Auch Schönebeck Ort schmerzlicher Erinnerung
Auch Schönebeck Ort schmerzlicher Erinnerung
Ein dunkles Kapitel in der Geschichte von Schönebeck bildet das Außenkommando "Julius". In dem Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald schufteten von 1943 bis 1945 etwa 1.800 Häftlinge unter menschenunwürdigen Bedingungen auf dem Gelände der Junkerswerke für die nationalsozialistische Kriegsmaschinerie. Jugendliche aus dem Gymnasium "Dr. Tolberg" nahmen sich dieses Themas in der jüngsten Vergangenheit an und erstellten eine profunde Projektarbeit über das Nebenlager "Julius". Ein Zeitzeuge, der Auschwitz , Buchenwald und das Außenlager "Julius" überlebte, kam in diesen Tagen auf Einladung der Stadt Schönebeck an den zwiespältigen Ort der Geschichte zurück. In Begleitung von Schönebecks Bürgermeister Martin Hennig, dem Direktor der Gedenkstätte Buchenwald, Dr. Volkhardt Knigge sowie der Pfarrer Quast und Lieb erinnerte sich einer der heute wohl bekanntesten Theaterkritiker Europas, Professor Jósef Szajna, am Standort des ehemaligen Außenkommandos "Julius" an die Geschehnisse vor Jahrzehnten. Im Anschluss gedachten die Teilnehmer an der Gedenkstätte Barbyer Straße der Opfer des Konzentrationsaußenlagers. Beeindruckt von den bemerkenswerten Studienarbeiten Schönebecker Gymnasiasten zum Thema "Außenlager Julius" folgte der 1922 in Rzeszow (Polen) geboren Jósef Szajna der Einladung der Dr.-Tolberg-Gymnasiums zu einer Gesprächsrunde mit Schülern der 11. Klassen. Hier stellte Dr. Volkhard Knigge interessierten Jugendlichen den bewegten Lebensweg von Professor Jósef Szajna dar. Im Alter von 17 Jahren wurde der junge Pole mit Schülern seiner Gymnasialklasse in die polnische Armee rekrutiert. Hier leiste er erstmals Widerstand, indem er mit seinen Klassenkameraden strategisch wichtige Verkehrsknotenpunkte sabotierte. Bei seiner Desertion geriet er an der slowakischen Grenze in die Fänge der SS. Er wurde verhaftet und landete 1941 im KZ Auschwitz. Hier durchlebte er im Todesblock 11 in einer 40 mal 40 Zentimeter großen Stehzelle die Hölle. Seinem unerschütterlichen Wille zum Leben ist es zu verdanken, dass der bereits zum Tode verurteilte Strafgefangene die Chance zum Überleben nutzte. In dem Wissen, dass die SS für ihre Kriegsmaschinerie dringend Fachkräfte benötigte, gab sich der Gymnasiast als Schneider- bzw. Mechanikergeselle aus. Es waren Glücksumstände: Die Odyssee führte Szajna im Februar 1944 nach Schönebeck in eines der 136 Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald. Hier entdeckten Mithäftlinge sowie ein SS-Offizier die Begabung des polnischen Zwangsarbeiters zur Malerei. Einen tschechischen Mithäftling portraitierte er. Im Gegenzug erhielt der Lungenkranke Jósef Szajna von dem Arzt lebenswichtige Medizin. Ein SS-Offizier entdeckte ebenfalls die Malereien und ließ für seine Geliebte die verhassten schwarzen Rollos mit Blumen bemalen. In Arbeiten brachte Szajna seine Sehnsucht nach Freiheit zum Ausdruck. So fertigte der junge Künstler im Schutze der Baracke 5 mit abgebrannten Streichhölzern vier Zeichnungen, in denen der Mensch in Strichen zur Ameise erniedrigt wird. Die Zeichnungen versteckte Szajna in einem Strohsack. Nach der Befreiung des Lagers und der Flucht vom Todesmarsch kam er in das Schönebecker Außenlager zurück und konnte die Kunstwerke durch einen Zufall für die Nachwelt retten. Die Zeitdokumente sind heute von immensem Wert und werden in aller Welt ausgestellt. 1947 kehrte Szajna in seine Heimat nach Polen zurück. Hier nahm er ein Kunst- und Theaterstudium auf. In den 70er Jahren als wirkte er weit über die Landesgrenzen hinaus als Theaterkritiker. Internationale Anerkennung erhielt Jósef Szajna mit seinen Zeichnungen und Skulpturen. Stücke des Warschauer Theaterdirektors wurden international inszeniert. In Auswertung der Gesprächsrunde werden die Gymnasiasten das ungewöhnliche Leben von Jósef Szajna erforschen und dokumentieren.