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Braunbuch - Kriegs- und Naziverbrecher in der Bundesrepublik und in Westberlin

  • ️Staatsverlag der DDR

Diplomaten Ribbentrops im Auswärtigen Dienst Bonn

1945 Kriegsverbrecher - 1965 Revanchistenführer

An der Spitze der westdeutschen Revanchistenverbände und -Ministerien stehen Personen, die sich schwerer Verbrechen gegen den Frieden und die Menschlichkeit schuldig machten.

Als hohe SS-Offiziere und Führer der 5. Kolonne waren sie an der Vorbereitung und Entfesselung des zweiten Weltkrieges sowie an Verbrechen gegen Kriegsgefangene und die Zivilbevölkerung der von den Faschisten überfallenen Staaten beteiligt. Der Sprecher und damit höchste Funktionär der heutigen Landsmannschaften „Oberschlesien“ in Westdeutschland, Ulitz, war der Führer des „Deutschen Volksbundes für polnisch Oberschlesien“, einer faschistischen Organisation der deutschen Minderheit in Polen. Ulitz und sein „Volksbund“ beteiligten sich an der Vorbereitung des Überfalls auf den Sender Gleiwitz (Gliwice). Die Faschisten benutzten diese Provokation als Anlaß für den militärischen Überfall auf Polen und damit für die Entfesselung des zweiten Weltkrieges. Der bereits genannte langjährige Sprecher der Landsmannschaft „Westpreußen“, Kohnert, ist als Führer der faschistischen „Deutschen Vereinigung“ für die Ermordung Tausender polnischer Bürger in Bromberg (Bydgoszcz) verantwortlich.

Als Beamte der faschistischen Besatzungsbehörden sind Revanchistenführer mitverantwortlich für die Ausplünderung, Unterdrückung und Ausrottung der überfallenen Völker, wie beispielsweise der langjährige Ministerialrat und Referent im „Vertriebenenministerium“, Dr. Werner Essen. Als Abteilungsleiter im faschistischen „Reichskommissariat Ostland“ entschied er darüber, wer in den von den Faschisten besetzten Baltischen Sowjetrepubliken und der Belorussischen SSR als „rassisch minderwertig“ galt. Für die Betroffenen bedeutete das meist den Marsch in ein Konzentrationslager und in den Tod.

Als Beamte der faschistischen Behörden in Deutschland waren sie an der Verfolgung von Antifaschisten und jüdischen Bürgern beteiligt. So bemühte sich der ehemalige Nazi-Bürgermeister von Ribnitz, nach 1945 Staatssekretär im Niedersächsischen „Flüchtlingsministerium“, Dr. Walter Wegner, 1936 mit allen Mitteln einen Pogrom gegen die in der Stadt ansässigen jüdischen Bürger zu organisieren. Er lieferte unter anderen den Bürger Michelsen der Gestapo aus.

Die Skala der Revanchistenführer in Westdeutschland reicht vom Nazi-Agenten über den faschistischen General bis zum fanatischen Nazi-Ideologen, vom Landrat bis zum Gestapo-Henker. Sie haben ihre Gesinnung keineswegs geändert. Ihr Kampf, den sie wieder im Interesse der Kriegs- und Eroberungsziele der Rüstungsmonopole führen, richtet sich gegen jede Verständigung, gegen alle Tendenzen einer realen Ostpolitik und gegen jegliche Entspannung.

Seebohm, der 1967 verstorbene Sprecher der „Sudetendeutschen Landsmannschaft“ (SL) und Minister der Erhard-Regierung, erklärte: „Wir sind an vorderster Front die Vorkämpfer für ein Abschütteln des bolschewistischen Kolonialismus über Osteuropa.“ (Der Spiegel, Hamburg, 17. Mai 1961) Das hätte er wörtlich auch unter Hitler erklären können.

Der Vorsitzende des Landesverbandes Bayern der „Schlesischen Landsmannschaft“, Rumbaur, forderte größere Aktivität gegen jeden Versuch einer internationalen Entspannung: „Wir wollen nicht versäumen, aus der sich anbahnenden Entwicklung unsere Schlüsse zu ziehen. Sie können nur lauten:… kein Nachgeben, keine Weichheit, kein Leisetreten.“ (Der Schlesier, Recklinghausen, 7. November 1963)

Und im „Sudetendeutschen Turnerbrief“, Jahrgang 8, vom 1. August 1957, konnte man lesen: „Wie gewisse Zeitungen heute Richtungen pflegen, die bemüht sind, die Wahrheit zu unterdrücken, beweisen Veröffentlichungen in der ‚Frankfurter Rundschau’ oder in der ‚Stuttgarter Zeitung’, die sich ausgerechnet den Sudetendeutschen Tag ausgesucht haben, um an Lidice zu erinnern. Diese Selbstbefleckung widert an… Wissen sie schließlich nicht, daß in Lidice nur Komplicen bezahlter Kreaturen bestraft wurden, die geholfen haben, Mörder zu verbergen?“ (Siehe auch Tafel 43, Sudetendeutscher Turnerbrief, 1. April 1956, „Zwischen Verniggerung und Bolschewisierung“. Dieses Blatt ist das Zentralorgan der „Arbeitsgemeinschaft Sudetendeutscher Turner und Turnerinnen“, deren Vorsitzender der ehemalige SA-Führer Welwarski ist.)

Lemmer, Ernst

NAZISPITZEL UND GOEBBELS-JOURNALIST

heute:
Minister für „Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte“ bis November 1966; Beauftragter des Bundeskanzlers für Westberlin

Lemmer bewährte sich während des Faschismus als zuverlässiger Diener des deutschen Imperialismus. (Vgl. Ernst Lemmer - Goebbels-Journalist, Nazi-Spitzel, Revancheminister, Nationalrat der Nationalen Front, Berlin 1964)

Am 24. März 1933 stimmte Lemmer als Reichstagsabgeordneter der „Deutschen Demokratischen Partei“ (später „Deutsche Staatspartei“) dem Ermächtigungsgesetz Hitlers zu. Auch in seiner Eigenschaft als Generalsekretär des „Gewerkschaftsringes“ unterstützte er die Hitlerdiktatur. Er schaltete diese Gewerkschaft mit der faschistischen Deutschen Arbeitsfront gleich. In einer Stellungnahme des Gewerkschaftsringes vom 14. März 1933 gab Lemmer folgende Loyalitätserklärung ab:

„Die freiheitlich-nationalen Gewerkschaften sind deshalb gewillt, auch der jetzigen Regierung, die mit der verantwortlichen Staatsmacht das Schicksal des ganzen deutschen Volkes zu gestalten hat, ihre Mitarbeit zur Verfügung zu stellen.“ (Deutsches Zentralarchiv Potsdam, Bestand: Reichsarbeitsministerium)

Ein Höhepunkt der Gleichschaltung war die Anweisung Lemmers an alle Mitglieder des Gewerkschaftsringes, an der von den Faschisten zu einer chauvinistischen Machtdemonstration mißbrauchten 1. Mai-Kundgebung vollzählig teilzunehmen. In einer der Presse übergebenen Erklärung schreibt Lemmer, während Tausende Antifaschisten bereits in Zuchthäusern und KZ gequält wurden: „Der Vorstand des Gewerkschaftsringes richtet an seine Verbände und Untergliederungen im Lande die Aufforderung, daß alle Mitglieder der freiheitlich-nationalen Arbeiter- und Angestellten-Verbände am Tage der deutschen Arbeit (1. Mai) an den Veranstaltungen im Bekenntnis zum sozialen und nationalen Staat sich beteiligen!“ (Ebenda)

Folgerichtig wurde Lemmer, der Hitler unterstützte, später zu einem Vertrauensmann der Nazis. Als Auslandsjournalist getarnt, denunzierte er demokratische Kollegen wie den Vertreter der „Berliner Börsenzeitung“, Schwerdtfeger. Über diesen Fall gab Prof. Herbert Melzig am 3. März 1964 in der Berliner Zeitschrift „Wochenpost“ eine Erklärung ab. Prof. Melzig war bis zu seiner Emigration im Jahre 1938 aushilfsweise bei der Presseabteilung der Reichsregierung bzw. der Abteilung IV des Propagandaministeriums als Übersetzer für orientalische Sprachen tätig. In der Erklärung heißt es:

„Aus der damaligen Zeit ist mir auch bekannt, daß Lemmer den Nazis Denunziantendienste leistete. Lemmer gehörte zu den Spitzeln, die den Berliner Journalisten Schwerdtfeger denunzierten. Dieser hatte einer ausländischen Presseagentur von einer auf der sogenannten Reichspressekonferenz von Goebbels an die Presse vertraulich gegebenen Weisung Kenntnis gegeben, die das künftige barbarische Vorgehen der Nazis gegen die Juden betrat. Schwerdtfeger wollte dem Ausland ein Warnzeichen geben. Lemmer denunzierte Schwerdtfeger nicht direkt bei der Gestapo, sondern beim Chef der Presseabteilung der Reichsregierung, der dann die Verhaftung Schwerdtfegers veranlagte. Er erhielt lebenslängliche Haft…“

Solche Denunziationen waren für Lemmer die beste Empfehlung, als er mit seiner Spionagetätigkeit beim Amt VI des Reichssicherheitshauptamtes (Auslandsspionage) unter Leitung des in Nürnberg verurteilten SS-Brigadeführers Walter Schellenberg begann.

