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Verl��lichkeit und Verantwortung st�rken

Eine Stellungnahme des Kirchenamtes der EKD zur Verbesserung des Rechtsschutzes f�r gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften und zur besonderen Bedeutung und Stellung der Ehe, 2000

I. Ausgangslage

1. Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften sind eine gesellschaftliche Realit�t. Es ist allerdings nur eine kleine Minderheit von gleichgeschlechtlich gepr�gten Menschen, die mit einem Partner oder einer Partnerin in Lebensgemeinschaften leben, die auf Dauer angelegt sind. Viele streben eine solche Lebensgemeinschaft �berhaupt nicht an. Diejenigen jedoch, die eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft bef�rworten oder praktizieren, konfrontieren Gesellschaft, Politik und Rechtsprechung, aber auch die Kirchen teilweise mit der Frage, warum f�r gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften keine Rechtsform zur Verf�gung gestellt wird, wie sie die Ehe f�r die auf Lebenszeit angelegte Verantwortungsgemeinschaft von Mann und Frau darstellt.

Einige europ�ische Nachbarl�nder haben Regelungen f�r eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften eingef�hrt. Es gibt sie in Europa derzeit in D�nemark, Island, den Niederlanden, Norwegen und Schweden. In Frankreich ist ein allgemeines Rechtsinstitut f�r Lebensgemeinschaften ("pacte civil de solidarit�" ["Pacs"]) geschaffen worden; damit soll dem Gesichtspunkt Rechnung getragen werden, da� es noch weitere auf Dauer angelegte, schutzw�rdige Lebensgemeinschaften gibt, die �berdies nicht in jedem Fall an der sexuellen Orientierung ankn�pfen. Die Regelungen sind im einzelnen unterschiedlich. Sie werden in geringerem Umfang in Anspruch genommen, als zum Zeitpunkt der Einf�hrung vermutet werden konnte. Was die langfristigen sozialen Auswirkungen solcher gesetzlichen Regelungen betrifft, lassen sich angesichts des kurzen Erfahrungszeitraumes von nicht mehr als zehn Jahren noch keine verl��lichen Aussagen machen.

Auch in Deutschland gibt es seit einigen Jahren politische Bestrebungen, zu umfassenderen rechtlichen Regelungen f�r gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften zu gelangen. In der letzten Legislaturperiode sind erstmals sowohl �ber den Bundestag als auch �ber den Bundesrat Gesetzesinitiativen ergriffen worden. Die Koalition aus SPD und B�ndnis 90/Die Gr�nen hat sich in ihrer Koalitionsvereinbarung darauf verst�ndigt, auf zivilrechtlicher Ebene ein Institut f�r gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften zu schaffen: "Die neue Bundesregierung will Minderheiten sch�tzen und ihre Gleichberechtigung und gesellschaftliche Teilhabe erreichen. Niemand darf wegen seiner Behinderung, Herkunft, Hautfarbe, ethnischer Zugeh�rigkeit oder sexueller Orientierung als Schwuler oder Lesbe diskriminiert werden. Dazu werden wir ein Gesetz gegen Diskriminierung und zur F�rderung der Gleichbehandlung (u. a. mit der Einf�hrung des Rechtsinstituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit Rechten und Pflichten) auf den Weg bringen. Die Empfehlungen des Europ�ischen Parlaments zur Gleichberechtigung von Lesben und Schwulen werden ber�cksichtigt." Die FDP hat am 22. Juni 1999 den "Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Rechtsverh�ltnisse eingetragener Lebenspartnerschaften" in den Bundestag eingebracht. Anfang 2000 ist der "Rohentwurf" des Bundesministeriums der Justiz f�r ein "Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Sexualit�t: Lebenspartnerschaften" bekanntgeworden. Allerdings l��t sich derzeit noch nicht abschlie�end beurteilen, zu welchem Ergebnis die Meinungsbildung in der Koalition f�hren und wie damit ein offizieller Gesetzentwurf der Bundesregierung bzw. der Koalitionsfraktionen aussehen wird.

