beste bliebe,
Hab' ich schon zuvor bedacht.
Aus dem Busen, der es hegte,
Wo ich dir zurück es legte,
Statt des Besens nimm zum Preis
Dieses schönste Myrtenreis.
In dem freundlichen Bezirke
Deiner stillen Häuslichkeit,
Wo es schaffe, wo es wirke,
Zaubr' es dir Zufriedenheit!
Alle Sorgen von dir feg es,
Nie kein Stäubchen dir erreg es;
Ja, und mach' ich dir's zu kraus,
Feg auch mich als Kehricht aus!
Auf Erden gehest du
Auf Erden gehest du und bist der Erden Geist;
Die Erd erkennt dich nicht, die dich mit Blüten preist.
Auf Sonnen stehest du und bist der Sonne Geist;
Die Sonn erkennt dich nicht, die dich mit Strahlen preist.
Im Winde wehest du und bist der Lüfte Geist;
Die Luft erkennt dich nicht, die dich mit Atmen preist.
Auf Wassern gehest du und bist des Wassers Geist;
Das Wasser kennt dich nicht, das dich mit Rauschen preist.
Im Herzen stehest du und bist der Liebe Geist;
Und dich erkennt das Herz, das dich mit Liebe preist.
Aus den östlichen Rosen
Ich sende einen Gruß wie Duft der Rosen,
Ich send' ihn an ein Rosenangesicht.
Ich sende einen Gruß wie Frühlingskosen,
Ich send' ihn an ein Aug voll Frühlingslicht.
Aus Schmerzensstürmen, die mein Herz durchtosen,
Send' ich den Hauch, dich unsanft rühr' er nicht!
Wenn du gedenkest an den Freudelosen,
So wird der Himmel meiner Nächte licht.
Barbarossa
Der alte Barbarossa,
Der Kaiser Friederich,
Im unterirdschen Schlosse
Hält er verzaubert sich.
Er ist niemals gestorben,
Er lebt darin noch jetzt;
Er hat im Schloß verborgen
Zum Schlaf sich hingesetzt.
Er hat hinabgenommen
Des Reiches Herrlichkeit,
Und wird einst wiederkommen,
Mit ihr, zu seiner Zeit.
Der Stuhl ist elfenbeinern,
Darauf der Kaiser sitzt:
Der Tisch ist marmelsteinern,
Worauf sein Haupt er stützt.
Sein Bart ist nicht von Flachse,
Er ist von Feuersglut,
Ist durch den Tisch gewachsen,
Worauf sein Kinn ausruht.
Er nickt als wie im Traume,
Sein Aug halb offen zwinkt;
Und je nach langem Raume
Er einem Knaben winkt.
Er spricht im Schlaf zum Knaben:
Geh hin vors Schloß, o Zwerg,
Und sieh, ob noch die Raben
Herfliegen um den Berg.
Und wenn die alten Raben
Noch fliegen immerdar,
So muß ich auch noch schlafen
Verzaubert hundert Jahr.
Blicke mir nicht in die Lieder ...
Blicke mir nicht in die Lieder!
Meine Augen schlag' ich nieder,
Wie ertappt auf böser Tat.
Selber darf ich nicht getrauen,
Ihrem Wachsen zuzuschauen.
Deine Neugier ist Verrat!
Bienen, wenn sie Zellen bauen,
Lassen auch nicht zu sich schauen,
Schauen selbst auch nicht zu.
Wenn die reichen Honigwaben
Sie zu Tag gefördert haben,
Dann vor allen nasche du!
Chidher
Chidher, der ewig junge, sprach:
Ich fuhr an einer Stadt vorbei,
Ein Mann im Garten Früchte brach;
Ich fragte, seit wann die Stadt hier sei?
Er sprach, und pflückte die Früchte fort:
Die Stadt steht ewig an diesem Ort,
Und wird so stehen ewig fort.
Und aber nach fünfhundert Jahren
Kam ich desselbigen Wegs gefahren.
Da fand ich keine Spur der Stadt;
Ein einsamer Schäfer blies die Schalmei,
Die Herde weidete Laub und Blatt;
Ich fragte: wie lang ist die Stadt vorbei?
Er sprach, und blies auf dem Rohre fort:
Das eine wächst, wenn das andre dorrt;
Das ist mein ewiger Weideort.
Und aber nach fünfhundert Jahren
Kam ich desselbigen Wegs gefahren.
Da fand ich ein Meer, das Wellen schlug,
Ein Schiffer warf die Netze frei,
Und als er ruhte vom schweren Zug,
Fragt ich, seit wann das Meer hier sei?
Er sprach, und lachte meinem Wort:
Solang als schäumen die Wellen dort,
Fischt man und fischt man in diesem Port.
Und aber nach fünfhundert Jahren
Kam ich desselbigen Wegs gefahren.
Da fand ich einen waldigen Raum,
Und einen Mann in der Siedelei,
Er fällte mit der Axt den Baum;
Ich fragte, wie alt der Wald hier sei?
Er sprach: der Wald ist ein ewiger Hort;
Schon ewig wohn ich an diesem Ort,
Und ewig wachsen die Bäum hier fort.
Und aber nach fünfhundert Jahren
Kam ich desselbigen Wegs gefahren.
Da fand ich eine Stadt, und laut
Erschallte der Markt vom Volksgeschrei.
Ich fragte: seit wann ist die Stadt erbaut?
Wohin ist Wald und Meer und Schalmei?
Sie schrien, und hörten nicht mein Wort:
So ging es ewig an diesem Ort,
Und wird so gehen ewig fort.
Und aber nach fünfhundert Jahren
Will ich desselbigen Weges fahren.
Der Frost hat mir bereifet des Hauses Dach …
Der Frost hat mir bereifet des Hauses Dach;
Doch warm ist mir's geblieben im Wohngemach.