Seit 1934 arbeitete Lemmer als Auslandskorrespondent für mehrere ausländische Zeitungen, darunter „Neue Zürcher Zeitung“, „Pester Lloyd“, Berner „Bund“ und „L’Intependance Beige“.

Im direkten Auftrag des Goebbels-Ministeriums schrieb Lemmer Artikel, die die Judenverfolgungen verniedlichen, rechtfertigen und im Ausland propagandistisch vorbereiten sollten.

In einem 1936 in der Schweiz durchgeführten Prozeß gegen einen jüdischen Bürger kam die barbarische Behandlung der Juden in Deutschland zur Sprache. Dies löste im Ausland helle Empörung gegen die Judenpolitik der Nazis aus.

Das Goebbels-Ministerium versuchte, diese Bewegung abzufangen, und beauftragte Lemmer, einen entsprechenden Artikel zu schreiben. Am 4. November 1936 erschien von Lemmer im Berner „Bund“ ein Artikel, in dem den Juden die Schuld an ihrer unmenschlichen Behandlung und Vernichtung in Deutschland gegeben wurde. Am 2. November 1936 schickte Lemmer den Artikel an Regierungsrat Diewerge, der in der Abteilung VII des Goebbels-Ministeriums „Judenreferent“ für Frankreich, Belgien, Schweiz, Palästina und Ägypten war. In diesem Brief heißt es:

„Ich nehme an, daß die endgültige Formulierung unseren Bedürfnissen entspricht, gleichzeitig aber so gehalten ist, daß sie in dem von mir bedienten liberalen Schweizer Blatt wirklich aufgenommen wird…

Heil Hitler

Ihr ergebener E. Lemmer“

(Deutsches Zentralarchiv Potsdam, Bestand: Propaganda-Ministerium)

In einem Schreiben vom 5. November 1936 berichtete Diewerge an Goebbels, daß Lemmer den Auftrag erfüllt habe. Zugleich veranlagte Diewerge den Nachdruck des betreffenden Artikels in der Nazi-Presse, der als Beweis für die Billigung der faschistischen Rassenpolitik durch das Ausland dienen sollte. Der Artikel fand auch den ungeteilten Beifall der deutschen Gesandtschaft in Bern, die am 13. November 1936 an Diewerge schrieb:

„Der von Ihnen lancierte Artikel im Berner ‚Bund’ hat bisher außerordentlich gut gewirkt.“ (Ebenda)

Nach der faschistischen Besetzung Belgiens raubten die Nazis die einflußreiche Brüsseler Zeitung „Le Soir“ und unterstellten sie der deutschen Militärverwaltung. Lemmer wurde auf Betreiben des Auswärtigen Amtes und in Übereinstimmung mit dem Goebbels-Ministerium unter der Bezeichnung „Berliner Korrespondent“ als offiziöser Verbreiter der Nazi-Propaganda auch für den „Le Soir“ eingesetzt. Über den Charakter dieser Zeitung nach der faschistischer Besetzung gibt folgende Meldung Auskunft:

„… eines der infamsten Blätter der Goebbels-Propaganda, hergestellt von gekauften Subjekten, fabriziert von Verrätern ihres eigenen Landes. Der Ton des Blattes war sklavisch prohitlerisch, skrupellos antienglisch und antiamerikanisch und in der Domäne des Antisemitismus vollkommen auf den Jargon des ignoblen Streicher eingestellt…“ (Telegraf, Westberlin, 4. Januar 1941)

In einem ADN-Interview erklärte der heutige stellvertretende Chefredakteur des Brüsseler „Le Soir“, Desire Denuit:

„Nicht einmal Goebbels hätte unter den damals gegebenen Bedingungen die Nazi-Propaganda in Belgien so gut zu betreiben vermocht wie Lemmer! ... Sie (die Nazis - d. Hrsg.) hatten in dem gerissenen Lemmer einen Mann, der in der entsprechenden gefälligen Form schreiben konnte, dessen Korrespondenz aber gerade deswegen um so gefährlichere Vergiftungsmittel waren. Lemmer hat Hitlers Spiel gespielt.“ (Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst, 7. März 1964)

In mehr als 2000 Artikeln und Berichten für die ausländischen Zeitungen verherrlichte Lemmer die „Genialität“ Hitlers, die faschistische Justiz, die Überfälle auf die CSR und Polen und die Ausrottungs- und Kriegspolitik des deutschen Imperialismus.

Einige Artikel aus Lemmers Feder im „Pester Lloyd“ mögen zur Illustration genügen. Dort heißt es über den faschistischen Raubkrieg:

„Mit beinahe atemloser Spannung folgt man der Darstellung der einzelner Phasen des bisherigen Krieges, der nach der Niederwerfung Polens, nach der von Hitler als einzigartige Tat der deutschen Kriegsgeschichte bezeichneten Besetzung des von den französisch-englischen Kriegsausweitungsplänen bedrohten skandinavischen Raumes schließlich auf den Schlachtfeldern Westeuropas einen unvorstellbaren, von der Welt in diesem Tempo und Ausmaß gewiß nicht erwarteten Triumph der deutschen Waffen auslöste.“ (Pester Llojd Budapest, 19. Juli 1940)

„Die deutschen Angriffsoperationen haben in den letzten Tagen von allen Seiten am westlichen Wolga-Ufer so bedeutsame Fortschritte gemacht, daß die Lage der sowjetischen Verteidigung immer schwieriger, vielleicht schon hoffnungslos geworden ist. Mit der Einnahme wichtiger Höhenzüge im Süden und Norden von Stalingrad ist vermutlich die Entscheidung schon gefallen...“ (A. a. O., 4. September 1942)

Über den berüchtigten Präsidenten des Volksgerichtshofes und die Terrorurteile, namentlich gegen die Beteiligten am Attentat gegen Hitler, schreibt Lemmer:

„Beide Persönlichkeiten (Thierack und Freisler - d. Hrsg.) repräsentieren die moderne Rechtsanschauung des Nationalsozialismus… Die Persönlichkeiten, die auf die leitenden Stellen berufen sind, stehen in dem Ruf, als Männer von großer Rechtserfahrung die erweiterte Aufgabe der Justiz des Reiches tatkräftig erfüllen zu können.“ (A. a. O., 25. August 1942)

„Der Attentatsversuch vom 20. Juli hat mit dem Urteilsspruch der Richter des Volksgerichtshofes eine schnelle Sühne gefunden… Wenn sich der Gerichtshof zu dieser drastischen Form der Exekution entschloß, so offenbar deshalb, weil die Verbrechen der Angeklagten als besonders schimpflich beurteilt werden…“ (A. a. O., 10. August 1944)

Zu Hitlers 50. Geburtstag heißt es in Lemmers Artikel:

„Adolf Hitler - Zum 50. Geburtstag am 20. April

Berlin, im April 1939

(E.L.) Adolf Hitler ist in einem knappen Jahrzehnt für das Begreifen der Welt eine geschichtliche Gestalt geworden… Instinkt und Klugheit bestimmen den Weg des Politikers. Hitler schafft das Großdeutsche Reich, sichert seine totale Einheit im Innern und stärkt in beispielloser Weise die Macht nach außen …“ (A. a. O., 20. April 1939)

Eng verbunden mit der Denunziation demokratischer Kollegen war die Tätigkeit Lemmers im „Verein der Auslandspresse“ in Berlin zur Gleichschaltung der ausländischen Journalisten. Darüber gibt ein Geheimschreiben des faschistischen Auswärtigen Amtes, Ref. P. Z., Aufschluß. (Siehe Tafel 44 und 45, Deutsches Zentralarchiv Potsdam, Bestand: Auswärtiges Amt, Nr. 60526)

Wie hoch die faschistischen Behörden die Tätigkeit Lemmers einschätzten, geht aus folgenden Tatsachen hervor:

Während von den faschistischen Machthabern das Abhören ausländischer Sender generell verboten war und Hunderte von Todesurteilen allein aus diesem Grunde verhängt worden sind, erhielt Lemmer eine entsprechende Genehmigung des Goebbels-Ministeriums.

