Geschichte
Von den Anfängen bis zur Gegenwart
Auf mehr als 130 Jahre Geschichte blickt das Museum für Völkerkunde bereits zurück. Von Leipziger Bürgern gegründet und gefördert ist es mit seinen etwa 200.000 Sammlungsobjekten und einem umfangreichen Bestand an Fotos und Dokumenten in den wissenschaftlichen Archiven zu einer der führenden und größten Einrichtungen dieser Art in Deutschland herangewachsen.
Der Grundstein des Museums wurde durch den Ankauf der umfangreichen bürgerlichen Privatsammlung des Dresdner Hofrates und Oberbibliothekars Dr. Gustav Klemm gelegt, der ein bedeutender Kulturhistoriker seiner Zeit war. Für seine Sammlung hatte sich Klemm Zeit seines Lebens eine Heimstatt gewünscht, ein Museum für die Kulturgeschichte der Menschheit. Dieser Traum begann leider erst nach seinem Tode mit der Gründung des Leipziger Museums für Völkerkunde im Jahr 1869 Wirklichkeit zu werden.
Dank der unermüdlichen Sammelleidenschaft und Organisationsgabe der Direktoren und Mitarbeiter des Museums konnte der Sammlungsbestand in den darauffolgenden Jahren beträchtlich erweitert werden. Viele seiner kostbaren Bestände verdankt das Museum Freunden des Hauses, Mäzenen und Förderern. Berühmte Persönlichkeiten wie Heinrich Schliemann, der Entdecker von Troja, die Verlegerdynastien Brockhaus und Meyer, zu denen auch der große Forscher und Erstbesteiger des Kilimanjaro Hans Meyer zählt, waren seinerzeit dem Museum für Völkerkunde zu Leipzig eng verbunden.
Doch auch im Hinblick auf seine Ausstellungs- und Bewahrungstätigkeit ist das Museum stets rege gewesen. Dabei musste es sechsmal sein Quartier wechseln und der Zweite Weltkrieg hat mit der Vernichtung eines Fünftels seiner Sammlung schreckliche Spuren hinterlassen.
Seit 1929 ist das "neue" Grassimuseum am Johannisplatz Domizil des Völkerkundemuseums. Dieses Gebäude, 1943 weitestgehend zerstört, wurde von Januar 2001 bis Juni 2005 saniert und war darum für die Öffentlichkeit geschlossen. Während des Umbaus präsentierte sich das Museum für Völkerkunde zu Leipzig im Interim Mädlerpassage mit einer kleinen Dauerausstellung "Völker - Sammler - Forscher". Ausgewählte Kostbarkeiten aus den Sammlungen gaben einen Einblick in die wechselvolle Geschichte des Hauses.
Mit Beginn des Umzugs 2005 in das rekonstruierte Grassimuseum schließt das Interim in der Mädlerpassage. Im November 2005 werden die ersten Teile der neuen Dauerausstellungen eröffnet. Pünktlich zum 140-jährigen Jubiläum des Museums ist die Dauerausstellung "Rundgänge in einer Welt" im Jahr 2009 komplett eingerichtet und führt erstmals seit 100 Jahren wieder durch alle Teile dieser Erde.
Ständig wechselnde Sonderausstellungen sowie ausstellungsbegleitende Veranstaltungen, wie Vorträge, Führungen und museumspädagogische Aktionen vervollständigen das umfangreiche Angebot des Museums.