Die Evangelische Kirche in Deutschland kann und will sich der Frage nicht entziehen, wie solche Bestrebungen aus der Sicht evangelischen Glaubens und evangelischer Ethik zu bewerten sind. Daf�r sollen hier einige grundlegende Gesichtspunkte an die Hand gegeben werden. Dies geschieht von der �berzeugung her, da� Ehe und Familie der Normalfall des Zusammenlebens bleiben und als solcher zu w�rdigen sind. Der evangelischen Kirche ist wichtig, darauf zu achten, da� die Gewichte nicht verschoben und die Grundstruktur der Gesellschaft nicht aufgrund spezifischer Gegebenheiten, W�nsche oder Erfordernisse von Minderheiten bestimmt und ver�ndert werden. Wohl aber m�ssen Minderheiten in der Struktur unserer Gesellschaft ihren Platz erhalten. Die Evangelische Kirche in Deutschland hat in den vergangenen Jahren mehrfach und mit Nachdruck Ehe und Familie als gute Gabe Gottes herausgestellt und zuletzt 1998 unter dem Titel "Gottes Gabe und pers�nliche Verantwortung" eine "ethische Orientierung f�r das Zusammenleben in Ehe und Familie" ver�ffentlicht. Damit wird die Frage nach gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften und ihrer auch rechtlichen Gestaltung jedoch nicht �berfl�ssig oder entbehrlich.

2. Die Koalitionsvereinbarung der Regierungsparteien �u�ert sich nicht allein zu gleichgeschlechtlichen, sondern dar�ber hinaus zu "allen Formen von auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaften" und stellt fest: "F�r uns haben alle Formen von auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaften Anspruch auf Schutz und Rechtssicherheit". Hier stellen sich Fragen, die im folgenden nicht aufgenommen und weiterverfolgt werden k�nnen. Soweit es allerdings um Bestrebungen geht, f�r auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaften von Mann und Frau neben der Ehe ein weiteres Rechtsinstitut zu schaffen, mu� dem widersprochen werden. Eine solche "Kleine Ehe" h�tte die Folge, die Ehe zu schw�chen und auszuh�hlen.

3. Bei der Beurteilung der Frage, ob es eine eigene Rechtsform f�r gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften geben und wie diese dann aussehen solle, kann nicht von dem grunds�tzlichen Problem abgesehen werden, wie Homosexualit�t und homosexuelle Lebenspraxis ethisch beurteilt werden. Das hei�t allerdings nicht, da� eine kritische oder ablehnende Sicht der Homosexualit�t eine Antwort auf die genannte Frage bereits definitiv vorgibt oder �berfl�ssig macht.

Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat zum Thema Homosexualit�t 1996 eine Orientierungshilfe unter dem Titel "Mit Spannungen leben" vorgelegt. Darin wird festgehalten, "da� es keine biblischen Aussagen gibt, die Homosexualit�t in eine positive Beziehung zum Willen Gottes setzen - im Gegenteil" (S. 21). Die Orientierungshilfe hat gleichwohl vom Liebesgebot als dem Inbegriff des Willens Gottes her die Aufgabe der ethischen Gestaltung einer homosexuellen Beziehung bejaht: "Denjenigen, denen das Charisma sexueller Enthaltsamkeit nicht gegeben ist, ist zu einer vom Liebesgebot her gestalteten und damit ethisch verantworteten gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft zu raten. Die Kriterien, die f�r sie gelten, sind - mit einer wesentlichen Ausnahme [n�mlich der "Funktion von Ehe und Familie als Lebensraum f�r die Geburt und Erziehung von Kindern"] - dieselben, die f�r die Ehe und Familie gelten: Freiwilligkeit, Ganzheitlichkeit, Verbindlichkeit, Dauer und Partnerschaftlichkeit" (S. 35). Hinsichtlich rechtlicher Regelungen hat sich die Orientierungshilfe daf�r ausgesprochen, "da� der Staat im Blick auf gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften diejenigen Benachteiligungen aufhebt oder vermeidet, f�r die keine sachlichen Gr�nde - z.B. zum Schutz der Ehe - bestehen", und da� jedes Regelungsmodell daran zu messen ist, ob es "den Besonderheiten homosexueller Partnerschaften gerecht wird" (S. 36).