Als Vertrauensmann des faschistischen Außenministers Ribbentrop begleitete Lemmer im Jahre 1942 den japanischen Botschafter in Berlin, Oshima, auf dessen Reise durch Südosteuropa. Ziel dieser Reise war die stärkere Einbeziehung der Satellitenstaaten Deutschlands in die angeschlagene faschistische Kriegspolitik. Lemmer hatte die Aufgabe, diese Reise zu überwachen und vertrauliche Berichte an Nazi-Dienststellen zu geben. Goebbels schreibt darüber in seinem Tagebuch:

„23. April 1942 (Donnerstag): Der frühere demokratische Reichstagsabgeordnete Lemmer, der jetzt als Auslandsjournalist in Berlin sitzt, hat mit Oshima eine Südostreise angetreten. Er gibt uns darüber einen ausführlichen Bericht, dem man entnehmen kann, daß sich Oshima außerordentlich tatkräftig für die Achsenpolitik eingesetzt hat.“ (Goebbels-Tagebücher, Atlantis-Verlag, Zürich 1948, S. 170)

Lemmer wurde vom Ostministerium, vom Auswärtigen Amt und vom Propagandaministerium in jene besetzten Länder entsandt, in denen die Okkupanten besonders grausam wüteten. Entgegen seinen Behauptungen, daß er „in Ungnade gefallen“ sei, erschien er noch 1944 der Nazi-Führung als der geeignete Mann, um in besonderem Auftrage nach Riga zu fahren und die zunehmende Empörung des Auslandes über die faschistischen Verbrechen zu beschwichtigen sowie die Ausrottungspolitik zu verherrlichen. (Siehe Tafel 44 und 45, Deutsches Zentralarchiv Potsdam, Bestand: Auswärtiges Amt, Nr. 26 106; Lettisches Zentralarchiv Riga, Bestand: „Reichskommissariat Ostland)“

Krüger, Hans

EIN BLUTRICHTER HITLERS

heute:
Bis 1965 CDU-Bundestagsabgeordneter, Rechtsanwalt, Vorgänger Lemmers im Amt des „Vertriebenenministers“.

Der Vorgänger Lemmers als Minister für „Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte“ war Dr. Hans Krüger. Er hatte sich im Auftrage der CDU als langjähriger BdV-Präsident mit der Durchsetzung des Revanchismus befaßt. Über den Einfluß, den dieser Mann hatte, schreibt die „Rheinische Post“ (CDU): „Kaum eine Regierungserklärung wurde in den letzten Jahren von Bonn konzipiert, für die nicht der erste und bisher einzige BdV-Präsident Krüger im Kanzleramt, meist unbemerkt von der Öffentlichkeit, vorgesprochen und Wünsche geäußert hätte, die dann mehr - oder minderdeutlichen Niederschlag fanden.“ (Rheinische Post, Düsseldorf, 18. November 1963)

Schon nach dreimonatiger Amtszeit mußte Erhard seinen „Vertriebenenminister“ jedoch auf Grund von Enthüllungen der DDR über die Nazi-Vergangenheit Krügers und seine Tätigkeit als Sonderrichter in Konitz (Chojnice/Polen) entlassen. (Vgl. Bonner Revanchistenallianz gegen Entspannung und Abrüstung, Nationalrat der Nationalen Front, Berlin 1963)

Schon im Jahre 1923 hatte sich Krüger zu Hitler bekannt und nach eigenen Angaben im Lebenslauf am 9. November 1923 am Hitlerputsch gegen die Weimarer Republik teilgenommen. Sofort nach der Machtergreifung des Faschismus wurde er Mitglied der NSDAP und ihrer Gliederungen, z. B. des NS-Rechtswahrerbundes, des NS-Studentenbundes und des Reichskolonialbundes sowie des VDA. Besonders aktiv beteiligte sich Krüger in der extrem faschistischen Oberländer-Organisation „Bund Deutscher Osten“.

Unmittelbar nach dem faschistischen Überfall auf Polen wurde Krüger NSDAP-Ortsgruppenleiter und Richter im okkupierten Konitz. Am 5. November 1940 wurde Krüger zum Oberamtsrichter beim Amtsgericht in Konitz ernannt. Der polnische Bürger Pabich sagte in einer offiziellen Vernehmung aus, daß bereits in den ersten Wochen von Krügers Amtstätigkeit „rund 2000 Polen aus Chojnice umgebracht wurden, die bis zu ihrer Ermordung in Krügers Amtsgerichtsgefängnis eingekerkert waren“. Krüger war „der Schreck des Gefängnisses“, bezeugten die Überlebenden von Konitz. In den Zeugenaussagen heißt es weiter: „Nach jeder Visite durch Krüger im Gefängnis wurden die Inhaftierten sortiert und ein Teil von ihnen zur Hinrichtungsstätte in das ‚Tal des Todes’ gefahren, wo sie ermordet wurden.“

Im Jahre 1942 wurde er als „Stellvertreter in erster Linie“ an das neugebildete Sondergericht in Konitz berufen. Dort entwickelte er sich zu einem Spezialisten bei der Durchsetzung der faschistischen Ausrottungspolitik, der sechs Millionen polnische Bürger zum Opfer fielen. Vom Sondergericht wurden selbst für geringfügige Vergehen hohe Zuchthaus- und Todesstrafen verhängt. Nur solche „absolut zuverlässigen“ Richter wie Krüger wurden als Sonderrichter berufen.

Der polnische Staatsbürger Marian Bakowski erklärte vor dem polnischen Kreisstaatsanwalt:

„Hans Krüger war einer derjenigen, die Urteile am Sondergericht fällten. Aus meiner Dolmetscherzeit kann ich mich genau an 5 Todesurteile gegen polnische Bürger erinnern, darunter gegen den polnischen Fähnrich Jeka.“

Diese Mitteilung über Krügers Tätigkeit am Sondergericht wurde von dem Zeugen Michel Znajdek ergänzt:

„Hans Krüger erfreute sich keines guten Rufes. Man sagte von ihm, daß er bei der Urteilsfällung besonders scharf ist. Selbst deutsche Justizbeamte des Gerichtes Konitz, wie der Büroangestellte Plünner, der Oberinspektor Lange, der Justiz-Oberinspektor Pfeiffer und der Justizinspektor Lehmann, sagten, daß Krüger den Polen gegenüber besonders feindlich eingestellt ist. Sie selbst fürchteten ihn auch.“

Der Blut- und Sonderrichter Krüger wurde erst auf Grund des durch die exakten Enthüllungen der DDR und Volkspolens in der ganzen Welt ausgelösten Proteststurmes als Minister abgelöst. Seine politische Laufbahn als Nazi-Okkupationsrichter war in Bonn bereits bei seiner Ernennung bekannt. Schon am 25. November 1963 bot der Generalstaatsanwalt der DDR dem westdeutschen Bundeskanzler Erhard die Einsicht in Originalakten an, die einen seiner Minister als belasteten Nazi entlarvten.

Nach wie vor sitzt Krüger jedoch in der CDU-Fraktion des westdeutschen Bundestages (seit 1957!), tritt als Berater der Revanchistenverbände auf und betreibt unbehelligt seine Rechtsanwaltspraxis.

Oberländer, Theodor

HENKER VON LWOW

heute:
Bis 1965 CDU-Bundestagsabgeordneter, einer der einflußreichsten Revanchepolitiker, von 1953 bis 1960 - vor Krüger und Lemmer - „Vertriebenenminister“, bis 1965 Vorsitzender des Landesverbandes „Oder-Neiße“ der CDU.

Prof. Theodor Oberländer war von 1953 bis 1960 „Vertriebenenminister“. Obwohl die Bundesregierung spätestens seit dem Sommer 1959 wußte, daß sich Oberländer Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht hat, blieb er im Amt.