1869 | Aufruf zu Beiträgen für die Erwerbung der culturhistorischen Sammlung des verstorbenen Hofraths Dr. Klemm zur Begründung eines allgemeinen anthropologischen Museums in der Leipziger Zeitung - Gründungsurkunde des Museums |
1870 | Erwerb der Klemm-Sammlung und vorläufige Einlagerung im Gebäude des ehemaligen chemischen Laboratoriums |
1873 | der Verein "Museum für Völkerkunde" erwirbt die Rechte einer juristischen Person und leitet etwa 30 Jahre lang die Geschicke des Museums, ihm werden Räume im alten Johannishospital überlassen |
1874 | offizielle Eröffnung des Museums im ehemaligen Johannishospital |
1878 | Erwerb der Sammlung der "Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens" in Tokio - Grundstock der Asien-Abteilung |
1884 | Hermann Obst, Initiator des Aufrufs von 1869, wird erster Direktor des Museums |
1885 | Erwerb der ethnographisch-anthropologischen Abteilung des Museums Godeffroy in Hamburg - Grundstock der Ozeanien-Abteilung des Museums |
1887 | Erwerb der bereits vollständig katalogisierten archäologisch-ethnographischen Sammlung der Reisenden Reiß und Stübel - eigentlicher Grundstock der Amerika-Abteilung |
1888 | Umzug des Museums in die ehemalige Buchhändlerbörse |
1891 | Umzug in den Prüfungssaal des ehemaligen Konservatoriums |
1892 - 1895 | Errichtung des alten Grassimuseums am Königsplatz |
1895 | Umzug des Museums in das Grassimuseum am Königsplatz, die Sammlungen gehen in den Besitz der Sadt Leipzig über |
1896 | das alte Grassimuseum wird in einem feierlichen Akt eingeweiht |
1901 | Karl Weule wird stellvertretender Direktor des Museums und erhält gleichzeitig eine außerordentliche Professur für Völkerkunde und Urgeschichte an der Universität Leipzig |
1904 | die Verwaltung des Museums wird von der Stadt Leipzig übernommen |
1907 | Karl Weule wird zum Direktor des Museums berufen |
1914 | in den Räumen des Museums werden das "Königlich-Sächsische", später "Staatlich-Sächsische Forschungsinstitut für Völkerkunde" sowie das Ethnographische Seminar der Universität Leipzig - das erste seiner Art in Deutschland - gegründet |
1914 - 1918 | der Museumsbetrieb wird durch den 1. Weltkrieg sehr stark in Mitleidenschaft gezogen |
1919 | auf Initiative Karl Weules wird Völkerkunde an den höheren Schulen Sachsens als fakultatives Lehrfach eingeführt |
1920 | mit der Vergabe des ersten Ordinariats für Völkerkunde an einer deutschen Universität an Karl Weule wird Leipzig zu einem Mittelpunkt völkerkundlicher Lehre und Forschung in Deutschland |
1923 | die Museumstätigkeit kommt infolge der Inflation in Deutschland fast völlig zum Erliegen |
1925 | Fritz Krause wird zum Professor für Völkerkunde an der Universität Leipzig berufen, er versieht den vollen Universitätslehrbetrieb für Völkerkunde |
1925 - 1929 | Errichtung des neuen Grassimuseums am Johannisplatz, auf dem Gelände, auf dem das Völkerkundemuseum 1873 seine erste Heimstatt bezog |
1927 | das Museum zieht in das schlüsselfertig übergebene neue Grassimuseum um, Fritz Krause wird nach dem Tode Karl Weules zum neuen Direktor berufen |
1929 | das neue Grassimuseum wird feierlich eingeweiht, gleichzeitig wird auf Anregung Fritz Krauses die "Gesellschaft für Völkerkunde" (ab 1938 "Deutsche Gesellschaft für Völkerkunde") gegründet |
1930/31 | die tiefgreifende Sparpolitik der Stadt Leipzig als Folge der Weltwirtschaftskrise wirkt sich auch auf das Museum aus |
1932 | Fritz Krause wird Leiter des "Bundes der Deutschen Museen für Völkerkunde" als Abteilung des Deutschen Museumsbundes |
1939 | der Ausbruch des II. Weltkrieges legt alle Museumsaktivitäten still, die geschäftlichen und wissenschaftlichen Beziehungen zum Ausland werden unterbrochen |
1943 | das Museum wird durch den größten Luftangriff auf Leipzig weitestgehend zerstört, etwa 30.000 Objekte gehen in den Flammen unwiederbringlich verloren |