Die Orientierungshilfe "Mit Spannungen leben" ist in Kirche, Theologie und �ffentlichkeit auf breite Zustimmung gesto�en, in einigen ihrer Voraussetzungen und Schlu�folgerungen aber nicht ohne Widerspruch geblieben. Sie kann darum faktisch auch in der evangelischen Kirche nicht zum unbestrittenen Ausgangspunkt f�r die Er�rterung der Frage nach m�glichen und geeigneten rechtlichen Regelungen f�r gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften gemacht werden. Die folgenden �berlegungen setzen die Ergebnisse der Orientierungshilfe voraus und kn�pfen an den mit ihr erreichten Sachstand an, ohne sich damit alle ihre Argumente und Positionen zu eigen zu machen.

II. Abw�gungen

Schon die Diskussion dar�ber, ob eine eigene Rechtsform f�r gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften geschaffen werden soll, ruft Besorgnis und Kritik hervor. In diesen Bedenken spiegelt sich das Wissen um die komplexe Dynamik, die allen Formen menschlichen Zusammenlebens innewohnt. Sie ber�hren die emotionalen Tiefenschichten, die Intimit�t der Personen und das soziale Beziehungsgeflecht. Dieses individuell wie gesellschaftlich folgenreiche Geschehen kann in sozialwissenschaftlichen, theologischen oder juristischen Definitionen und Analysen nicht zureichend erfa�t werden. Die m�glichen Folgen rechtlicher �nderungen sind deshalb auch nur sehr schwer abzusch�tzen. Darum ist es vern�nftig, bei Ver�nderungen der rechtlichen Formgebung behutsam vorzugehen. Das hei�t: Es sollte nach L�sungen f�r die anstehenden Probleme gesucht werden, die so wenig wie m�glich in die geschichtlich gewachsene und bew�hrte soziale Struktur eingreifen.

1. Der kulturgeschichtlich bedeutsamste Fall einer solchen Formgebung war und ist die Ehe. Als soziale und rechtliche Institution sch�tzt und st�tzt sie das auf Lebenszeit angelegte Zusammenleben von Mann und Frau. Sie bildet damit den Schnittpunkt von �berindividuellen, gesellschaftlichen Strukturbildungen und individuellen Lebensentw�rfen. Sie schlie�t die Offenheit f�r die Geburt von Kindern, die aus der Liebe von Mann und Frau hervorgehen, ein und stellt den Lebensraum bereit, in dem Kinder aufwachsen und sich auf die vielf�ltigen Herausforderungen des Lebens vorbereiten k�nnen. Auch f�r den Fortbestand eines Gemeinwesens ist es wichtig, da� Kinder geboren werden und in stabilen Beziehungen aufwachsen k�nnen. Die Ehe l��t sich deshalb auch verstehen als partnerschaftliche und elterliche Verantwortungsgemeinschaft, in der sich die Pers�nlichkeit bildet und wesentliche soziale F�higkeiten einge�bt werden.

Die Orientierungskraft der Ehe als Leitbild f�r das auf Dauer angelegte Zusammenleben zeigt sich nicht zuletzt daran, da� sich alle Bem�hungen um eine gesonderte Rechtsform f�r gleichgeschlechtliche Partnerschaften an den Rechten, den Pflichten und der besonderen Stellung der Institution der Ehe orientieren. In beiden F�llen geht es um die ausdr�ckliche Anerkennung umfassender und langfristiger Bindung. Eine intensive Beziehung zwischen zwei Menschen, die alle Dimensionen des Lebens umfa�t, braucht Vertrauen, Verl��lichkeit und Dauer. Aus ethischer Perspektive geht es darum, diese bereichernde und zugleich verletzbar machende enge Lebensgemeinschaft zu st�tzen und zu sch�tzen. Eine rechtliche Regelung in diesem Bereich zielt also auf die St�rkung der Verantwortung im Umgang miteinander. Der enge Zusammenhang der Diskussion �ber gleichgeschlechtliche Partnerschaften mit der Diskussion �ber Verst�ndnis und Stellung der Ehe bildet freilich auch den entscheidenden Hintergrund f�r die Vorbehalte gegen umfassendere rechtliche Regelungen f�r gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften.