Der Winter hat die Scheitel mir weiß gedeckt;
Doch fließt das Blut, das rote, durchs Herzgemach.
Der Jugendflor der Wangen, die Rosen sind
Gegangen, all gegangen einander nach -
Wo sind sie hingegangen? ins Herz hinab:
Da blühn sie nach Verlangen, wie vor so nach.
Sind alle Freudenströme der Welt versiegt?
Noch fließt mir durch den Busen ein stiller Bach.
Sind alle Nachtigallen der Flur verstummt?
Noch ist bei mir im Stillen hier eine wach.
Sie singet: "Herr des Hauses! verschleuß dein Tor,
Daß nicht die Welt, die kalte, dring ins Gemach.
Schleuß aus den rauher Odem der Wirklichkeit,
Und nur dem Duft der Träume gib Dach und Fach!"
Ich habe Wein und Rosen in jedem Lied,
und habe solcher Lieder noch tausendfach.
Vom Abend bis zum Morgen und Nächte durch
will ich dir singen Jugend und Liebesweh.
Der Himmel hat eine Träne geweint …
Der Himmel hat eine Träne geweint,
Die hat sich ins Meer verlieren gemeint.
Die Muschel kam und schloß sie ein:
Du sollst nun meine Perle sein.
Du sollst nicht vor den Wogen zagen,
Ich will hindurch dich ruhig tragen.
O du mein Schmerz, du meine Lust,
Du Himmelsträn' in meiner Brust!
Gib, Himmel, daß ich in reinem Gemüte
Den reinsten deiner Tropfen hüte.
Der Jasminstrauch
Grün ist der Jasminenstrauch
abends eingeschlafen.
Als ihn, mit des Morgens Hauch,
Sonnenlichter trafen,
ist er schneeweiss aufgewacht,
"Wie geschah mir in der Nacht?"
Seht, so geht es Bäumen,
die im Frühling träumen!
Der furchtsame Riese
Sonne stand am Himmel schief,
lange Schatten warfen Zwerge,
Riese saß auf seinem Berge,
sah die Schatten und entlief.
Des Glockenthürmers Töchterlein
Mein hochgebornes Schätzelein,
Des Glockenthürmers Töchterlein,
Mahnt mich bei Nacht und Tage
Mit jedem Glockenschlage:
»Gedenke mein! gedenke mein!«
Mein hochgebornes Schätzelein,
Des Glockenthürmers Töchterlein,
Ruft mich zu jeder Stunde
Wohl mit der Glocken Munde:
»Ich harre dein! ich harre dein!«
Mein hochgebornes Schätzelein,
Des Glockenthürmers Töchterlein,
Es stellt die Uhr mit Glücke,
Bald vor und bald zurücke,
So wie's uns mag gelegen sein.
Mein hochgebornes Schätzelein,
Sollt' es nicht hochgeboren sein?
Der Vater hochgeboren,
Die Mutter, hocherkoren,
Hat hoch gebor'n ihr Töchterlein.
Mein hochgebornes Schätzelein,
Ist nicht hochmüthig, das ist fein;
Es kommt ja hin und wieder
Von seiner Höh' hernieder
Zu mir gestieg'n im Mondenschein.
Mein hochgebornes Schätzelein,
Sprach jüngst:
»Der alte Thurm fällt ein,
Man merkt's an seinem Wanken,
Will nicht in Lüften schwanken,
Will dein zu eb'ner Erde sein.«
Die Stern ob mir
Die Stern ob mir, sie gehn am Himmel heiter hin;
Stell um mein Lager, Herr! die lichten Streiter hin !
Und soll ich auf dem harten Stein wie Jakob ruhn,
So stell in meinen Traum auch Jakobs Leiter hin.
Die glückliche Gärtnerhand
Welch ein Gärtner auf Erden kann sich rühmen
Solcher glücklichen Hand wie ich! Ein schönes
Bäumchen streichelt' ich, um den jungen Wildling
Mir zu schmeidigen, täglich mit den Händen.
Unterm Streicheln, o Wunder, sind am glatten,
Schlanken, hölzernen Stämmchen unversehens
Mir zwei Äpfelchen in die Hand gewachsen.
Die goldne Hochzeit
"Brechet auf den Felsenschacht,
Der geruht hat lang;
Zieht hervor aus seiner Nacht
Goldnen Überschwang!
Sprenget auf den Grubengang,
Daß die Wunderpracht,
Die er längst in sich verschlang
Sei an's Licht gebracht!"
Höret ihr, wie auf den Höhn
Zither spielt der Geist,
Wie uns lockend sein Getön
Hier zur Bergwand weist?
Rühret Arm' und Waffen dreist,
Wühlet mit Gedröhn,
Bis der Fund, den er verheißt,
Daliegt goldenschön! -
Und die Schar der Knappen bringt,
Sonder Zeitverlust,
Schaufel, Karst und Hack', und schwingt
Sie mit Macht und Lust,
Bis ihr Fleiß den tauben Wust
Des Gesteins bezwingt,
Und entgegen Erzgekrust
Ihren Streichen springt.
Aber aus dem offenen Spalt
Was man sich verspricht,
Zieht man jetzt den Reichgehalt
Schweren Goldes nicht;
Staunend aus der Nacht ans Licht
Zieht man die Gestalt
Eines Jünglings, von Gesicht
Schön, doch todeskalt.
Und da liegt er jung und zart,
Wie ein Lilienreis;
Ihn bewundernd steht geschart
Rings ein weiter Kreis.
Recht als ob zu Gottes Preis
Er sei aufbewahrt,
Liegt er da, geschmückt mit Fleiß,
Wie nach Bräut'gams Art.
Gold ist seiner Schuhe Rand,
Goldstoff wunderklar
Wirkt sein schlichtes Leibgewand
Ihm zum Festtalar;
Golden schlingt der Ringe Paar
Sich um jede Hand,
Und um sein schon goldnes Haar
Spielt ein goldnes Band.