In einem öffentlichen Prozeß vor dem Obersten Gericht der DDR im Jahre 1960 wurde Oberländer wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Abwesenheit zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt. Oberländer mußte trotz heftigen Widerstandes der Bundesregierung und der Revanchistenorganisationen vier Tage nach dem Urteil als Minister entlassen werden. (Vgl. Die Wahrheit über Oberländer, Ausschuß für deutsche Einheit, Berlin 1960)

Am 9. November 1923 nahm Oberländer - wie der Blutrichter und sein Nachfolger im „Vertriebenenministerium“, Krüger, - am Hitlerputsch gegen die Weimarer Republik teil. Die große Stunde Oberländers kam mit der faschistischen Machtergreifung. Er erklomm in rascher Folge die höchsten Parteiämter. Am 1. März 1933 wurde er Direktor des „Instituts für osteuropäische Wirtschaft“ in Königsberg (Kaliningrad) und 1934, mit 29 Jahren, Professor. Er war Gau-Amtsleiter im Gaustab Ostpreußen, zunächst Landesgruppenleiter und schließlich auf persönlichen Wunsch des Kriegsverbrechers Heß Leiter des berüchtigten „Bundes Deutscher Osten“ (BDO), ferner SA-Hauptsturmführer und Leiter des Landesverbandes Ostpreußen des VDA.

In seiner Tätigkeit als „Reichsleiter“ des BDO war Oberländer an führender Stelle an der theoretischen und praktischen Vorbereitung der Aggression gegen die östlichen Nachbarn Deutschlands beteiligt. Dabei widmete er sich besonders den deutschen Minderheiten im Ausland, denen er folgende Aufgabe stellte:

„Der Deutsche war rassisch überlegen… Jede deutsche Volksgruppe kann draußen … ein drittes Reich im kleinen sein und… das Judentum bekämpfen.“ (Kampfblatt für Erzieher, 1939)

Das Ergebnis dieses „Volkstumskampfes“ sollte die Ausrottung der slawischen Völker sein:

„Der Volkstumskampf ist unter dem Deckmantel des Friedens nichts anderes als die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln… Ein Kampf, der sich auf Generationen hinzieht mit dem einzigen Ziel: Ausrottung!“ (Der Neue Weg, 1936)

Als die Kriegsvorbereitungen in ihr entscheidendes Stadium traten, wurde Oberländer als Spionage-Offizier in die Abteilung II der „Abwehr“ beim Oberkommando der Wehrmacht (OKW) geholt. Diese Abteilung war eine Spionage- und Diversionszentrale des deutschen Faschismus. Sie warb ihre Agenten vor allem unter den deutschen Minderheiten im Ausland.

Ab Mai 1939 stellte Oberländer seine Erfahrungen in den Dienst der Abwehrstelle des Wehrkreises VII in Breslau (Wroclaw). Mit Unterbrechungen blieb er dort bis zum 18. August 1939. Oberländer gehörte zum Kreis der Initiatoren und Organisatoren des fingierten Überfalls auf den Sender Gleiwitz (Gliwice), der den Faschisten als Anlaß für den militärischen Überfall auf Polen diente.

Nach der faschistischen Okkupation Polens stellte sich Oberländer an die Spitze der Ausrottungsfanatiker und forderte die restlose Vertreibung und Vernichtung des polnischen Volkes:

„Die Eindeutschung in den Ostgebieten muß in jedem Falle eine restlose sein. Maßnahmen vollständiger Aus- und Umsiedlung mögen für die Betroffenen hart erscheinen - aber eine einmalige Härte ist besser als ein durch Generationen währender Kleinkampf… Aus diesem Grunde ist neben vielen anderen eine Assimilierung des Polentums abzulehnen.“ (Neues Bauerntum, April/Mai 1940)

Vor dem Überfall auf die Sowjetunion begann Oberländer mit der Aufstellung, Ausbildung und politischen Führung einer speziellen Sabotage- und Diversionseinheit für Sondereinsätze der Abteilung „Abwehr II“. Diese Sondereinheit war das Bataillon „Nachtigall“. Es bestand aus ukrainischen Nationalisten und Faschisten sowie aus asozialen und kriminellen Elementen. Die Gruppe war für „Sonderaufgaben“ - Sabotage, Diversion, Mordanschläge und Massenhinrichtungen in der Ukraine - vorgesehen. Sie sollte als erste Einheit in die Sowjetunion einfallen.

Damit begann der fürchterlichste Abschnitt in Oberländers Laufbahn als „Ostexperte“ und „Abwehr“-Offizier. Das Bataillon „Nachtigall“ erreichte als erste Einheit der faschistischen Wehrmacht am 30. Juni 1941 die sowjetische Stadt Lwow (Lemberg) und blieb dort bis zum 7. Juli 1941. Die Zahl der in den ersten sechs Tagen der faschistischen Besetzung durch das Bataillon „Nachtigall“ ermordeten Frauen, Kinder und Greise wird auf 3000 bis 5000 geschätzt. In Lwow begann Oberländer, seinen alten Plan zur Vernichtung der polnischen und sowjetischen Intelligenz zu verwirklichen. Unter den 3000 bis 5000 ermordeten Menschen befanden sich auch 34 hervorragende Vertreter des Geisteslebens. Ihre Namen waren vom „Institut für Deutsche Ostarbeit“ in Krakau (Krakow) zusammen mit Oberländer bereits vor der Aggression gegen die Sowjetunion auf die Todesliste gesetzt worden.

Doch nicht nur in Lwow beging die Einheit „Nachtigall“ Massaker unter der sowjetischen Bevölkerung. Das von Oberländer geführte Bataillon richtete auch in den Städten Solotschew, Tarnopol, Prokurow, Shitomir und Winnica furchtbare Blutbäder unter der Zivilbevölkerung an.

Nach kurzem Zwischenspiel als Leiter der Abteilung „Abwehr II“ beim Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Süd übernahm Oberländer im Herbst 1941 die Aufgabe, eine Sondereinheit zur Niederhaltung der sowjetischen Bevölkerung im okkupierten Gebiet und zur Bekämpfung der Partisanenbewegung aufzubauen. In diese Einheit preßte Oberländer kriegsgefangene Angehörige der kaukasischen Völker. Für diese Kriegsgefangenen gab es nur die eine Wahl: Hungertod im faschistischen Lager oder Eintritt in das Bataillon (später Regiment) „Bergmann“.

Die unter Oberländers Befehl stehende Sondertruppe „Bergmann“ war von der Wehrmachtsführung zu Diversionsakten im sowjetischen Hinterland vorgesehen. In den Jahren 1942/43 war sie jedoch hauptsächlich an Vernichtungsaktionen gegen die Zivilbevölkerung und die Partisanenbewegung beteiligt. Alle diese Aktionen wurden „mit äußerster Härte“ durchgeführt. Die Einsatzbefehle unterschrieb Oberländer. Wer sich von den Angehörigen dieses Regiments an den Verbrechen nicht beteiligen wollte, wurde erschossen. So war es auch, als ein Teil des Regiments begann, sich zur Wehr zu setzen. Oberländer ließ sieben Angehörige der Einheit vor ein Kriegsgericht stellen und erschießen. Nach kurzem Einsatz auf dem Balkan „zeichnete“ sich das von Oberländer organisierte und politisch geformte Regiment im Jahre 1944 bei der grausamen Niederschlagung des „Warschauer Auf Standes“ aus.

Gegen Ende des Krieges wurde Oberländer noch zum Major befördert und zum Leiter des Schulungslagers „Ostprop.-Abt. z. b. V.“ in Dabendorf bei Berlin berufen. In diesem Lager wurde die Armee des Verräter-Generals Wlassow ideologisch ausgerichtet. Vor den anrückenden sowjetischen Truppen floh Oberländer in die Tschechoslowakei, wo er in eine SS-Kriegsberichter-Standarte eintrat. Am 23. April 1945 begab er sich dann in amerikanische Gefangenschaft.

Oberländer lebt heute nicht nur unbehelligt in Westdeutschland, sondern ist nach wie vor Abgeordneter der CDU im Bundestag und hat großen Einfluß auf die Politik der westdeutschen Revanchistenorganisationen, obwohl sogar die Bonner Justiz in einem vergeblichen Reinwaschungsversuch die Mordtaten des von ihm geführten Bataillons „Nachtigall“ in Lwow bestätigen mußte.

Die Einsetzung der schwerbelasteten Nazi- und Kriegsverbrecher Oberländer, Krüger und Lemmer als Minister ist bezeichnend für den Geist und die Aufgaben des Bonner „Vertriebenenministeriums“.

Becher, Walter

ANTISEMITISCHER JOURNALIST

heute:
Sprecher der „Sudetendeutschen Landsmannschaft“, in diesem Amt Nachfolger des 1967 verstorbenen Seebohm.