Im Vordergrund steht die Bef�rchtung, durch solche Regelungen werde der Schutz von Ehe und Familie ausgeh�hlt. In der Tat darf es eine politische Aufwertung und Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften nicht auf Kosten der sozialen und rechtlichen Stellung der Ehe geben - etwa dadurch, da� ein anderes, konkurrierendes Leitbild f�r das auf Dauer angelegte Zusammenleben etabliert wird oder die Mittel zur sozial- und steuerrechtlichen F�rderung von Ehe und Familie - bei gleichbleibender H�he, aber Verteilung auf einen gr��eren Personenkreis - faktisch vermindert werden. Jede Gesetzgebung mu� zun�chst der fundamentalen Bedeutung der Ehe Rechnung tragen. Sie ist oben mit einigen Hinweisen angedeutet, hat im Grundgesetz in Art. 6 ihren rechtlichen Niederschlag gefunden und ist durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausdr�cklich best�tigt worden. Bei Art. 6 Abs. 1 GG handelt es sich - so das Bundesverfassungsgericht - um "eine wertentscheidende Grundsatznorm". Dieser Artikel "stellt Ehe und Familie als die Keimzelle jeder menschlichen Gemeinschaft, deren Bedeutung mit keiner anderen menschlichen Bindung verglichen werden kann, unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung" (BVerfGE 6, 55 [71]; s. auch BVerfGE 87,1[35]). Der besondere Schutz kommt in grundlegender und das gesellschaftliche Leben pr�gender Weise dadurch zum Ausdruck, da� der Staat die Lebensform der Ehe und Familie als rechtlich geordnete Lebensform anbietet und mit bestimmten Vorteilen verbindet. Daran mu� auch aus evangelischer Sicht unbedingt festgehalten werden: "Aus der Sicht des christlichen Glaubens sind Ehe und Familie die sozialen Leitbilder f�r das Zusammenleben von Menschen unter dem Aspekt der Sexualit�t und Generativit�t. Deshalb ist es zu begr��en, da� Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen" (Mit Spannungen leben, S. 32).

Die Tatsache neuer, �ber den status quo hinausgehender rechtlicher Regelungen f�r gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften stellt freilich f�r sich allein noch keine Schw�chung und Aush�hlung der Institution Ehe dar. Denn Ehe und Familie k�nnen nicht das allgemeine, also f�r alle Menschen verbindliche und verpflichtende Leitbild f�r das menschliche Zusammenleben sein. Weder die einzigartige Bedeutung von Ehe und Familie noch das christliche Leitbild f�r Ehe und Familie werden davon ber�hrt, da� Menschen aus freier Wahl oder durch ihr Lebensgeschick allein leben; auch nicht davon, da� es gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften gibt und f�r sie gesonderte Regelungen existieren.

Umgewichtungen auf der Ebene rechtlicher Regelungen sind h�ufig Ausdruck einer ver�nderten Gesamtlage in der Kultur. Auch Partnerschaftsformen und das Sexualverhalten sind dem Wandel unterworfen. Die Geschichte des Verst�ndnisses von Ehe und Familie zeigt dies. Umgewichtungen sind aber immer auch Ausdruck eines auf die Zukunft gerichteten politischen Gestaltungswillens. Ver�nderte Rechtslagen wirken ihrerseits zur�ck auf Verhaltensdispositionen. Recht kann erhebliche Auswirkungen auf die sittliche Orientierung haben. Insofern kann ein Ver�nderungswille sich nicht nur durch den Verweis auf die faktischen Einstellungs�nderungen in der Gesellschaft legitimieren, sondern mu� Rechenschaft geben k�nnen dar�ber, was l�ngerfristig mit guten Gr�nden als gesellschaftliche Norm gew�nscht und als Sollensanforderung formuliert werden kann.

In dieser Perspektive betrachtet w�re es abwegig, zu unterstellen, durch staatliche Gesetzgebung solle dazu ermuntert werden, da� m�glichst viele Menschen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften leben. Genauso wenig sinnvoll w�re es aber, zu fordern, rechtliche Regelungen d�rften nur f�r jene Lebensbereiche formuliert werden, in denen es um diejenigen Zielvorstellungen geht, die alle oder die Mehrheit anstreben. Werden umfassendere rechtliche Regelungen f�r gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften geschaffen, so geht es nicht um eine Alternative zur Ehe, sondern um die St�tzung des Willens zum verantwortlichen Umgang miteinander in einer vom gesellschaftlichen Normalfall zu unterscheidenden konkreten Situation, n�mlich dort, wo die Lebensform der Ehe nicht gew�hlt werden kann.

