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«Notlügen sind manchmal gut»

  • ️Sun May 02 2021

Die Basler Literaturprofessorin über ihre Liebe zu den Wissenschaften und Künsten – und über ihr neues Buch zum Thema Halbwahrheiten und Fake News.

Publiziert: 02.05.2021, 09:05

Die Basler Literaturprofessorin Nicola Gess glaubt an die Kraft der Imagination und wünscht sich manchmal, dass der Tag mehr als 24 Stunden hat. 

Die Basler Literaturprofessorin Nicola Gess glaubt an die Kraft der Imagination und wünscht sich manchmal, dass der Tag mehr als 24 Stunden hat.

Foto: Philipp von Ditfurth

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Nicola Gess ist seit 2015 ordentliche Professorin für Neuere deutsche und Allgemeine Literaturwissenschaft an der Universität Basel. Ihre Interessen sind breit gestreut, und ihre Forschungsprojekte überraschend und vielfältig. Nah dran an der sinnlichen Wahrnehmung, verbindet sie ästhetische und literaturwissenschaftliche Fragen mit politischen Themen. Um sie näher kennen zu lernen, haben wir sie gebeten, folgende Sätze zu ergänzen.

  1. Müsste ich mich zwischen Musik und Literatur entscheiden, dann würde ich... mich wohl für die Oper entscheiden, die beides vereint.

  2. Ein Musikstück und ein Buch, die mein Leben verändert haben... Luigi Nonos Streichquartett «Fragmente – Stille, An Diotima» und Walter Benjamins autobiografische Skizzen «Berliner Kindheit».

  3. Literatur ist zentral für eine Gesellschaft und funktionierende Demokratie, weil sie… ästhetische Erfahrungen ermöglicht, Empathie und kritisches Urteilsvermögen fördert, vergangene menschliche Erfahrungen archiviert, unsere Gegenwart reflektiert und dem Denken den Raum der Imagination eröffnet.

  4. Die Geisteswissenschaften sind unverzichtbar, weil sie… das Wissen einer Kultur von sich selbst generieren.

  5. Als Literaturprofessorin sollte man… den Brückenschlag zu anderen Disziplinen – wie zum Beispiel der Soziologie, der Geschichte und Philosophie – nicht scheuen.

  6. Das Thema Fake News ist nicht nur für die Medienwissenschaft interessant, sondern auch für die Literaturwissenschaft, weil... man dafür auch etwas von Fiktionstheorie, Erzähltheorie und manchmal auch von Rhetorik verstehen muss.

  7. Gefälschte Reportagen sind keine Literatur, weil… sie die Leserinnen über ihre fiktiven Inhalte im Unklaren lassen.

  8. Ein Roman ist kein Fake, weil… er nicht Fälschung, sondern Fiktion ist und ein Roman die Leserinnen nicht betrügt, sondern sie nur für die Dauer der Lektüre und mit ihrer Zustimmung in eine fiktive Welt entführt.

  9. Halbwahrheiten sind gefährlicher als Lügen, weil… sie sich nicht so leicht widerlegen lassen und letztlich die Unterscheidung von Wahrheit und Unwahrheit einebnen.

  10. Notlügen sind manchmal gut, weil… sie peinliche Situationen verhindern.

  11. Ein Punkt, bei dem ich mich gerne selbst belüge, ist... dass der Tag mehr als 24 Stunden hat.

  12. Obwohl ich es nicht beweisen kann, glaube ich an... die Kraft der Imagination, die Macht der Rede und die Notwendigkeit der Kritik.

  13. Glaubwürdig sind für mich Politikerinnen und Politiker, wenn… sie die Grundlagen ihrer Entscheidungen transparent machen und sich an ihren eigenen Zielen messen lassen.

  14. Könnte ich die Medienlandschaft verändern, würde ich… die kommerzielle Nutzung des Internets verbieten.

  15. Die politische Bedeutung des Theaters schwindet, aber… die Bedeutung des politischen Theaters nimmt zu.

  16. Meine Forschungsergebnisse über die «Kulturgeschichte des Donners» sind relevant, weil… man daraus viel über die Symbole von Herrschaft im Barocktheater sowie über rhetorische, theatrale und experimentalwissenschaftliche Knalleffekte lernen kann.

  17. Wenn ich unverhofft im Lotto gewinnen würde, dann… würde ich mit dem Geld in Basel ein Institut für Literatursoziologie gründen.

  18. Drei Dinge, die ich den Studierenden – ausser Fachwissen – mit auf den Weg geben möchte: Neugier, Mut und Leidenschaft.

  19. Drei berühmte Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftler, die ich bewundere und gerne zum Abendessen einladen würde: den Kulturwissenschaftler Aby Warburg, die Philosophin und Feministin Simone de Beauvoir und den Musikwissenschaftler Carl Dahlhaus.

  20. Die bekannteste Person, mit der ich in meinem Leben gesprochen habe, ist… Jacques Derrida.

  21. Wenn ich nicht Literaturwissenschaftlerin wäre, wäre ich am liebsten… wieder Studentin.

  22. Glück ist für mich… die Erfahrung von Selbstwirksamkeit.

  23. Eine Frage, die ich mir selber immer wieder stelle: Wann wird diese Pandemie endlich hinter uns liegen?

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