Mit der Wahl Dr. Walter Bechers zum Sprecher der „Sudetendeutschen Landsmannschaft“ wurde einer der reaktionärsten Exponenten der westdeutschen Revanchepolitik und ein Intimus von Franz-Joseph Strauß höchster Funktionär der mit 380000 Mitgliedern größten westdeutschen Revanchistenorganisation. Zahlreiche Zeitungen des In- und Auslandes waren sich darin einig, daß Becher selbst seinen berüchtigten Vorgänger, Seebohm, in der Revanchehetze noch überbieten werde. So schreibt „Die Zeit“: „Seebohm, das wird sich alsbald zeigen, war im Vergleich zu Becher nur ein ärgerlicher Sonntagsredner.“ (Die Zeit, Hamburg, 2. Februar 1968) Bereits in seiner Antrittsrede bekräftigte er seinen extrem revanchistischen Standpunkt mit der Forderung an die westdeutsche Regierung, „sich auf keinen Fall auf Erklärungen einzulassen, die von einer Annullierung des Münchener Abkommens aus dem Jahr 1938 sprächen“. (Süddeutsche Zeitung, München, 29. Januar 1968)

Am 1. November 1938 wurde Becher Mitglied der NSDAP (Mitgliedsnummer 6588113), nachdem er vorher Mitglied der Henlein-Partei (SdP) war.

Nach der Okkupation des Sudetengebietes verbreitete Becher als Redakteur des Ressorts Kunst, Wissenschaft und Unterhaltung des Organs der NSDAP-Gauleitung Reichenberg (Liberec), „Die Zeit“, den nazistischen Rassenwahn. So forderte er beispielsweise unter der Überschrift „Lieder, auf die wir verzichten“, daß alle Lieder, „deren Worte von Juden stammen oder die von Juden vertont sind“, nicht mehr gesungen werden sollen. (Die Zeit, Reichenberg, 17. November 1938) In einem anderen Artikel erklärte Becher, „daß die allgemeine Entjudung auch die erste Voraussetzung für den Neuaufbau des sudetendeutschen Kulturlebens ist.“ (Die Zeit, Reichenberg, 9. November 1938)

Über die in dem damals noch nicht okkupierten tschechoslowakischen Gebiet lebenden jüdischen Bürger schrieb Becher:

„Allzu nachdrücklich hat die jüdische Hetzpresse das Schauermärchen vom ‚Trojanischen Pferd’ aufgetischt, in dessen Bauch die gefährlichen Henleinovici auf den Untergang des tschechoslowakischen Staates lauerten. Dadurch erreichte sie es, daß die Tschechen blind wurden für das ‚Jüdische Pferd’, dessen Bauch schon lange die ‚geistigen Kämpen’ Alljudas über den tschechischen Staat ausgespieen hatte; die Maffia-Juden, die unterirdisch am Aufbau des Beneschistischen Trugbildes mitgearbeitet hatten, waren entsprechend belohnt worden und saßen in uneinnehmbaren Positionen in der ‚Prager Presse’. Von dort ging auch die ‚Organisation’ aus, die durch den jüdischen Gebieter der ‚deutschen Urania’, Prof. Frankl, die ‚deutsche Sendung’ Prag im Dienste Alljudas und unter der Lüge, staatserhaltend im tschechoslowakischen Sinne zu sein, gestaltet…“ (Die Zeit, Reichenberg, 2. Januar 1939)

Im Mai 1939, als die Juden des okkupierten Sudetengebietes bereits aus allen Stellungen in Wirtschaft, Politik und Kultur vertrieben worden waren und den Weg in die Ghettos und Konzentrationslager angetreten hatten, feierte Becher dieses Verbrechen: „Das Sudetenland ist Kulturland geworden. Erst die befreiende Tat des Führers hat unzählige schlummernde Kräfte aufgeweckt… Was unter der Patronanz einer volksfremden, von jüdischen Maklern beeinflußten Regierung bewußt totgeschwiegen wurde, kann sich heute dem allgemeinen Urteil stellen.“ (Die Zeit, Reichenberg, 23. Mai 1939)

Nach Ausbruch des Krieges war Becher in einer Propaganda-Kompanie als Kriegsberichter tätig.

In Westdeutschland gehörte Becher zu den Gründungsmitgliedern des „Witikobundes“, jener Untergliederung der „Sudetendeutschen Landsmannschaft“, in der sich die am meisten belasteten Sudeten-Nazi organisierten. Zeitweilig war er sogar Vorsitzender dieses Bundes.

Von 1950 bis 1952 war er Mitglied des Bayrischen Landtages und Fraktionsvorsitzender der neonazistischen Partei GB/BHE. Als diese Partei nicht mehr in den Landtag gelangte, wechselte Becher zur CSU über und wurde 1965 Bundestagsabgeordneter.

Seine ganze Tätigkeit nach 1945 zeigt, daß Becher noch immer zu den politischen Thesen steht, die er als Nazi-Journalist und Henlein-Anhänger vertrat.

Otto, Hans-Werner

ZUM OSTEINSATZ BERUFEN

heute:
Staatssekretär im Innenministerium in Schleswig-Holstein.

Am 1. September 1938 kam der Altnazi Dr. Hans-Werner Otto (NSDAP seit 1. Januar 1932, Nr. 1190423) an die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck, um dort „Reichsverteidigungsangelegenheiten“ (Notstandsfragen) und „Probleme der Angliederung des Verwaltungsrechts“ zu bearbeiten, das heißt die Annexion Österreichs juristisch zu untermauern. Ein Jahr später, am 21. Oktober 1939, wurde er Landrat in Feldkirch (Vorarlberg) und Kreisamtsleiter für Kommunalpolitik der dortigen NSDAP-Kreisleitung. Für seine Verdienste bei der Annexion Österreichs erhielt Otto im August 1939 die „Medaille zur Erinnerung an den 13. März 1938“.

Nach dem Überfall auf die Sowjetunion ließ sich Okkupationsspezialist Otto in die „neuen Ostgebiete“ versetzen. Er wurde Anfang 1942 Gebietskommissar im faschistisch besetzten Nikolajew in der Ukraine und war unter anderem für die ökonomische Ausplünderung dieses Gebiets verantwortlich.

Alle vom Gebietskommissar unterzeichneten Anordnungen für die Deportation von Sowjetbürgern zur Zwangsarbeit endeten mit der Drohung:

„Wer nicht erscheint und sich dadurch der Arbeitspflicht entzieht, wird… in besonders schwerwiegenden Fällen… zum Tode verurteilt.“ (Ukrainska Dumka, 17. Juli 1943)

Daß dies nicht nur eine leere Drohung war, zeigt die Bekanntmachung des Bezirkskommissars in Nikolajew vom 6. Juli 1943:

„Am heutigen Tage wurden durch ein deutsches Sondergericht in der Stadt Nikolajew gemäß der Verordnung des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete vom 17. Februar 1942 wegen Schädigung des Wohls des deutschen Staates zum Tode verurteilt: (Es folgt eine Liste von zehn 18jährigen Sowjetbürgern.) Die vorgenannten Personen entzogen sich der Verrichtung ihrer obligatorischen Arbeit… durch die Flucht von ihrer Arbeitsstelle… Die Todesurteile wurden heute vollstreckt.“ (Nowij CAS, 21. Juli 1943)

1945 wurde Ottos Karriere nicht unterbrochen. In Schleswig-Holstein zählt er zu den prominentesten Förderern der Revanchistenverbände (er war lange Zeit hoher Beamter, zuletzt Staatssekretär, im „Vertriebenenministerium“ in Schleswig-Holstein) und neofaschistischen Kräfte.

Kohnert, Hans

HENKER VON BYDGOSZCZ

heute:
Mitglied im Bundesvorstand der „Landsmannschaft Westpreußen“ und Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Fleischwarenfabriken.

Im Jahre 1935 wurde Dr. Hans Kohnert Vorsitzender der faschistischen Organisation der deutschen Minderheit im polnischen Warthe-Gebiet, „Deutsche Vereinigung“. Seine Hauptmethoden zur Unterminierung des polnischen Staates waren neben der intensiven Spionagetätigkeit die faschistische Erziehung und militärische Ausbildung der Jugend sowie die Einbeziehung möglichst vieler Bürger der deutschen Minderheit in das Netz der 5. Kolonne. Enge Beziehungen pflegte Kohnert mit Oberländer und der obersten SS-Führung, von der er auch das Geld für seine Wühltätigkeit erhielt.