In Relation zur Vielzahl von Faktoren, die das Rollenverhalten heute intensiv beeinflussen und pr�gen, etwa zu den Medien, darf das Gewicht einer neuen rechtlichen Regelung f�r gleichgeschlechtliche Partnerschaften im �brigen nicht �bersch�tzt werden. Rechtliche Regelungen k�nnen in jedem Fall nur einen �u�eren Rahmen zur Verf�gung stellen. Sie erf�llen ihren Sinn nur, wenn und wo Individuen bereit sind, die Verantwortung f�reinander auch tats�chlich je neu und individuell in ihrer Lebensgestaltung zu konkretisieren.

2. Ein gewichtiger Vorbehalt bezieht sich auf den Umstand, da�, wie oben dargestellt, eine ver�nderte Rechtslage auf Verhaltensdispositionen zur�ckwirkt. Dies ist insbesondere im Blick auf Menschen mit bisexueller Orientierung und auf Jugendliche zu bedenken. Wird mit einer gesonderten rechtlichen Regelung f�r gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften hier nicht ein Signal gegeben, das zum Ausprobieren einl�dt? Angesichts der offenen und kontroversen wissenschaftlichen Diskussionslage um die Pr�gefaktoren f�r Sexual- und Partnerschaftsverhalten kann eine Urteilsbildung auf wenig gesicherte Kenntnisse zur�ckgreifen. Wegen der grundlegenden Bedeutung der Formen des Zusammenlebens f�r die Ausbildung des Personseins ist aber auf jeden Fall Behutsamkeit bei der Weiterentwicklung der Rechtslage angebracht.

3. Ausgehend von den biblischen Aussagen zur Homosexualit�t wird auch grunds�tzlich Kritik ge�bt an Bem�hungen, f�r gleichgeschlechtliche Partnerschaften eine eigene Rechtsform zu entwickeln. Mu� nicht, wenn die homosexuelle Praxis dem Willen Gottes widerspricht, jegliche Mitwirkung von Christen an neuen rechtlichen Regelungen unterbleiben? Aus christlicher Perspektive entspricht kein Mensch dem Willen Gottes als dem Inbegriff des Guten vollst�ndig. Diese Differenz wird gefa�t im Begriff der S�nde. Die reformatorische Theologie hat erneut die Radikalit�t dieser Differenz zwischen der G�te des g�ttlichen Willens und dem Lebensvollzug jedes Menschen eingesch�rft. Niemand ist ohne S�nde (vgl. Johannes 8,7). Das christliche Verst�ndnis des Menschen als S�nder will sensibel machen f�r einen realistischen Umgang mit der Gebrochenheit und Unvollkommenheit unserer menschlichen Existenz. Sie stimuliert einen Umgang mit uns selbst und der Welt, in dem realistisch und situationsgerecht in einer Welt, die unter der Signatur der S�nde steht, die Gestaltungsverantwortung f�r unser Leben wahrgenommen werden kann (vgl. Jesu Worte �ber Ehescheidung und die Ausstellung eines Scheidebriefs Markus 10,2-6/Matth�us 19,3-9). Das Gesetz hat nach christlichem Verst�ndnis immer auch die Funktion, unter den Bedingungen einer s�ndigen Welt Ans�tze zum Guten und Lebensdienlichen zu sch�tzen und zu st�rken.

III. Perspektiven

1. Ausgangspunkt war die Frage, wie aus der Sicht evangelischen Glaubens und evangelischer Ethik die politischen Bestrebungen zu bewerten sind, zu umfassenderen rechtlichen Regelungen f�r gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften zu gelangen. Die Abw�gungen, die in Auseinandersetzung mit den wichtigsten Bedenken vorgenommen wurden, erlauben einige Schlu�folgerungen. Dabei kann es in keinem Fall darum gehen, detaillierte rechtliche Regelungsmodelle vorzulegen. Ein sinnvoller Beitrag der Kirche besteht aber darin, die staatliche Gesetzgebung kritisch zu begleiten und konstruktiv zu ihr Stellung zu nehmen.

a) Keines der Bedenken n�tigt dazu, die Schaffung rechtlicher Regelungen f�r gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften �berhaupt abzulehnen oder auf sie zu verzichten. Solche Regelungen k�nnen vielmehr den betroffenen Menschen helfen, in stabilen Beziehungen zu leben. Wo dies gelingt, sind sie ein Beitrag zur St�rkung eines von gegenseitiger Verantwortung und Solidarit�t bestimmten Zusammenlebens.

