Das Beharrungsvermögen der Adipozyten oder warum alle Diäten versagen
- ️Deutscher Ärzte-Verlag GmbH, Redaktion Deutsches Ärzteblatt
Stockholm – Die Zahl der Fettzellen nimmt bis zum Jugendalter ständig zu. Danach bleibt sie lebenslang konstant. Selbst bariatrische Operationen beseitigen die Adipozyten nicht, obwohl eine Untersuchung in Nature (2008; doi: 10.1038/nature06902) ergab, dass jedes Jahr ein Zehntel der Adipozyten ersetzt wird. Diese Studie erklärt, warum Diäten versagen und liefert gleichzeitig Anregungen für neue Behandlungsformen der Adipositas.
Die Forscher ahnen seit langem, dass das endgültige Körpergewicht im Kindes- und Jugendalter bestimmt wird, was die Gruppe um Kirsty Spalding und Mitarbeiter des Karolinska Instituts in Stockholm jetzt bestätigt. Die Forscherin untersuchte Biopsien von 687 Menschen unterschiedlichen Lebensalters und setzte die Zahl und Größe der Fettzellen mit dem Alter und Gewicht der Probanden in Beziehung.
Ergebnis: Die Zahl der Fettzellen im Körper nimmt etwa bis zum 20. Lebensjahr zu. Wer bis zu diesem Alter dick geworden ist, bleibt im Verlauf des weiteren Lebens anfällig für eine Gewichtszunahme. Die Bemühungen zur Gewichtsreduktion scheitern häufig daran, dass keine Diät der Welt die Zahl der Fettzellen vermindert, auch bariatrische Operationen, die heute als die effektivste Methode zur Gewichtsreduktion gelten, ändern daran nichts.
Dies zeigt eine weitere Untersuchung der schwedischen Forscher an 20 Personen, die sich einer Magenverkleinerung unterzogen. Zwei Jahre später hatten die Probanden zwar deutlich an Gewicht verloren (minus 18 Prozent), doch die Zahl der Adipozyten (etwa 80 Milliarden) war gleich geblieben. Die chirurgische Radikalmaßnahme hatte nur den Füllungszustand der Adipozyten verringert. Sollten die Probanden sich einer Revision der Magenverkleinerung unterziehen, würden sie vermutlich innerhalb kurzer Zeit wieder zunehmen.
In einer dritten Untersuchung bestimmte das Team das Alter der Fettzellen. Sie bediente sich dabei der Carbon-14-Methode. Dieses radioaktive Isotop wurde während der Atombombentests in den Jahren 1955 bis 1963 in größeren Mengen in die Atmosphäre freigesetzt. Über die Nahrungskette gelangte es auch in die Fettzellen. In Biopsien von 35 Erwachsenen, die den kalten Krieg miterlebt hatten, wurde jedoch kaum noch C14 im Fettgewebe nachgewiesen.
Die Forscher schließen daraus, dass nicht nur das radioaktive Isotop eine Halbwertszeit hat, sondern auch die Fettzellen. Sie liegt nach ihren Berechnungen bei etwa acht Jahren. Während dieser Zeit wird die Hälfte aller Fettzellen durch neue ersetzt. Das entspricht in etwa einem „Turnover“ von zehn Prozent pro Jahr. Doch werden abgestorbene Fettzellen stets durch neue ersetzt. Die Ergebnisse der schwedischen Forscher zeigen, dass die Zahl der Fettzellen im Körper ständig gleich bleibt.
Das ist eine schlechte Nachricht für alle Menschen, die glauben, durch eine kurzzeitige Diät ihr Körpergewicht normalisieren zu können, um dann ihre früheren Ernährungsgewohnheiten wieder aufnehmen zu dürfen, was, wie alle Studien zeigen, ein Trugschluss ist. Eine Diät kann nur dann erfolgreich sein, wenn sie mit einer dauerhaften Umstellung der Ernährung und mit einem lebenslangen Verzicht auf frühere Gewohnheiten verbunden ist.
Gleichzeitig geht von den Ergebnissen der Studie, sofern die Berechnungen zutreffen, ein positives Signal für die Forschung aus. Denn wenn es einen aktiven Umschlag von Adipozyten gibt, dann muss es biochemische Reaktionen geben, die diesen steuern. Und jede biochemische Reaktion im Körper ist ein Ansatzpunkt für eine Therapie – die in diesem Fall allerdings erst noch gefunden werden müsste. © rme/aerzteblatt.de