Kann die Erd' im stillen Raum,
Wo sie Wunder tut,
Wandeln so in goldnen Traum
Staub, Gebein und Blut?
Selbst der Strauß, der ihm geruht,
An des Busens Saum
Blüht verwandelt, wohlbehuht
Dort als goldner Baum.
Wer sagt an, wie lang es mag
Sein, daß er verscholl?
Schlaget eure Chronik nach,
Die es wissen soll!
Seht, da steht: Im Berggeroll
Heut ein Knapp' erlag.
Heut? ja, fünfzig Jahre voll
Zählts bis heut zum Tag.
Niemand mehr, der ihn gekannt,
Der befreundt ihm war?
Dem er Bruder war genannt,
Oder Liebster gar?
Hätt' umsonst ihn, wunderbar
Uns der Geist gesandt?
Halt! hier stellt sich eines dar,
Dem er ist verwandt.
Durch den Strom der Menge bricht,
Die mit Staunen weicht,
Eine Greisin; stört sie nicht,
Wie sie näher schleicht!
Die, wie sie den Platz erreicht,
Tränend ihr Gesicht
Zu dem Jüngling niederneigt,
dann es hebt und spricht:
Nein! ob schweigen auch der Mund
Eurer Bücher mag,
Eine treue Todeskund'
ist ihm blieben nach;
Treu, wie er bewahret lag
in des Felsens Schlund,
Lag er auch bis diesen Tag
Mir in Herzens Grund.
Die ihr mich von Haupt und Haar
zitternd und ergraut
Sehet, heut vor fünfzig Jahr
War ich seine Braut.
Er hier, den ihr vor mir schaut
Liegen goldenklar,
Sollt als Bräut'gam mir vertraut
Werden am Altar.
Wartend stand das Brautgemach
Auf den Bräutigam,
Als mit ihm die Bergschlucht brach,
Ihn hinunter nahm.
Nicht einmal zu Ohren kam
Mir sein letztes Ach,
Statt des Bräut'gams kam der Gram
Zu mir tausendfach.
Fünfundzwanzig Jahr ist viel,
Wer sie zählt wie ich;
Langsam zählt' ich, bis zum Ziel
Fünfundzwanzig schlich.
Als das Haar schon silberlich
Um die Stirne fiel
Fand die Silberhochzeit mich
Ohne Tanz und Spiel.
Fünfundzwanzig noch einmal
Gingen mir vorbei,
Daß ich heut, gebückt und kahl,
Goldhochzeitrin sei.
Welche Wunderzauberei
Bringt an Tages Strahl
Mir zur Goldhochzeit herbei
Golden den Gemahl?
Aber, weh, darf ich mich nahn
Dir mit Liebkosung?
Du bist schimmernd angetan
Golden, schön und jung.
Barg Dich Grabes Dämmerung
Vor der Zeiten Zahn?
Doch mich traf Verwitterung
Auf des Lebens Bahn.
Himmels Mächte, deren Schluß
Aus des Todes Reich
Ihn zu hochzeitlichem Gruß
Sendet schimmerreich;
Ach was hilft's, wenn todesbleich
Ich ihm bleiben muß,
Braut dem Bräutigam nicht gleich
Wird im Liebeskuß!
Also ruft sie, schweigt und bückt
sich dem Jüngling nah,
Auf die frische Lippe drückt
Sie die welke, ha!
Eh sie weiß, wie ihr geschah,
Hat es sie durchzückt,
Schön verwandelt steht sie da,
Jugendlich geschmückt.
Leuchtend, wie ihr Junggesell,
Selbst ein Jungfraunbild,
Steht sie da, ihr Aug' ein Quell,
Der von Feuer quillt.
Ihrer Wange Rose schwillt
Und der Locken Well',
Weils der goldnen Hochzeit gilt,
Wallet golden hell.
Also steht sie dort, und hebt
Sanft den Blick auf ihn,
Und ein täuschend Lächeln webt
Flüchtig über ihn;
Wie sie so sieht lächeln ihn,
Schrickt sie auf und bebt
Ihre Leiche sinkt auf ihn,
Ihre Seel entschwebt.
Die bewegte Meng' umkreist
Still das ruh'nde Paar,
Das, an Jahren hochergreist,
Jung gestorben war.
Fern herüber hell und klar
Zither spielt der Geist
Über der erstaunten Schar,
Die sein Wunder preist.
Die verzauberte Jungfrau
Die Jungfrau, die verzaubert dort
Sitzt in der Höhle Grunde,
Hat auf Erlösung fort und fort
Gewartet bis zur Stunde;
Wer sich an die Erlösung wagt,
Muß einen Kuß nur unverzagt
Aufdrücken ihrem Munde.
Allein beim Küssen ziert sie sich,
Und gar nicht hold jungfräulich,
Verwandelnd umgebiert sie sich
In viel Gestalten greulich,
Daß nur ein unerschrockner Mann
Es ansehn und sie küssen kann,
Wie sie sich stellt abscheulich.
Da war ein Schneider jung und keck,
Der kühnste Mann auf Erden,
Dem saß das Herz am rechten Fleck:
Magst du dich nur gebärden!
Und was du tust und was du sagst,
Und wie du dich verwandeln magst,
Du sollst erlöset werden.
Die Jungfrau ward von Angesicht
Zum schrecklichsten der Drachen;
Der tapfre Schneider zittert nicht,
Und küßt sie auf den Rachen;
Die Jungfrau wird ein grimmer Leu,
Schon will der Schneider auch nicht scheu
Zum Kuß sich fertig machen.
Die Jungfrau wird zum Krokodil,
Er will zum Kusse schreiten;
Und wie sie sich verwandeln will,
Er wird sie doch erstreiten.
Zuletzt wird sie ein Ziegenbock,
Da rennt er über Stock und Block:
Dich mag der Teufel reiten!