In den heutigen gesellschaftlichen Prozessen lernen Menschen, sich angesichts dauernder Ver�nderungen und ungewisser Entwicklungen Wege offen zu halten, sich nicht festzulegen und festlegen zu lassen und K�ndigungsm�glichkeiten vorzusehen. Dabei werden - vor allem im Bereich der Wirtschaft - Mobilit�t, Durchsetzungsverm�gen sowie Konsum- und Erlebnisorientierung erwartet und belohnt. So rational und unentbehrlich solche Stile und Verhaltensweisen an ihrem Ort sein k�nnen - das Zusammenleben der Menschen braucht, um gedeihlich zu sein, daneben und dar�ber hinaus auch andere Haltungen: Entschiedenheit f�r den Partner, Verl��lichkeit, Solidarit�t und R�cksichtnahme.

Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften k�nnen f�r die beteiligten Partner bzw. Partnerinnen Orte der Bew�hrung und Ein�bung mitmenschlichen Beistandes sein. Gesellschaftliche Anerkennung und rechtlicher Schutz schaffen daf�r verbesserte Voraussetzungen.

b) Die �ffnung des Rechtsinstituts der Ehe f�r gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften oder die Schaffung eines Rechtsinstituts, auf das - ohne den Namen "Ehe" zu gebrauchen - die f�r die Ehe geltenden rechtlichen Bestimmungen unterschiedslos angewandt w�rden, kommen nicht in Betracht. Die Ausweitung der f�r Ehepartner entwickelten Regelungen auf einen weiteren Personenkreis h�tte untragbare, jetzt noch gar nicht in vollem Umfang absehbare Konsequenzen. Realistisch ist dabei in Rechnung zu stellen, da� umfassendere rechtliche Regelungen f�r gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften nicht allein deshalb gefordert werden und in Anspruch genommen w�rden, weil die Verantwortung f�reinander gest�tzt und gesichert werden soll, sondern auch, weil ein Interesse daran besteht, die Vorteile, die mit der Ehe verbunden sind (Versorgungsanspr�che, Nachzugsm�glichkeiten, steuerliche Erleichterungen u.�.), zu nutzen. Vor allem aber ist die Ungewi�heit �ber die psychologischen, sozialen und kulturellen Auswirkungen einer derart tiefgreifenden Ver�nderung zu ber�cksichtigen - dies um so mehr, als derzeit nur eine kleine Minderheit von gleichgeschlechtlich gepr�gten Menschen mit einem Partner oder einer Partnerin in einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft zusammenlebt und viele eine solche Lebensform dezidiert nicht anstreben. Das auf Dauer angelegte menschliche Zusammenleben und die Formen, die sich kulturell und rechtlich daf�r entwickelt haben, sind verletzlich und haben eine komplexe Dynamik. Darum ist ein �u�erst behutsames Vorgehen angebracht.

So spricht vieles daf�r, sich auf solche Regelungen zu beschr�nken, die gravierende und nicht durch Sachgr�nde erzwungene Ungleichbehandlungen gegen�ber der Ehe beseitigen. Es ist sinnvoll, wenn die Rechtsordnung Menschen, die in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft leben, darin unterst�tzt, den gegenseitigen Verpflichtungen nachzukommen, die aus ihrem Zusammenleben entstehen. Rechtliche Regelungen sollten den jeweils schw�cheren Partner sch�tzen, bestehende Vertrauensverh�ltnisse stabilisieren und zum Abbau von Diskriminierungen beitragen. Dabei m�ssen sie die legitimen Bed�rfnisse anderer Menschen und der gesamten Gesellschaft angemessen ber�cksichtigen. In jedem Fall mu� die Unvereinbarkeit einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft mit einer gleichzeitig gef�hrten Ehe festgehalten werden, ebenso, da� man nicht gleichzeitig mehrere solcher Lebenspartnerschaften f�hren kann.