Im Jahre 1938 begann Kohnert mit dem Aufbau der SS in diesen Gebieten Polens. Die Organisation existierte unter der Bezeichnung „Selbstschutz“ und wurde beim Überfall auf Polen gegen die polnische Armee und Bevölkerung eingesetzt. Der von Kohnert kommandierte „Selbstschutz“ ist für die Ermordung Tausender Bürger von Bromberg (Bydgoszcz) verantwortlich. An jenem verhängnisvollen 3. September 1939 ereignete sich in dieser Stadt, dem Sitz der Untergrundorganisation Kohnerts, folgendes:

In den Morgenstunden eröffneten Kohnerts SS-Banden, die ihre Stunde gekommen sahen, aus Häusern und von Dächern ein heftiges Feuer auf die sich in das Landesinnere zurückziehenden polnischen Truppen. Der polnische Stadtkommandant erließ daraufhin den Befehl, die Stadt von den SS-Banditen zu säubern. Etwa 260 Meuchelmörder aus der faschistischen 5. Kolonne wurden aufgespürt und von der polnischen Armee hingerichtet. Diese von dem Faschisten Kohnert provozierten Ereignisse nahmen die SS und die Gestapo zum Vorwand, nach der Okkupation Polens allein in Bromberg 10500 Menschen - darunter ganze Schul- und Gymnasialklassen - zu ermorden. Weitere 13000 kamen bei der Deportation um.

Für diese „Verdienste“ wurde Kohnert 1939 zum SS-Oberführer befördert und als Landesbauernführer im damaligen Gau Netze-Wartheland eingesetzt. Hitler dekorierte ihn mit dem „Goldenen Ehrenzeichen der NSDAP“.

Ulitz, Otto

ORGANISIERTE DAS VERBRECHEN VON GLEIWITZ

heute:
Sprecher der „Landsmannschaft Oberschlesien“.

Seit 1921 war Otto Ulitz Leiter des „Deutschen Volksbundes für polnisch Oberschlesien“. Die große Stunde dieses „Volksbundes“ kam mit der Machtergreifung Hitlers. Von Ulitz extrem faschistisch orientiert, begannen die Schlägerkolonnen des „Volksbundes“, besonders im Jahre 1939, immer häufiger blutige Zusammenstöße zu provozieren. Eine Welle faschistischer Provokationen ging durch das polnische Land. Das Ziel war, die politische Situation bis zum äußersten anzuspannen, um einen geeigneten Anlaß für den militärischen Überfall auf Polen zu schaffen.

Ulitz war mit seiner als „Volksbund“ getarnten 5. Kolonne zur Vorbereitung und Durchführung des fingierten Anschlages auf den Sender Gleiwitz (Gliwice) eingesetzt. In mehreren Besprechungen mit der obersten SS-Führung übernahm Ulitz für den Anschlag folgende Aufgaben: Er hatte die vom faschistischen Sicherheitsdienst ausgesuchten Leute, die sich unter Führung des SD-Mannes Naujocks nach Gleiwitz (Gliwice) begaben, zu beraten und ihnen genaue Ortskenntnisse zu vermitteln. Ferner half er einen polnisch sprechenden zuverlässigen „Volksdeutschen“ auszuwählen, der Naujocks zur Verfügung gestellt wurde. Dieser Verbrecher hielt nach dem fingierten „Überfall“ in polnischer Sprache eine Hetzrede im Gleiwitzer Sender.

Am 31. August 1939 rollte das Unternehmen gegen den Sender Gleiwitz ab. Am nächsten Tag begann der militärische Überfall auf Polen und damit der zweite Weltkrieg.

Ulitz wurde für seine vielfältigen Verdienste bei der Vorbereitung der Aggression zum Ministerialrat und Abteilungsleiter der Regierung in Kattowitz (Katowice) ernannt und erhielt am 18. Oktober 1939 das „Goldene Ehrenzeichen der NSDAP“.

Richthofen, Bolko von

EIN EHRLOSER DENUNZIANT

heute:
„Bundeswissenschaftsberater“ und Mitglied im Vorstand der „Landsmannschaft Schlesien“.

Freiherr Bolko von Richthofen gehörte zu den antisemitischen und revanchistischen Professoren Hitlers. In seinen pseudowissenschaftlichen Schriften versuchte er, die antisemitische Barbarei der Nazis und den Herrschaftsanspruch des deutschen Imperialismus, besonders gegenüber Osteuropa, zu begründen. Dazu einige Titel aus seiner Bibliographie: „Rasse und Volkstum in der bolschewistischen Wissenschaft“, „Ursprung der Ostjuden und Chasaren“, „Judentum und bolschewistische Kulturpolitik“.

Seine politische Laufbahn begann Richthofen in den reaktionären Freikorps und der „Schwarzen Reichswehr“. Später führte ihn seine erzreaktionäre Einstellung in den faschistischen „Bund Deutscher Osten“.

Als Leiter der „Berufsvereinigung deutscher Vorgeschichtsforscher“ denunzierte er den Wissenschaftler Prof. Wirth, der eine zur faschistischen Rassentheorie abweichende Meinung geäußert hatte und freundschaftlich mit jüdischen Bürgern verkehrte. Es gibt Dokumente in großer Zahl, die ein bezeichnendes Licht auf Richthofen, diesen fanatischen Verfechter der barbarischen Rassentheorie und -praxis des Faschismus werfen. In einem Brief vom 24. Januar 1934 schreibt er an Prof. Günther in Jena:

„Ich verstehe nicht, weshalb man Wirth aus menschlichen und taktischen  Gründen schonen soll… Ihre Anregung einer Erklärung möglichst der Gesamtheit der völkischen Hochschullehrer gegen Wirth erscheint mir außerordentlich wertvoll, nur sollte sie nicht in milden, sondern meines Dafürhaltens in schneidend scharfen Worten gehalten sein.“ (Siehe auch Tafel 47, Landeshauptarchiv Schwerin, Bestand: Ministerium für Unterricht, Nr. 1267)

Prof. Wirth war nicht das einzige Opfer des Denunzianten Richthofen. Auch die Wissenschaftler Gesemann und Winkler wurden von ihm als „Juden- und bolschewistenfreundlich“ den Nazi-Behörden gemeldet.

Während des zweiten Weltkrieges arbeitete Richthofen als Referent und „Sonderbeauftragter“ beim Oberkommando des Heeres (OKH), Abteilung „Fremde Heere Ost“, im Spionageapparat des damaligen Generalleutnants und heutigen Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes, Reinhard Gehlen. In einem Brief an die Universität Leipzig schrieb Richthofen am 16. Oktober 1944:

„Meine Arbeitskraft habe ich inzwischen in der Hauptsache von hier aus der Wehrmacht und der Partei zu Schulungsvorträgen über den Bolschewismus zur Verfügung gestellt, um damit den Durchhaltewillen stärken zu helfen.“ (Archiv der Universität Leipzig)

Als Durchhaltefanatiker rühmte sich Richthofen auch in einem Artikel der „Leipziger Neueste Nachrichten“. Dort heißt es unter anderem:

„Die wissenden und verantwortungsbewußten Europäer kennen gegen die Hölle des Bolschewismus und seine plutokratischen Handlanger nur das kämpferische Durchhalten bis zum Letzten. Allein dadurch können unser Volk, Europa und die Welt gerettet werden.“ (Leipziger Neueste Nachrichten, 15. November 1944)

Richthofen ist heute der führende Ideologe der „Schlesischen Landsmannschaft“. Darüber hinaus ist er einer der Organisatoren und Förderer der rechtsradikalen und halbfaschistischen „Aktion Oder-Neiße“ (AKON).

Im Jahre 1964 wurde er von Lübke mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse dekoriert.

Illing, Paul

SS-TERRORIST

heute:
Bundesgeschäftsführer der „Sudetendeutschen Landsmannschaft“ (SL), Sekretär der „Bundesversammlung“ der SL, Mitglied des „Beirates“ beim Lemmer-Ministerium.

Schon am 1. März 1923 trat Paul Illing in Wien der NSDAP bei und wurde dort Blockleiter. Zur gleichen Zeit wurde er Mitglied der SA. Im Auftrage der Nazi-Partei ging er in die CSR, um an der faschistischen Beeinflussung der deutschen Minderheit und der Wühlarbeit gegen den tschechoslowakischen Staat teilzunehmen. Illing organisierte dort den „Volkssport“, eine faschistische Terrororganisation, die nach den Prinzipien der SS organisiert und gegen die tschechoslowakische Bevölkerung eingesetzt wurde. Als stellvertretender Landesführer dieser Organisation, die unter Leitung des späteren Nazi-Gauleiters und Kriegsverbrechers Hans Krebs stand, war er für die Provokationen verantwortlich, die seine Organisation inszenierte. In der bürgerlichen CSR wurde er deshalb wegen staatsfeindlicher Tätigkeit zu zwei Jahren und sieben Monaten Gefängnis verurteilt.