Du bist die Ruh …
Du bist die Ruh,
Der Friede mild,
Die Sehnsucht du
Und was sie stillt.
Ich weihe dir
Voll Lust und Schmerz
Zur Wohnung hier
Mein Aug und Herz.
Kehr ein bei mir,
Und schließe du
Still hinter dir
Die Pforten zu.
Treib andern Schmerz
Aus dieser Brust!
Voll sei dies Herz
Von deiner Lust.
Dies Augenzelt
Von deinem Glanz
Allein erhellt,
O füll es ganz!
Gräme dich nicht!
Jakob! dein verlorener Sohn
Kehret wieder,
O gräme dich nicht!
Die Erhörung von Gottes Thron
Steigt hernieder,
O gräme dich nicht!
Dieses traurige Herz wird einst
Ruh genießen,
O sei nicht betrübt!
Jede Träne, welche du weinst,
Wird zerfließen,
O gräme dich nicht!
Wenn zur harrenden Erdenbraut
Mit Liebkosen
Der Frühling kehrt,
Wird der Nachtigall Nest gebaut
Unter Rosen
O gräme dich nicht.
Wenn der Strom des Verderbens braust
Uebers Gemäuer
Irdischer Lust,
Du, von der Arche des Herrn behaust,
Trau dem Steuer,
O gräme dich nicht!
Zwar bedenklich ist unser Gang,
Wo wir uns wenden,
Kein Ziel zu sehn;
Aber ein jeder Weg, wie lang,
Muß einst enden
O gräme dich nicht.
Erscheinung der Schnitterengel
Die Mägdelein
Im Mondenschein,
Die Schnitterinnen tanzen,
Die Kleider sind
Im Abendwind
Geworfen auf die Pflanzen;
Sie tanzen wie sie Gott erschaffen,
Es wird sich niemand hier vergaffen;
Und wenn der Mond sich will verschanzen,
Mag er ein Wölkchen raffen.
Allein, wer kommt?
Nun Eile frommt,
Zu schlüpfen in die Röckchen.
Wer ist der Narr?
Ach Gott, der Pfarr'!
Er geht an seinem Stöckchen.
Der Schreck verwirrt die Tänzerinnen,
Die jeden Rock verkehrt gewinnen;
Da sprach das jüngste klügste Döckchen
Mit unverstörten Sinnen:
Wie toll ihr seid!
Wollt ihr im Kleid
Erscheinen und euch nennen?
Er kennt euch nicht
Am Angesicht,
Im Rock wird er euch kennen.
Wir tanzen wie uns Gott erschaffen,
Er ist zu alt sich zu vergaffen,
Und wenn er fürchtet anzubrennen,
Mag er hinweg sich raffen.
Er sieht den Tanz
Im Mondenglanz,
Die Wesen ohne Mängel;
Sie kamen nur
Von höhrer Flur,
Doch ohne Lilienstengel.
Still geht er heim auf seinen Wegen,
Und danket Gott beim Schlafenlegen,
Daß er gesehn die Schnitterengel,
Bedeutend Erntesegen.
Und als nun gar
Gedroschen war,
Die Mägde stehn betroffen;
Dort war's so schwül,
Nun ist's so kühl;
Der Buße Tor ist offen:
Jedwede bringt aus freiem Triebe
Ein Mäßlein, wohl gefegt im Siebe,
Dem Pfarrherrn, daß des Segens Hoffen
Ihm unerfüllt nicht bliebe.
Gestillte Sehnsucht
In gold'nen Abendschein getauchet,
Wie feierlich die Wälder stehn!
In leise Stimmen der Vöglein hauchet
Des Abendwindes leises Weh'n.
Was lispeln die Winde, die Vögelein?
Sie lispeln die Welt in Schlummer ein.
Ihr Wünsche, die ihr stets euch reget
Im Herzen sonder Rast und Ruh!
Du Sehnen, das die Brust beweget,
Wann ruhest du, wann schlummerst du?
Beim Lispeln der Winde, der Vögelein,
Ihr sehnenden Wünsche, wann schlaft ihr ein?
Was kommt gezogen auf Traumesflügeln?
Was weht mich an so bang, so hold?
Es kommt gezogen von fernen Hügeln,
Es kommt auf bebendem Sonnengold.
Wohl lispeln die Winde, die Vögelein,
Das Sehnen, das Sehnen, es schläft nicht ein.
Ach, wenn nicht mehr in gold'ne Fernen
Mein Geist auf Traumgefieder eilt,
Nicht mehr an ewig fernen Sternen
Mit sehnendem Blick mein Auge weilt;
Dann lispeln die Winde, die Vögelein
Mit meinem Sehnen mein Leben ein.
Herbsthauch
Herz, nun so alt und noch immer nicht klug,
Hoffst du von Tagen zu Tagen,
Was dir der prangende Frühling nicht trug
Werde der Herbst dir noch tragen?
Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch
Immer zu schmeicheln, zu kosen,
Rosen entfaltet am Morgen sein Hauch,
Abends zerstreut er die Rosen.
Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
bis er ihn völlig gelichtet.
Alles, o Herz, ist ein Wind und ein Hauch,
Was wir geliebt und gedichtet.
Herbstlied
Herz, nun so alt und noch immer nicht klug,
Hoffst du von Tagen zu Tagen,
Was dir der blühende Frühling nicht trug,
Werde der Herbst dir noch tragen!
Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
Immer zu schmeicheln, zu kosen.
Rosen entfaltet am Morgen sein Hauch,
Abends verstreut er die Rosen.
Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
Bis er ihn völlig gelichtet.
Alles, o Herz, ist ein Wind und ein Hauch,
Was wir geliebt und gedichtet.
Ich atmet' einen linden Duft ...
Ich atmet' einen linden Duft!