c) Um diese Ziele zu erreichen, kommen grunds�tzlich zwei - deutlich voneinander unterschiedene - Ans�tze einer rechtlichen Regelung in Betracht. Zwischen ihnen ist eine Abw�gung vorzunehmen. Der eine Ansatz geht f�r die auf einzelnen Gebieten angestrebten gesetzlichen �nderungen von einem neu einzurichtenden familienrechtlichen Institut aus; der andere kn�pft an die Form des bereits heute m�glichen privatrechtlichen Vertrags an und erg�nzt die darin getroffenen Regelungen um die �ffentlich-rechtliche Regelung von Sachverhalten, die privatrechtlich nicht zu l�sen sind. Beide Ans�tze stehen sich darin nahe, da� sie f�r die auf einzelnen Gebieten angestrebten gesetzlichen �nderungen lediglich einen formalen Rahmen bzw. einen Ankn�pfungspunkt bieten, dessen materiale Ausgestaltung gesondert erfolgen mu�. In beiden F�llen ist es erforderlich, da� die Mindestanforderungen an eine solche auf Dauer angelegte Lebenspartnerschaft rechtlich festgelegt werden. Desgleichen mu� sichergestellt werden, da� sie nicht in beliebiger Weise aufgek�ndigt werden kann; ihre Aufl�sung ist so zu regeln, da� der schw�chere Partner dabei keinen gravierenden Nachteilen ausgesetzt ist.

Die Einrichtung eines neuen familienrechtlichen Instituts weckt Bedenken, ob dabei nicht eine Verwechselbarkeit mit der Ehe entsteht. Diese Bedenken lassen sich nur ausr�umen, wenn das neue familienrechtliche Institut deutlich enger als die Ehe gefa�t wird und sich strikt auf solche Regelungen beschr�nkt, die gravierende und nicht durch Sachgr�nde erzwungene Ungleichbehandlungen gegen�ber der Ehe beseitigen. Der Abstand zur Ehe kann auch dadurch zum Ausdruck gebracht werden, da� die �ffentliche Registrierung nicht im Standesamt erfolgt.

Der mittlerweile bekanntgewordene "Rohentwurf" f�r ein Lebenspartnerschaftsgesetz (s. oben I.1) ist nicht in der Lage, die Bedenken hinsichtlich einer Verwechselbarkeit mit der Ehe auszur�umen oder zu vermindern. Gemessen an den in dieser Stellungnahme entfalteten Gesichtspunkten kann er keine Zustimmung finden. Er verst�rkt dar�ber hinaus Zweifel, ob es bei der Einrichtung eines familienrechtlichen Instituts f�r gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften �berhaupt gelingen kann, die Verwechselbarkeit mit der Ehe zu vermeiden.

Ein privatrechtlicher Vertrag kann die gegenseitige �bernahme von Verantwortung in einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft nur in einem sehr eingeschr�nkten Umfang regeln. Er bedarf auf einer Reihe von Gebieten erg�nzender �ffentlich-rechtlicher Regelungen. F�r diese aber ist ein einfacher privatrechtlicher Vertrag kein ausreichender Ankn�pfungspunkt. Die weitreichenden Konsequenzen legen vielmehr eine besondere Form, etwa die notarielle Beurkundung, des Vertrages nahe. Die Registrierung der Vertr�ge in einem �ffentlichen Register w�re geeignet, ihnen in bestimmten Zusammenh�ngen Au�enbedeutung zu verleihen und den Rechtsverkehr zu sch�tzen. In dieser Form zustande gekommene vertragliche Vereinbarungen zwischen Partnern k�nnten als Grundlage daf�r dienen, ein pers�nliches N�heverh�ltnis im staatlichen Rechtsverkehr glaubhaft zu machen. Strittig ist, ob eine Registrierung in dieser Form ausreicht, um zu verhindern, da� gleichzeitig mehrere solcher Partnerschaften oder zus�tzlich noch eine Ehe gef�hrt werden.

d) In vielen F�llen kann bereits die Auslegung des geltenden Rechts legitimen Bed�rfnissen gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften angemessen Rechnung tragen. F�r andere F�lle sind gesetzliche �nderungen erforderlich:

  • Im Mietrecht sollten die Voraussetzungen daf�r geschaffen werden, da� mit dem Tod des Mieters der im gemeinsamen Haushalt lebende Partner einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft in den Mietvertrag eintreten kann.
         