Im Jahre 1938 holte ihn Himmler nach Deutschland. Von hier aus sollte Illing die Okkupation der CSR vorbereiten helfen. Er wurde als SS-Sturmbannführer und als Leiter zweier Abteilungen im Stab des SS-Oberabschnittes „Elbe“ eingesetzt. Schon ein Jahr danach wurde er zum SS-Obersturmbannführer befördert. Über seine weitere Arbeit in der SS schreibt Illing in seinem Lebenslauf:

„Am 15. 3.1939 wurde ich dem Reichsführer SS beim Einmarsch nach Prag als Führer und Dolmetsch zugeteilt. Anschließend baute ich als Leiter der SS-Annahmestelle des SS-Oberabschnittes ‚Elbe’ und als Standortführer von Prag die Schutzstaffel im nördlichen Protektorat auf. Vom Dezember 1939 an führte ich ehrenamtlich die 103. SS-Standarte in Aussig und bin seit Juni 1940 ehrenamtlicher Gau-Organisationsleiter in Reichenberg.“ (Zentrales Staatsarchiv der CSSR, Prag, Bestand: Reichsstatthalter Sudetenland)

Illing wurde dann in einem der größten Kreise des Sudetengebietes, in Leitmeritz (Litomerice), zum Landrat berufen. Die Nazi-Partei verzichtete jedoch nicht auf ihn. Vom „Stellvertreter des Führers“ wurde er zur NSDAP-Gauleitung Reichenberg (Liberec) berufen, wo er als Stabsleiter arbeitete. Für seine aktive Mitwirkung bei der Vorbereitung und Durchführung der Annexion der CSR und der Organisierung des SS-Terrors gegen die tschechische Bevölkerung erhielt Illing unter anderem den „Totenkopfring“ und den „Ehrendegen des Reichsführers SS“, das „Goldene Ehrenzeichen der NSDAP“ und das Kriegsverdienstkreuz.

Neuwirth, Hans

ARISIERUNGSSPEZIALIST

heute:
Mitglied des „Sudetendeutschen Rates“, Vorsitzender des Rechtsausschusses und Mitglied des Presseausschusses und der „Bundeversammlung“ der SL, Geschäftsführer der „Union der Vertriebenen“ in der CSU und Sekretär des „Collegium Carolinum“, eines Zentrums der imperialistischen Ostforschung; hauptamtlich ist er im Auswärtigen Amt der Bonner Regierung tätig.

Seit 1935 war Dr. Hans Neuwirth Abgeordneter der sudetendeutschen Nazi-Partei, seit 1936 Mitglied der Hauptleitung und Mitglied des Rechtsamtes. Der Kriegsverbrecher Henlein bezeichnete Neuwirth als den „politischen Rechtsanwalt“ seiner Partei. Die Gauleitung Reichenberg (Liberec) der NSDAP charakterisierte ihn wie folgt: „Da er vertraglich die Verpflichtung zur Führung von politischen Prozessen übernommen hatte, wurde ihm vom VDA ein fixes Gehalt von RM 1000,- gezahlt. In Nikolsburg habe er scharf gegen die Verjudung gerade des dortigen Bezirks Stellung genommen.“ (Zentrales Staatsarchiv der CSSR, Prag, Bestand: Gauleitung Reichenberg)

Nach der Annexion des Sudetengebietes durch die Hitlerfaschisten beschäftigte sich Neuwirth mit Plänen der Vernichtung des tschechischen Volkes. Seine Vorschläge zur faschistischen Ausrottungspolitik legte er in einem Memorandum vom 15. Oktober 1938 unter dem Titel „Bemerkungen zur tschechoslowakischen Frage“ dem Auswärtigen Amt Ribbentrops vor. Dort heißt es:

„Vordringlich ist die Klärung der Hauptfrage: was soll mit dem Reststaate geschehen? Zwei Möglichkeiten erscheinen gegeben: A) Man überlädt die Tschechen sich selbst, riegelt den Reststaat wirtschaftlich ab, übersteigert in Ausmaß und Tempo die wirtschaftlichen und sozialen Schrumpfungserscheinungen, befördert dadurch die Verselbständigungsbestrebungen der Slowaken und Ukrainer bis zur staatspolitischen Separation und nimmt endlich nicht zu vermeidende Unruhen auch sozialer und wirtschaftlicher Schwierigkeiten zum Anlaß, um aus dem Titel der für das Reich unvermeidlichen Ordnungsherstellung rein machtmäßig die historischen Länder zu übernehmen und unter die direkte Hoheitsverwaltung des Reiches zu stellen. Nach der machtmäßigen Einverleibung der Gebiete der historischen Länder müßte jedenfalls eine reine obrigkeitliche Verwaltung eingerichtet werden, die ohne schärfste Anwendung polizeilicher Pressionsmittel mit dem Ziel persekutiver Verdrängung nicht auskommen könnten. Diese Politik ist grundsätzlich möglich, muß jedoch mit allen Konsequenzen und gegebenenfalls erbarmungslos gewollt werden…“ (Zentrales Staatsarchiv der CSSR, Prag, Bestand: Auswärtiges Amt, Nr. D 497783ff.)

Nach der faschistischen Okkupation auch der restlichen Gebiete der ČSR wurde Neuwirth von dem berüchtigten Kriegsverbrecher Heydrich beauftragt, den jüdischen Petschek-Konzern zu liquidieren. Die vom SD gemeinsam mit Neuwirth vollzogene Arisierung dieses Konzerns führte zur Ermordung von 12 Angestellten. Die „arisierten“ Petschek-Unternehmen wurden zum Teil dem faschistischen „Hermann-Göring-Konzern“ einverleibt. Dabei hatte sich Neuwirth als ein besonders geeigneter Fachmann für den Raub jüdischen Vermögens erwiesen und wurde mit der „Reorganisation“ eines weiteren Zweigunternehmens des Petschek-Konzerns, der „Montan- und Industrialwerke AG“ im Falkenauer Gebiet, beauftragt. Nachdem Neuwirth alle jüdischen Teilhaber verdrängt und der Gestapo übergeben hatte, trat er als Mitglied in den Vorstand des „arisierten“ Unternehmens ein.

Zoglmann, Siegfried

DEM „FÜHRER“ VERSCHWOREN

heute:
Leitender Funktionär der „Sudetendeutschen Landsmannschaft“ und parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Bonner Bundestag.

Seit 1928 war Siegfried Zoglmann in der faschistischen Jugendbewegung und seit 1931 als Redakteur und Chefredakteur faschistischer Jugendzeitungen, wie „Jungdeutsches Volk“, „Die Fanfare“ und „Deutscher Ostraum“, tätig. 1935 wurde er Bannführer. Kriegsverbrecher Schirach ernannte ihn zum Leiter der Verbindungsstelle im Presse- und Propagandaamt beim Reichs Jugendführer. Nach der Okkupation der ČSR wurde Zoglmann als Hauptbannführer und später als Gebietsführer Chef der Befehlsstelle Böhmen und Mähren der HJ und Abteilungsleiter beim Kriegsverbrecher K. H. Frank, dem „Reichsprotektor“ im faschistisch besetzten Prag.

In dieser Eigenschaft nahm er an allen internen und „militärisch überwachten“ Veranstaltungen teil. Zu diesem Kreis hatten unter anderen Zutritt: „Reichsprotektor“ K. H. Frank, Oberbannführer Zoglmann, SS-Oberführer Stahlecker, führende Mitglieder der Nazi-Kreisleitung, zu der auch das heutige Vorstandsmitglied des „Witikobundes“, der ehemalige Kreisleiter der NSDAP in Prag, Konstantin Höss, gehörte.