Im Zimmer stand
Ein Zweig der Linde,
Ein Angebinde
Von lieber Hand.
Wie lieblich war der Lindenduft!
Wie lieblich ist der Lindenduft!
Das Lindenreis
Brachst du gelinde!
Ich atme leis
Im Duft der Linde
Der Liebe linden Duft.
Ich bin der Welt abhanden gekommen …
Ich bin der Welt abhanden gekommen,
Mit der ich sonst viele Zeit verdorben,
Sie hat so lange nichts von mir vernommen,
Sie mag wohl glauben, ich sei gestorben!
Es ist mir auch gar nichts daran gelegen,
Ob sie mich für gestorben hält,
Ich kann auch gar nichts sagen dagegen,
Denn wirklich bin ich gestorben der Welt.
Ich bin gestorben dem Weltgetümmel,
Und ruh' in einem stillen Gebiet!
Ich leb' allein in meinem Himmel,
In meinem Lieben, in meinem Lied!
Ich hab' in mich gesogen …
Ich hab' in mich gesogen,
Den Frühling treu und lieb,
Daß er, der Welt entflogen,
Hier in der Brust mir blieb.
Hier sind die blauen Lüfte,
Hier sind die grünen Au'n,
Die Blumen hier, die Düfte,
Der blühende Rosenzaun.
Und hier am Busen lehnet
Mit süßem Liebes-Ach,
Die Liebste, die sich sehnet
Den Frühlingswonnen nach.
Sie lehnt sich an zu lauschen
Und hört in stiller Lust
Die Frühlingsströme rauschen
In ihres Dichters Brust.
Da quellen auf die Lieder
Und strömen über sie
Den vollsten Frühling nieder,
Den mir der Gott verlieh.
Und wie sie, davon trunken,
Umblicket rings im Raum,
Blüht auch von ihren Funken
Die Welt, ein Frühlingstraum.
In diesem Wetter, in diesem Braus …
In diesem Wetter, in diesem Braus,
Nie hätt' ich gesendet die Kinder hinaus!
Man hat sie getragen hinaus,
Ich durfte nichts dazu sagen!
In diesem Wetter, in diesem Saus,
Nie hätt' ich gelassen die Kinder hinaus,
Ich fürchtete sie erkranken;
Das sind nun eitle Gedanken,
In diesem Wetter, in diesem Graus,
Nie hätt' ich gelassen die Kinder hinaus,
Ich sorgte, sie stürben morgen;
Das ist nun nicht zu besorgen.
In diesem Wetter, in diesem Graus,
Nie hätt' ich gesendet die Kinder hinaus,
Man hat sie hinaus getragen,
Ich durfte nichts dazu sagen!
In diesem Wetter, in diesem Saus,
In diesem Braus,
Sie ruh'n als wie in der Mutter Haus,
Von keinem Sturm erschrecket,
Von Gottes Hand bedecket,
Sie ruh'n wie in der Mutter Haus.
KlageSo weit nun hab ichs schon gebracht
Mit meinem Schmerz bei Tag und Nacht,
Daß ich dich lieber weiß begraben,
Als sollt ich nie gehabt dich haben.
Doch daß ich nicht, wär mirs verliehen,
Dich wieder möcht hernieder ziehen
Mit meinem Schmerz bei Tag und Nacht,
Soweit hab ichs noch nicht gebracht.
Kleiner Haushalt
Einen Haushalt klein und fein
Hab' ich angestellt;
Der soll mein Freund sein,
Dem er wohlgefällt.
Der Specht, der Holz mit dem Schnabel haut,
Hat das Haus mir aufgebaut;
Daß das Haus beworfen sei,
Trug die Schwalbe Mörtel bei,
Und als Dach hat sich zuletzt
Obendrauf ein Schwamm gesetzt.
Drinnen die Kammern
Und die Gemächer,
Schränke und Fächer,
Flimmern und flammern;
Alles hat mir unbezahlt
Schmetterling mit Duft bemalt.
O wie rüstig in dem Haus
Geht die Wirtschaft ein und aus.
Wasserjüngferchen, das flinke,
Holt mir Wasser, das ich trinke;
Biene muß mir Essen holen,
Frage nicht, wo sie's gestohlen.
Schüsseln sind die Eichelnäpfchen,
Und die Krüge Tannenzäpfchen,
Messer, Gabel,
Rosendorn und Vogelschnabel.
Storch im Haus ist Kinderwärter,
Maulwurf Gärtner,
Und Beschließerin im Häuslein
Ist das Mäuslein.
Aber die Grille
Singt in der Stille,
Sie ist das Heimchen, ist immer daheim,
Und weiß nichts als den einen Reim.
Doch im ganzen Haus das beste
Schäft noch feste.
In dem Winkel, in dem Bettchen,
Zwischen zweien Rosenblättchen,
Schläft das Schätzchen Tausendschönchen,
Ihr zu Fuß ein Kaiserkrönchen.
Hüter ist Vergißmeinnicht,
Der vom Bette wanket nicht;
Glühwurm mit dem Kerzenschimmer
Hellt das Zimmer.
Die Wachtel wacht
Die ganze Nacht,
Und wenn der Tag beginnt,
Ruft sie: Kind! Kind!
Wach auf geschwind.
Wenn die Liebe wachet auf,
Geht das Leben raschen Lauf.
In seidnen Gewändern,
Gewebt aus Sommerfaden,
In flatternden Bändern,
Von Sorgen unbeladen,
Lustig aus dem engen Haus
Die Flur hinaus.
Schönen Wagen
Hab' ich bestellt,
Uns zu tragen
Durch die Welt.
Vier Heupferdchen sollen ihn
Als vier Apfelschimmel ziehn;
Sie sind wohl ein gut Gespann,
Das mit Rossen sich messen kann;
Sie haben Flügel,
Sie leiden nicht Zügel,
Sie kennen alle Blumen der Au',
Und alle Tränken von Tau genau.