  • Die gegenseitige Verantwortungs�bernahme w�rde gest�rkt, wenn im Erbrecht etwa die M�glichkeit gemeinschaftlicher Testamente geschaffen und das Erb- und Schenkungssteuerrecht auf die tats�chlich gelebte Verantwortungsgemeinschaft verst�rkt R�cksicht nehmen w�rde.
         
  • Den in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft lebenden Menschen sollten im Blick auf ihren Lebenspartner und zur Vermeidung pers�nlicher Konfliktsituationen Zeugnisverweigerungsrechte einger�umt werden, die denen von Verlobten, Eheleuten, Verwandten und Verschw�gerten entsprechen.
         
  • Der Stabilisierung bestehender Vertrauensverh�ltnisse und nicht zuletzt der Resozialisierung von Straft�tern dienlich w�re es, Partnern gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften regelm��ige Besuchsm�glichkeiten einzur�umen, wenn einer der Partner eine Haftstrafe verb��t.

Sozial- und steuerrechtliche Regelungen, die ihren Grund auch oder nur im grunds�tzlich m�glichen Vorhandensein von Kindern haben, sollten auf gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften nicht �bertragen werden. Insgesamt k�nnen jedoch Sozial- und Steuerrecht, auch unabh�ngig von der Frage gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften, dem Faktum gelebter Verantwortungsgemeinschaft verst�rkt Rechnung tragen. Dies gilt besonders auch f�r staatliche Unterst�tzung aus Anla� von Kranken- und Alterspflege. Insgesamt wird zu ber�cksichtigen sein, da� die Entwicklung im Sozialrecht aus guten Gr�nden dahin geht, individuelle Leistungsanspr�che zu begr�nden.

Die M�glichkeit gemeinschaftlicher Adoption sollte f�r gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften nicht er�ffnet werden. Faktisch kann es zwar dazu kommen, da� ein Kind in einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft aufw�chst - sei es, weil einer der Partner ein leibliches Kind in die Beziehung mitbringt, sei es, weil die Adoption nach geltendem Recht durch einen der Partner bereits erfolgt ist oder erst erfolgt. Die zus�tzliche Er�ffnung der rechtlichen M�glichkeit zu einer gemeinschaftlichen Adoption aufgrund einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft w�rde jedoch eine Abkehr von der grunds�tzlichen Einsicht bedeuten, da� dem Kindeswohl im allgemeinen am besten in Verh�ltnissen gedient ist, in denen ein Kind mit Vater und Mutter aufwachsen kann, anstatt mit zwei V�tern oder zwei M�ttern aufzuwachsen.

2. Es gibt, wie gesagt, nicht wenige gleichgeschlechtlich lebende Menschen, die eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft f�r sich pers�nlich oder generell f�r gleichgeschlechtlich gepr�gte Menschen nicht anstreben oder sogar ablehnen. In welchem Ma�e es gelingt, durch neue rechtliche Bestimmungen einen wirkungsvollen Beitrag zur St�rkung eines von gegenseitiger Solidarit�t bestimmten Zusammenlebens in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft zu leisten, l��t sich heute noch nicht absch�tzen. Man sollte nicht verkennen, da� die in dieser Stellungnahme zugrunde gelegten ethischen Ma�st�be f�r gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften den beteiligten beiden Partnern bzw. Partnerinnen Pflichten auferlegen und den Willen zu verl��licher Bindung zumuten. Insofern ist die Bejahung und Stabilisierung dauerhafter, umfassender Partnerschaften gleichgeschlechtlich gepr�gter Menschen ein Beitrag zu einem Bildungs- und Gestaltungsproze�, dessen Ausgang offen ist. Es verdient Respekt und sorgf�ltige Beachtung, wenn nicht wenige in Kirche und �ffentlichkeit insbesondere die Risiken dieses Prozesses sehen. Aus der Sicht des evangelischen Glaubens und der evangelischen Ethik erscheint es aber durchaus vertretbar, sich f�r rechtliche Regelungen einzusetzen, die geeignet sind, gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften als Verantwortungsgemeinschaften zu festigen.