1945 - 1955 | Fritz Krause und alle leitenden Beamten des Museums werden durch die Alliierten amtsenthoben, das Museum wird von verschiedenen Persönlichkeiten kommissarisch geleitet |
1947 | Beginn des systematischen Wiederaufbaus des Museums und seiner Inneneinrichtung |
1953 | das Museum wird dem Staatssekretariat für Hochschulwesen, dem späteren Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen, unterstellt und erhält den Status einer "Staatlichen Forschungsstelle" |
1954 | mit den Abteilungen "Ozeanien/Australien" und "Indonesien" erfolgt die Eröffnung der ersten Dauerausstellung des Museums nach dem II. Weltkrieg |
1955 | Hans Damm wird zum Direktor des Museums berufen |
1960 | das Museum wird Mitglied der "International Union of Anthropological and Ethnological Sciences" |
1969 | die von den Mitarbeitern des Museums vorgesehene Jubiläumsfeier anlässlich seiner Gründung vor 100 Jahren wird seitens des Ministeriums abgesetzt mit dem Hinweis, das Museum "hat seine koloniale Vergangenheit noch nicht genügend aufgearbeitet" |
1970 | Wolfgang König tritt die Nachfolge Hans Damm's als Direktor des Museums an |
1971 | Emission von vier Briefmarken der Deutschen Post mit Motiven aus den Sammlungen des Museums |
1974 | eine statistische Erhebung ergibt, dass das Museum seit 1948 insgesamt 196 Ausstellungen präsentierte, davon 75 eigene und 9 Gastausstellungen sowie 112 in anderen Einrichtungen |
1975 | internationales Symposium "Die Nomaden in Geschichte und Gegenwart" am Museum |
1979 | internationale Tagung "Ausbeutungs- und Abhängigkeitsverhältnisse..." im Museum |
1980 | Lothar Stein wird zum Direktor des Museums berufen |
1981 | eine Havarie der Heizungsanlage im Grassimuseum hat eine Schließung der Ausstellungen zur Folge |
1985 | Wiedereröffnung der Dauerausstellungen |
1988 | neue Restaurierungswerkstätten für verschiedene Materialgruppen werden eingeweiht |
1990 - 1992 | Rückführung von etwa 45.000 ethnographischen Objekten, die 1977 bis 1979 auf Anweisung der Regierung der DDR aus Leningrad übernommen und im Museum eingelagert worden waren, an das Museum für Völkerkunde Berlin-Dahlem |
1991 | das Museum wird dem Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst unterstellt |
1994 | alle Aktivitäten des Museums sind seinem 125. Gründungsjubiläum gewidmet, die Deutsche Bundespost gibt aus diesem Anlass eine Sondermarke und einen Sonderbrief heraus, als Höhepunkt wird eine Internationale Konferenz zum Thema "Museum gegen Fremdenfeindlichkeit" mit Beteiligung des ICOM veranstaltet |
2000 - 2002 | wegen Rekonstruktion des Grassimuseums zieht das Museum mit seinem gesamten Bestand an Objekten, Büchern und Archivalien in ein Interim (Mädlerpassage, Grimmaische Straße) |
2001 | Claus Deimel wird zum Direktor des Museums berufen |
2004 | Fusion der sächsischen Völkerkundemuseen Leipzig, Dresden und Herrnhut; Gründung der Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen zum 1. Januar |
2005 | am 30. September schloß das Interim in der Mädlerpassage. Nach fünfjähriger Rekonstruktion zog das GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig in sein altes Domizil am Johannisplatz und eröffnete im November den ersten Teil seiner neuen Dauerausstellung "Rundgänge in einer Welt" |
2009 | der letzte Teil der Dauerausstellung "Rundgänge in einer Welt" konnte im November eröffnet werden, nun führt die Ausstellung erstmals seit über 100 Jahren wieder durch alle Regionen der Erde |
2010 | die Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen mit den Völkerkundemuseen in Leipzig, Dresden und Herrnhut gehören nun zu dem Verbund der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden |
2015 | Nanette Jacomijn Snoep wurde ab 1. Februar zur neuen Direktorin berufen |