Es geht nicht im Schritt;
Kind, kannst du mit?
Es geht im Trott!
Nur zu mit Gott!
Laß du sie uns tragen
Nach ihrem Behagen;
Und wenn sie uns werfen vom Wagen herab,
So finden wir unter Blumen ein Grab.
Lachen und Weinen
Lachen und Weinen zu jeglicher Stunde
Ruht bei der Lieb auf so mancherlei Grunde.
Morgens lacht ich vor Lust,
Und warum ich nun weine
Bei des Abends Scheine,
Ist mir selb' nicht bewußt.
Weinen und Lachen zu jeglicher Stunde
Ruht bei der Lieb auf so mancherlei Grunde.
Abends weint ich vor Schmerz;
Und warum du erwachen
Kannst am Morgen mit Lachen,
Muß ich dich fragen, o Herz.
Liebst du um Schönheit, o nicht mich liebe!
Liebe die Sonne, sie trägt ein goldnes Haar!
Liebst du um Jugend, o nicht mich liebe!
Liebe der Frühling, der jung ist jedes Jahr!
Liebst du um Schätze, o nicht mich liebe!
Liebe die Meerfrau, sie hat viel Perlen klar!
Liebst du um Liebe, o ja, mich liebe!
Liebe mich immer, dich lieb' ich immerdar.
Mit vierzig Jahren
Mit vierzig Jahren ist der Berg erstiegen,
Wir stehen still und schaun zurück;
Dort sehen wir der Kindheit stilles liegen
Und dort der Jugend lautes Glück.
Noch einmal schau, und dann gekräftigt weiter
Erhebe deinen Wanderstab!
Hindehnt ein Bergesrücken sich, ein breiter,
Und hier nicht, drüben geht's hinab.
Nicht atmend aufwärts brauchst du mehr zu steigen,
Die Ebene zieht von selbst dich fort;
Dann wird sie sich mit dir unmerklich neigen,
Und eh' du's denkst, bist du im Port.
Nach Tschelaleddin Rumi
Wohl endet Tod des Lebens Not,
Doch schauert Leben vor dem Tod.
Das Leben sieht die dunkle Hand,
Den hellen Kelch nicht, den sie bot.
So schauert vor der Lieb ein Herz,
Als wie von Untergang bedroht.
Denn wo die Lieb erwachet, stirbt
Das Ich, der dunkele Despot.
Du laß ihn sterben in der Nacht
Und atme frei im Morgenrot.
Nun seh' ich wohl, warum so dunkle Flammen …
Nun seh' ich wohl, warum so dunkle Flammen
Ihr sprühtet mir in machem Augenblicke.
O Augen! O Augen!
Gleichsam, um voll in einem Blicke
Zu drängen eure ganze Macht zusammen.
Doch ahnt' ich nicht, weil Nebel mich umschwammen,
Gewoben, vom verblendenden Geschicke,
Daß sich der Strahl bereits zur Heimkehr schicke,
Dorthin, von wannen alle Strahlen stammen.
Ihr wolltet mir mit eurem Leuchten sagen:
Wir möchten nah dir bleiben gerne!
Doch ist uns das vom Schicksal abgeschlagen.
Sieh' uns nur an, denn bald sind wir dir ferne!
Was dir nur Augen sind in diesen Tagen:
In künft'gen Nächten sind es dir nur Sterne.
Nun will die Sonn' so hell aufgehn …
Nun will die Sonn' so hell aufgehn,
Als sei kein Unglück die Nacht geschehn!
Das Unglück geschah nur mir allein!
Die Sonne, sie scheinet allgemein!
Du musst nicht die Nacht in dir verschränken,
Musst sie ins ew'ge Licht versenken!
Ein Lämplein verlosch in meinem Zelt!
Heil sei dem Freudenlicht der Welt!
Oft denk' ich, sie sind nur ausgegangen …
Oft denk' ich, sie sind nur ausgegangen!
Bald werden sie wieder nach Hause gelangen!
Der Tag ist schön! O sei nicht bang!
Sie machen nur einen weiten Gang!
Jawohl, sie sind nur ausgegangen
Und werden jetzt nach Hause gelangen!
O, sei nicht bang, der Tag is schön!
Sie machen nur den Gang zu jenen Höh'n! Sie sind uns nur vorausgegangen
Und werden nicht wieder nach Hause gelangen!
Wir holen sie ein auf jenen Höh'n
Im Sonnenschein!
Der Tag is schön auf jenen Höh'n!
Parabel
Es ging ein Mann im Syrerland,
Führt' ein Kamel am Halfterband.
Das Tier mit grimmigen Gebärden
Urplötzlich anfing, scheu zu werden,
Und tat so ganz entsetzlich schnaufen,
Der Führer vor ihm mußt' entlaufen.
Er lief und einen Brunnen sah
Von ungefähr am Wege da.
Das Tier hört er im Rücken schnauben,
Das mußt' ihm die Besinnung rauben.
Er in den Schacht des Brunnens kroch,
Er stürzte nicht, er schwebte noch.
Gewachsen war ein Brombeerstrauch
Aus des geborstnen Brunnens Bauch;
Daran der Mann sich fest tat klammern,
Und seinen Zustand drauf bejammern.
Er blickte in die Höh', und sah
Dort das Kamelhaupt furchtbar nah,
Das ihn wollt oben fassen wieder.
Dann blickt er in den Brunnen nieder;
Da sah am Grund er einen Drachen
Aufgähnen mit entsperrten Rachen,
Der drunten ihn verschlingen wollte,
Wenn er hinunterfallen sollte.
So schwebend in der beiden Mitte
Da sah der Arme noch das Dritte.
Wo in die Mauerspalte ging
Des Sträuchleins Wurzel, dran er hing,
Da sah er still ein Mäusepaar,
Schwarz eine, weiß die andere war.