Die von Zoglmann selbst oder zusammen mit anderen Nazi-Größen herausgegebenen Schriften zur „politischen Bildung“ der HJ weisen ihn als einen fanatischen Anhänger des faschistischen Systems aus. In seinem Buch „Jugend erlebt Deutschland“ schrieb er unter anderem: „Deutschland lebt in den marschierenden Kolonnen der SA und im Gleichschritt der jungen Wehrmacht.“ Und an anderer Stelle: „Ein Glaube ist es, der sie eint. Ein Wille, der sie beseelt. Eine Fahne, hinter der sie marschieren. Ein Führer, dem sie sich verschworen.“

In einem Brief an den Kriegsverbrecher Frank vom 20. Januar 1940 bat Zoglmann um die Aufnahme in die SS mit einem seiner Position entsprechenden Dienstgrad. Er bezog sich dabei auf eine Unterredung mit Himmler, die er am 12. Januar 1940 in Berlin hatte. Zoglmann erhielt als Auszeichnung für seine Mitwirkung an der Okkupation der ČSR das „Goldene Ehrenzeichen der HJ“. Seit 1943 gehörte Zoglmann der Waffen-SS an.

Karmasin, Franz

HENKER DES SLOWAKISCHEN VOLKES

heute:
Geschäftsführer des „Witikobundes“, der faschistischen Propagandazentrale der „Sudetendeutschen Landsmannschaft“, Mitglied im „Sudetendeutschen Rat“ und Mitglied der Bundesversammlung“ der von Becher geführten „Sudetendeutschen Landsmannschaft“.

Unter den schwerbelasteten Nazi- und Kriegsverbrechern, die die „Sudetendeutsche Landsmannschaft“ durchsetzen, ragt Franz Karmasin mit seinen grauenhaften Verbrechen gegen das slowakische Volk besonders hervor. Im Jahre 1926 ging er als Funktionär des extrem nationalistischen „Deutschen Kulturbundes“ in die Slowakei, um die dort lebenden deutschen Minderheiten nationalistisch zu beeinflussen und sie in die staatsfeindliche Tätigkeit gegen die ČSR einzubeziehen. Seit dieser Zeit war er auch mit dem Kriegsverbrecher Henlein befreundet, der ihn am 15. Oktober 1937 zu seinem Stellvertreter in der sudetendeutschen Nazi-Partei und zum Beauftragten für die Slowakei ernannte. Nachdem die deutschen Faschisten die ČSR okkupiert hatten, gaben sie der Slowakei unter der Herrschaft des Faschisten Tiso eine formale Selbständigkeit, um den Widerstandswillen des tschechoslowakischen Volkes zu spalten. Dieser formal selbständige slowakische Staat war aber nur ein nazistisches Protektorat. Als NS-Volksgruppenführer und Staatssekretär in der Tiso-Regierung hatte Karmasin die Aufgabe, die slowakischen Faschisten zu kontrollieren und darüber zu wachen, daß sie den Befehlen Hitlers nachkamen.

Nach der Lostrennung der Slowakei von den tschechischen Gebieten organisierte Karmasin den SS-, SA- und Polizeiterror.

Unter den ersten Opfern befanden sich 700 Angehörige der deutschen Minderheit, die, als asoziale Elemente abgestempelt, in die Vernichtungslager der SS transportiert wurden. In seinem Brief vom 28. Juli 1942 an Himmler schrieb Karmasin:

„Reichsführer!

Abermals sehe ich mich veranlagt. Ihnen, Reichsführer, für die neuerliche großzügige Hilfeleistung, die Sie uns durch die Ermöglichung der Aussiedlung asozialer Elemente gewährt haben, den herzlichsten Dank auszusprechen. Die Aktion, die von seiten der Volksdeutschen Mittelstelle Pg. Lackmann und von meinem Amte Dr. Toth durchführte, hatte einen vollen Erfolg… Heil Hitler! Ihr Karmasin.“ (Archiv des tschechoslowakischen Justizministeriums)

Zur Durchführung solcher Aktionen und zur Ausrottung der slowakischen Bevölkerung schuf Karmasin die berüchtigte „Freiwillige Schutzstaffel“ (FS), eine Terrororganisation, die sich in Aufbau, Aufgaben, Geist und Führung in nichts von der SS Himmlers unterschied. Um die Vernichtungspolitik vorzubereiten und die Bevölkerung in „rassisch Minderwertige“ und „rassisch Wertvolle“ einteilen zu können, forderte Karmasin den Chef des SS-Rasse- und Siedlungshauptamtes, SS-Gruppenführer Pancke, bei Himmler an. Im Bericht des SS-Gruppenführers vom 18. Juni 1940 heißt es über das Ergebnis dieses Einsatzes in der Slowakei:

„Die Juden in der Slowakei erfreuen sich heute noch unbeschränkter Freiheit … Lediglich von der Volksgruppe, insbesondere der FS (Freiwillige Schutzstaffel) sind in den Städten, in denen sich eine größere Anzahl Deutscher befindet, durch Terrormaßnahmen Juden vertrieben worden oder ausgewandert. Nach Entfernung der Juden und Zigeuner, außerdem nach Ausschaltung der Magyare und Magyaronen - schätzungsweise 500000 Menschen -kann meiner Ansicht nach dieses Land wieder voll dem Deutschtum zurückgewonnen werden …“ (Ebenda)

Nach dem Besuch des SS-Gruppenführers Pancke sah Karmasin die Zeit gekommen, das Versprechen zu erfüllen, das er und die slowakischen Faschisten Durcansky und Mach im Winter 1938/39 bei einer Unterredung mit Göring gegeben hatten: das jüdische Problem auf gleiche Art und Weise wie in Deutschland zu lösen. (IMT, Bd. III, S. 171) Die „Freiwillige Schutzstaffel“ Karmasins hatte sich in antisemitischen Exzessen bereits bestens bewährt. Sie konnte jetzt zur Deportation der jüdischen Bevölkerung in die Vernichtungslager in großem Maßstab eingesetzt werden:

„Freiwillige Schutzstaffel

FS.-Sturmbann 1                                                                              Preßburg, d. 28. Mai 1942

An das Innenministerium, Abt. XIV

z.H. Dr. Vasko

Unser Zeichen A/St                                                                                       Preßburg

Abt. IV- AZ. 12 a

In der Anlage überreiche ich Ihnen die Namenslisten der FS-Angehörigen, welche in der Zeit vom 7.-23. Mai d.J. als Polizeihilfsdienst bei der Sicherstellung jüdischen Eigentums Verwendung fanden. Ersuche, für dieselben die Vergütung des Lohnentganges erwirken zu wollen.

Heil Hitler - Nastraz

Der Adjutant d. Sturmbannes Asvany“

(Zentrales Staatsarchiv der CSSR, Prag, Bestand: Deutsche Partei)

Von den im Auftrag Karmasins deportierten slowakischen Juden wurden 60000 ermordet. Damit auch wirklich alle Juden in die Vernichtungslager deportiert werden konnten, drang Karmasin noch im Sommer 1944 darauf, alle Juden genauestens zu registrieren:

„Der Führer d. Deutschen Volksgruppe
in der Slowakei

Dringend!!

Preßburg am 2. 6. 1944

Herrn
Minister Alexander Mach

Preßburg

Sehr geehrter Herr Minister!

Ich gestatte mir, Dich auf folgendes aufmerksam zu machen: Zur Durchführung der Verordnung über die pflichtgemäße Anmeldung und die Ausstellung von Bürgerlegitimationen werden Anmeldungsformulare vorbereitet. In diesen Anmeldungsformularen fehlt ausnahmsweise die Rubrik Religion, so daß die ganzen Juden die Möglichkeit haben, sich zu tarnen. Ich hielte es für dringend notwendig, nicht nur diese Rubrik einzuführen, sondern tunlichst auch die Frage zu stellen, zu welcher Religion sie sich vor dem Jahre 1938 bekannten, damit jeglicher Zweifel behoben wird.

Heil Hitler! Nastraz!

Karmasin“

(Archiv des tschechoslowakischen Justizministeriums)

Der Lohn für die Unterdrückung und Ausrottung des tschechoslowakischen Volkes für Karmasin war unter anderem seine Beförderung zum SA-Brigadeführer und SS-Hauptsturmführer.

Himmler, Frank und Henlein entzogen sich durch Selbstmord dem Gericht der Völker. Der Vollstrecker ihrer Politik in der Slowakei, Karmasin, verbarg sich nach 1945 zunächst unter dem Namen Dibak in Österreich und ging später nach Westdeutschland. Obwohl er auf der Kriegsverbrecherliste der CSSR steht, kann Karmasin in Westdeutschland seinen richtigen Namen wieder tragen, ohne Gefahr zu laufen, festgenommen und wegen seiner Verbrechen verurteilt zu werden. Und nicht nur das. Karmasin ist heute einer der einflußreichsten Männer in der „Sudetendeutschen Landsmannschaft“.


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