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Eine Affäre mit Nachspiel

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  • ️Fri Jan 14 1983

14. Januar 1983, 7:00 Uhr

Sie kamen mit Verspätung. Am vorigen Dienstag ließ die Bundesanwaltschaft die Redaktionsräume des linken Hamburger Magazins konkret und die Wohnungen von Chefredakteur Manfred Bissinger und seinem Mitarbeiter Jürgen Saupe durchsuchen. Begründung: Sie seien verdächtig, „ein Staatsgeheimnis, das von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung geheimgehalten wurde, öffentlich bekanntgemacht und dadurch fahrlässig die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verursacht zu haben“.

konkret hatte die Geheimnisse freilich schon vor zehn Monaten, groß aufgemacht, publiziert. Manfred Bissinger kündigte damals seinen Lesern „unglaubliche Geschichten“ an: die dubiosen Erinnerungen des Ministerialdirigenten Hans Langemann, zu jenem Zeitpunkt Chef des bayerischen Verfassungsschutzes und zuvor Agentenführer des Bundesnachrichtendienstes. Das war ein Sammelsurium aus abgestandenen Affären und alten Skandalen. Langemann erzählte beispielsweise, daß der BND sich auch der Inlandsaufklärung gewidmet und wie er, Langemann, sich um den Privatmann Franz Josef Strauß verdient gemacht hatte. Der Verfassungsschützer hatte diese Geschichten auf Tonbänder gesprochen, die dann konkret zugespielt worden waren.

Von März bis Mai 1982 veröffentlichte konkret die gesammelten Erinnerungen. Dann erwirkte Langemann, der sofort von seinem Amt suspendiert worden war, eine einstweilige Verfügung. Denn er sei, so behauptete er im nachhinein, von der Veröffentlichung in „diesem Schmierenblatt“ überrascht worden.

Monatelang schwelte die Langemann-Affäre vor sich hin. Ein Untersuchungsausschuß des bayerischen Landtags versuchte die Frage zu klären, ob der Ministerialdirigent sich dienstliche Vergehen hatte zuschulden kommen lassen und ob Innenminister Tandler, Laagemanns Vorgesetzter, davon gewußt hatte. Auch Bissinger sagte aus und übergab dem Ausschuß die inkriminierten Tonbänder.

Als die Bundesanwaltschaft nun in Hamburg anrückte, gab sich Bissinger verwundert. Die Geheimnisse hätten doch auf dem Tisch gelegen; die Affäre sei ja längst schon tot. Der konkret-Chef argwöhnt, es sei jetzt nicht mehr um neues Material für das juristische Skandalnachspiel gegangen, sondern um Politisches; Die Beschlagnahmeaktion war vom Bundeskanzleramt beantragt worden und die neue Regierung, so stellt sich das Bissinger dar, versuche jetzt, ein ihr mißliebiges Presseorgan einzuschüchtern. Gerhard Spörl

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