Er sah die schwarze mit der weißen
Abwechselnd an der Wurzel beißen.
Sie nagten, zausten, gruben, wühlten,
Die Erd' ab von der Wurzel spülten;
Und wie sie rieselnd niederrann,
Der Drach im Grund aufblickte dann,
Zu sehn, wie bald mit seiner Bürde
Der Strauch entwurzelt fallen würde.
Der Mann in Angst und Furcht und Not,
Umstellt, umlagert und umdroht,
Im Stand des jammerhaften Schwebens,
Sah sich nach Rettung um vergebens.
Und, da er also um sich blickte,
Sah er ein Zweiglein, welches nickte
Vom Brombeerstrauch mit reifen Beeren;
Da konnt' er doch der Lust nicht wehren.
Er sah nicht des Kameles Wut,
Und nicht den Drachen in der Flut,
Und nicht der Mäuse Tückespiel,
Als ihm die Beer' ins Auge fiel.
Er ließ das Tier von oben rauschen,
Und unter sich den Drachen lauschen,
Und neben sich die Mäuse nagen,
Griff nach den Beerlein mit Behagen,
Sie däuchten ihm zu essen gut,
Aß Beer auf Beerlein wohlgemut,
Und durch die Süßigkeit im Essen
War alle seine Furcht vergessen.
Du fragst: Wer ist der töricht Mann,
Der so die Furcht vergessen kann?
So wiß, o Freund, der Mann bist du;
Vernimm die Deutung auch dazu.
Es ist der Drach im Brunnengrund
Des Todes aufgesperrter Schlund;
Und das Kamel, das oben droht,
Es ist des Lebens Angst und Not.
Du bist's, der zwischen Tod und Leben
Am grünen Strauch der Welt muß schweben.
Die beiden, so die Wurzel nagen,
Dich samt den Zweigen, die dich tragen,
Zu liefern in des Todes Macht,
Die Mäuse heißen Tag und Nacht.
Es nagt die schwarze wohl verborgen
Vom Abend heimlich bis zum Morgen,
Es nagt vom Morgen bis zum Abend
Die weiße, wurzeluntergrabend.
Und zwischen diesem Graus und Wust
Lockt dich der Beere Sinnenlust,
Daß du Kamel die Lebensnot
Daß du im Grund den Drachen Tod,
Daß du die Mäuse Tag und Nacht
Vergissest, und auf Nichts hast acht,
Als daß du recht viel Beerlein haschest
Aus Grabes Brunnenritzen naschest.
Rüstigkeit
Frisch gethan und nicht gesäumt!
Was im Weg liegt, weggeräumt!
Was dir fehlet, such' gechwind!
Ordnung lerne früh, mein Kind!
Aus dem Bett' und nicht gesäumt!
Nicht bei hellem Tag geträumt!
Erst die Arbeit, dann das Spiel!
Nach der Reise kommt das Ziel.
Schnell besonnen, nicht geträumt!
Nichts vergessen, nichts versäumt!
Nichts blos ohnehin gemacht!
Was du thust, darauf gieb acht.
Rose, Meer und Sonne
Robert Schumann
Op. 37 Nr. 9 (1840/41)Rose, Meer und Sonne
Sind ein Bild der Liebsten mein,
Die mit ihrer Wonne
Faßt mein ganzes Leben ein.
Aller Glanz, ergossen,
Aller Tau der Frühlingsflur
Liegt vereint beschlossen
In dem Kelch der Rose nur.
Alle Farben ringen,
Aller Duft im Lenzgefild’,
Um hervorzubringen
Im Verein der Rose Bild.
Rose, Meer und Sonne
Sind ein Bild der Liebsten mein,
Die mit ihrer Wonne
Faßt mein ganzes Leben ein.
Alle Ströme haben
Ihren Lauf auf Erden bloß,
Um sich zu begraben
Sehnend in des Meeres Schoß.
Alle Quellen fließen
In den unerschöpften Grund,
Einen Kreis zu schliessen
Um der Erde blü’ndes Rund.
Rose, Meer und Sonne
Sind ein Bild der Liebsten mein,
Die mit ihrer Wonne
Faßt mein ganzes Leben ein.
Alle Stern’ un Lüften
Sind ein Liebesblick der Nacht,
In des Morgens Düften
Sterbend, wann der Tag erwacht.
Alle Weltenflammen,
Der zerstreute Himmelsglanz,
Fließen hell zusammen
In der Sonne Strahlenkranz.
Rose, Meer und Sonne
Sind ein Bild der Liebsten mein,
Die mit ihrer Wonne
Faßt mein ganzes Leben ein.
Sei mir gegrüßt
O du Entrißne mir und meinem Kusse,
Sei mir gegrüßt, sei mir geküßt!
Erreichbar nur meinem Sehnsuchtgruße,
Sei mir gegrüßt, sei mir geküßt!
Du von der Hand der Liebe diesem Herzen
Gegebne, Du von dieser Brust
Genommne mir! Mit diesem Tränengusse
Sei mir gegrüßt, sei mir geküßt.
Zum Trotz der Ferne, die sich feindlich trennend
Hat zwischen mich und dich gestellt;
Dem Neid der Schicksalmächte zum Verdrusse
Sei mir gegrüßt, sei mir geküßt!
Wie du mir je im schönsten Lenz der Liebe
Mit Gruß und Kuß entgegenkamst,
Mit meiner Seele glühendstem Ergusse,
Sei mir gegrüßt, sei mir geküßt!
Ein Hauch der Liebe tilget Raum und Zeiten,
Ich bin bei dir, du bist bei mir,
Ich halte dich in dieses Arms Umschlusse,
Sei mir gegrüßt, sei mir geküßt!
Seufzend sprach ich zu der Liebe …
Seufzend sprach ich zu der Liebe,
Als ich sie entschleiert sah:
Ach, daß so dein Antlitz bliebe
Meinen Blicken ewig nah!
