Gozzis Komödien | Wer war Carlo Gozzi?
Gozzi verfasste zwischen 1761 und 1765 zehn Märchentheaterstücke, die er „Fiabe teatrali“ nannte.
- L’amore delle tre melarance ( Die Liebe zu den drei Orangen), 1761
- Il corvo (Der Rabe), 1761
- La donna serpente (Die Schlangenfrau), 1762
- Il re cervo (1762)
- Turandot (1762)
- La Zobeide (1763)
- I pitocchi fortunati (Die glücklichen Bettler), 1764
- Il mostro turchino (Das türkisfarbene Ungeheuer) (1764)
- L’augellino belvedere, 1765
- Zeim, re de’ genj (Zeim, König der Geister), 1765
Gozzi schrieb seine Theaterstücke für das sehr gemischte Theaterpublikum Venedigs, das die Unterhaltung suchte. Zu seinen Lebzeiten waren Gozzis Märchentheaterstücke echte Publikumserfolge.
Bis ins 20. Jahrhundert haben Gozzis Stücke viele Autoren und Komponisten inspiriert. Vor allem für Opernlibretti dienten Gozzis Märchentheaterstücke als Vorlagen:
Puccinis Turandot an der Bayerischen Staatsoper. Foto: Wilfried Hösel
- Die Liebe zu den drei Orangen, Oper in vier Akten von Serge Prokofieff, uraufgeführt 1921 in Chikago. Vorlage war Gozzis „L’amore delle tre melarance“.
- Turandot, Oper in drei Akten von Giacomo Puccini, uraufgeführt Mailand 1926, geht zurück auf Gozzis Turandot und Friedrich Schillers gleichnamige Bearbeitung.
- Turandot, Oper von Ferruccio Busoni, 1917,geht zurück auf Gozzis Turandot und Friedrich Schillers gleichnamige Bearbeitung.
- König Hirsch, Oper von Hans Werner Henze, uraufgeführt 1956 in Berlin. König Hirsch geht auf Gozzis „Re Cervo“ zurück.
- Die Feen, Oper von Richard Wagner, uraufgeführt 1888 in München. „Die Feen“ geht zurück auf Gozzis „Donna serpente“.
Die Magie der Märchentheaterstücke
Das phantastische Stegreifspiel ist eine Variante der Commedia dell’arte, die es schon vor Gozzis Zeit gegeben hatte. Zu den Masken und den tragischen Figuren gesellen sich Feen, Zauberer, Geister und Ungeheuer. Gozzi griff für die einzelnen Märchentheaterstücke auf schon bestehende Vorlagen oder Märchensammlungen zurück. Die Handlung beließ Gozzi meist ohne Abwandlungen. Gozzi glaubte selbst an die Existenz von Geistern, Feen und bösen Mächten. Er war auch davon überzeugt, dass übernatürliche Mächte häufig in seinen Alltag eingriffen.
Turandot, Bayerische Staatsoper. Foto: Wilfried Hösel
Mit den fremdländischen Elementen in seinen Stücken zollte Gozzi einen Tribut an die Mode seiner Zeit. Die “Fiabe teatrali” spielen in exotischen Ländern, die tragischen Figuren haben exotische Gewänder und exotische Namen. „Turandot“ spielt beispielsweise in einem Serail in Peking. Dort inmitten verschleierter Sklavinnen stellt Turandot ihre Rätsel. Dass aber ein Serail mit verschleierten Sklavinnen nicht nach China gehört, war damals weniger wichtig, es ging vielmehr um eine exotische Aura.
Erdbeben, Blitz und Donner
Um das Publikum in Atem zu halten, ließ es Gozzi im wörtlichen Sinne krachen. Erdbeben, Blitz, Donner, Kanonenschüsse, Feuer kamen in seinen Stücken ständig vor. In “Die Frau eine Schlange” zum Beispiel bebt die Erde in allen drei Akten. Ebenso gewittert es in diesem Stück in allen drei Akten. Ständige Schauplatzwechsel dienten sicherlich auch dazu, die Zuschauer zu fesseln.
Gozzis Tragikkomik
Publikumswirksam war auch das Schwanken zwischen Tragik und Komik. Über eine Aufführung von „Der Rabe“ schrieb Gozzi:
„Das Auditorium ging mit der größten Leichtigkeit vom Lachen zum Weinen über und befriedigte meine Absicht”
Neben den tragischen Figuren treten bei Gozzi die komischen Masken der Commedia dell’arte auf. Die Masken repräsentieren das einfache Volk und sprechen die Alltagssprache, die durchaus auch mal derb sein kann. Die Masken sprechen nicht in Versen, sondern Prosa.
Die tragischen Figuren gehören der Welt des Adels an. In starkem Kontrast zu den Masken sprechen die tragischen Figuren eine rhetorisch kunstvolle Hochsprache. Gozzi setzte diese artifizielle Sprache bewußt in Hinblick auf den Effekt ein, inhaltlich sind die elfsilbigen Verse (der italienische Endecasillabo) oft eher schwach. Teilweise übertreibt Gozzi mit der Stilisierung der Sprache.
Gozzi und die Schauspielertruppe Antonio Sacchi
Gozzi schrieb alle Theaterstücke für die Schauspielertruppe Antonio Sacchi. Es ist anzunehmen, dass diese geübten Schauspieler über die offenkundigen Schwächen von Gozzis Stücken hinweggetäuschten und ganz maßgeblich zu Gozzis Erfolg beitrugen.
Gozzi war nicht nur Autor, sondern übernahm auch die Funktion eines Regisseurs und Schauspiellehrers. Einige Rollen hat Gozzi so manchem Schauspieler von Antonio Sacchi „auf den Leib geschrieben“.
Großes Foto: ©Hösel/Bayerische Staatsoper/Turandot; Text: Antje Gessner