Doch wie dich die Sehnsucht freier
Schauet einen Augenblick,
Senket wieder sich der Schleier,
Und verdüstert mein Geschick.
Liebe sprach: in ewig reinem
Lichtestrahl ich, o du Tor,
Nicht von meinem, sondern deinem
Angesichte hängt der Flor.
Siebenschläfer
Ein Hündlein, das einst Wache that bei Schäfern,
Ging in die Höhl' ein mit den Siebenschläfern.
Und als sie drinnen Zeit und Welt verschlafen,
Verschlief es auch den niedern Dienst bei Schafen.
Und als im Himmel ihnen ward die Krone,
Ward es zu einem Leu'n an Gottes Throne.
Um Mitternacht
Um Mitternacht
Hab' ich gewacht
Und aufgeblickt zum Himmel;
Kein Stern vom Sterngewimmel
Hat mir gelacht
Um Mitternacht.
Um Mitternacht
Hab' ich gedacht
Hinaus in dunkle Schranken.
Es hat kein Lichtgedanken
Mir Trost gebracht
Um Mitternacht.
Um Mitternacht
Nahm ich in acht
Die Schläge meines Herzens;
Ein einz'ger Puls des Schmerzes
War angefacht
Um Mitternacht.
Um Mitternacht
Kämpft' ich die Schlacht,
O Menschheit, deiner Leiden;
Nicht konnt' ich sie entscheiden
Mit meiner Macht
Um Mitternacht.
Um Mitternacht
Hab' ich die Macht
In deine Hand gegeben!
Herr! über Tod und Leben
Du hältst die Wacht
Um Mitternacht!
Ursprung der Rose
Den Rosenzweig benagt ein Lämmchen auf der Weide,
Es tuts nur sich zur Lust, es tuts nicht ihm zuleide.
Dafür hat Rosendorn dem Lämmchen abgezwackt
Ein Flöckchen Wolle nur; es ward davon nicht nackt.
Das Flöckchen hielt der Dorn in scharfen Fingern fest;
Da kam die Nachtigall und wollte baun ihr Nest.
Sie sprach: "Tu auf die Hand und gib das Flöckchen mir,
Und ist mein Nest gebaut, sing ich zum Danke Dir.
Er gab, sie nahm und baut, und als sie nun gesungen,
Da ist am Rosendorn vor Lust die Ros entsprungen!
Was sagt' der Herbst der Ros' ins Ohr …
Was sagt' der Herbst der Ros' ins Ohr,
daß sie die Munterkeit verlor?
Er mahnt' sie an die Nichtigkeit
der Treue, die der Lenz ihr schwor.
Sie reißt entzwei den Schleier, den
sie nahm, als er zur Braut sie kor;
Und wie sie bleich vom Throne sinkt,
erseufzt der Nachtigallen Chor.
Wer brach entzwei das Lilienschwert?
So blank geschliffen war's zuvor.
Die Tulp' entfloh so eilig, daß
den Turban sie am Weg verlor.
Beschämt senkt der Jasmin sein Haupt,
weil ihm der Ost die Locken schor.
Es streut der Wind mit voller Hand
von Bäumen Blättergold empor.
Das dürre Laub schwirrt durch die Luft
wie Fledermäus' aus Gräbertor.
Das Totenlied der Schöpfung spielt
der Herbstwind auf geknicktem Rohr.
Die finstre Tanne trägt den Schnee
wie weißen Bund ums Haupt ein Mohr.
Der Berg nahm weißen Hermelin,
weil ihm die nackte Schulter fror.
O sieh des Jahrs Verwüstung an
und hole frischen Wein hervor!
Die Sonne sandt' uns, eh sie wich,
den jungen Most ins Haus zuvor,
Daß er uns leucht' an ihrer Statt,
wann ihre Kraft dämpft Wolkenflor.
Sieh, wie des Wintergreises Grimm
des Frühlingskindes Hauch beschwor.
Er weckt in Bechertönen ein'
verzaubert' Nachtigallenchor,
Und trunkne Blicke sich ergehn
auf schöner Wangen Rosenflor.
Du trink, und seufz' im Winter nicht;
denn auch im Frühling seufzt ein Tor.
Wenn dein Mütterlein tritt zur Tür herein …
Wenn dein Mütterlein tritt zur Tür herein,
Und den Kopf ich drehe, ihr entgegen sehe,
Fällt auf ihr Gesicht erst der Blick mir nicht,
Sondern auf die Stelle, näher nach der Schwelle,
Dort, wo würde dein lieb Gesichten sein,
Wenn due freudenhelle trätest mit herein,
Wie sonst, mein Töchterlein.
Wenn dein Mütterlein tritt zur Tür herein,
Mit der Kerze Schimmer, ist es mir, als immer
Kämst due mit herein, huschtest hinterdrein,
Als wie sonst ins Zimmer!
O du, des Vaters Zelle,
Ach, zu schnell erloschner Freudenschein!
Du meine Seele, du mein Herz,
du meine Wonn', o du mein Schmerz,
Du meine Welt, in der ich lebe,
Mein Himmel du, darein ich schwebe,
o du mein Grab, in das hinab
Ich ewig meinen Kummer gab.
Du bist die Ruh, du bist der Frieden,
Du bist vom Himmel mir beschieden,
Daß du mich liebst, macht mich mir wert,
Dein Blick hat mich vor mir verklärt,
Du hebst dich liebend über mich,
mein guter Geist, mein beßres Ich!
Zum Schluß
Hier in diesen erdbeklommnen Lüften,
Wo die Wehmut taut,
Hab ich dir den unvollkommnen Kranz geflochten,
Schwester, Braut!
Wenn uns, droben aufgenommen,
Gottes Sohn entgegenschaut,
Wird die Liebe den vollkommnen Kranz uns flechten,
Schwester, Braut!