Sumo-Sport allgemein / Chiyonofuji / Chiyotaikai / Terao by Thomas Staedeli
- ️Thomas Staedeli
In der Neuzeit des Sumo (ab 1958) werden pro Jahr sechs Turniere ausgetragen.
Während der Sumo-Sport über Jahrhunderte in der Hand der Japaner war, musste das Publikum der Neuzeit eine grosse Umwälzung hinnehmen. Mit der Öffnung des Sports für Ausländer avancierten ab Ende 2002 die Mongolen zur Grossmacht. Zuvor gab es schon ausländische Siege durch die Hawaiianer Konishiki, Akebono und Musashimaru, doch deren Dominanz war nicht zu vergleichen mit den Mongolen, die ab 2006 so gut wie alle Turniersiege unter sich ausmachten. Es dauerte genau zehn Jahre, ehe nach dem letzten japanischen Sieger Tochiazuma im Januar-Turnier 2006 wieder ein Japaner das Turnier für sich entscheiden konnte, als Kotoshogiku im Januar-Turnier 2016 überraschend gewann. Zuvor konnten zwar wenige nicht aus der Mongolei stammende Kämpfer das Turnier für sich entscheiden, diese kamen aber aus Bulgarien mit Kotooshu im Mai 2008 und aus Estland mit Baruto im Januar 2012.
Der Rekordhalter an Anzahl Siegen war seit 1971 der japanische Yokozuna Taiho mit 32 Turniersiegen. Doch dieser wurde schliesslich vom mongolischen Yokozuna Hakuho im Januar 2015 übertroffen und schliesslich pulverisiert. Der neue Rekord steht zur Zeit bei 44 Siegen.
Regeln
Die Arena, wo die Kämpfe ausgetragen werden, wird Dohyo genannt.
Das Dohyo misst 5 1/2 m im Quadrat und ist 61 cm hoch und wurde aus einem
speziellen Lehm konstruiert. Die harte Oberfläche ist mit einer dünnen
Schicht Sand bedeckt. Die Arena ist begrenzt durch einen inneren Kreis
von etwas mehr als 4 1/2 m Durchmesser. Ueber dem Dohyo, aufgehängt
an der Decke, ist ein Dach, ähnlich einem Shinto-Schrein mit vier
gigantischen Quasten, die an jeder Ecke herunterhängen und die vier
Jahreszeiten symbolisieren.
Ein Kampf wird entschieden, indem man
seinen Gegner dazu zwingt, den inneren Kreis zu verlassen oder ihn innerhalb
des Dohyo zu Fall zu bringen. Dabei genügt es, wenn der Kämfer
mit dem Knie oder auch nur mit der Fingerspitze den Boden berührt,
um den Kampf zu verlieren. Auch das Ueberschreiten des inneren Kreises
mit einer Zehe oder der Ferse genügt, um als Verlierer ausgerufen
zu werden. Folgende Griffe und Schläge sind bei einem Sumo-Kampf nicht
erlaubt: Schläge mit der Faust (Schläge mit der offenen Handfläche
hingegen sind gestattet und werden sehr gerne angewendet), an den Haaren
reissen, in die Augen stechen, das Traktieren der Genitalien und das Treten
in die Magengegend. Ebenfalls nicht regelkonform ist der Griff an jenen
Teil des Mawashi (Gürtel), der die Genitalien abdeckt. Im Sumo-Sport
gibt es im Gegensatz zum Boxen und der westlichen Form des Ringens keine
Gewichtslimite. Daher ist es möglich, dass sich ein Kämpfer einem
doppelt so schweren Gegner gegenübersieht. Als Konishiki noch aktiv
war, brachte er es auf über 280 kg und trug unter anderem Duelle mit
Leichtgewicht Terao aus mit 114 kg. Der Schwerere ging jedoch keineswegs
immer als Sieger hervor.
Es gibt sechs grosse Turniere pro Jahr;
drei werden in Tokyo abgehalten, die anderen in Osaka, Nagoya und Kyushu.
Ein Turnier dauert 15 Tage und an jedem einzelnen Tag Kämpfen die
Rikishi
(Sumo-Kämpfer) jeweils einmal gegen einen anderen Gegner. Der Gewinner
des Turniers, also jener, mit den meisten Siegen, gewinnt den "Emperor's
Cup" am Finaltag. Dazu werden noch drei weitere Preise verliehen: der "Shukunsho"
für den Rikishi, der die meisten Yokozuna und Ozeki während des
Turniers geschlagen hat; den "Kantosho" für den grösstsen
kämpferischen Geist und den "Ginosho" für herausragende
Techniken. Um für einen dieser Preise in Frage zu kommen, bedingt
es, dass der Rikishi während des Turniers mindestens 8 Siege erlangt
hat.
Hierarchie
Zum heutigen Zeitpunkt gibt es rund 800 Rikishi im professionellen Sumo
(vom Anfänger bis zum Yokozuna). Nach jedem grossen Turnier wird die
Banzuke
(Rangliste) neu nachgeführt, wo ein Rikishi je nach Leistung im Turnier
die Tabelle hoch oder runter kommt. Die neue Banzuke wird von der Nihon
Sumo Kyokai herausgegeben und jeweils in einer altertümlichen, stilisierten
Kalligraphie gedruckt. Die Rikishi werden zuerst in Ost- und West-Teams
unterteilt, obwohl diese nicht als Teams im Turnier auftreten und ein Kämpfer
aus Ost nicht zwangsläufig gegen einen aus West antreten muss. Generell
gilt der in Ost eingeteilte Kämpfer als der bessere unter den gleichrangigen
(z.B. Maegashira Nr. 8 - Ost und Maegashikra Nr. 8 - West). Die Rangliste
wird in grossen fetten Buchstaben von den höher-klassierten Rikishi
aus der Makuuchi-Division angeführt (Yokozuna bis Komusubi). Die Makuuchi-Gruppe
umfasst die fünf Top-Ränge Maegashira 15 - 1, Komusubi,
Sekiwake, Ozeki and Yokozuna.
Die Kämpfer-Anzahl in dieser Division
bewegt sich innerhalb von 40. Rund 10 Kämpfer befinden sich in den
oberen vier Rängen (ab Komusubi). Unter der Makuuchi-Division werden
in der Rangliste in kleineren Buchstaben die Namen der Kämpfer aus
der Juryo- und Makushita-League aufgeführt. Danach folgen die Sandanme-,
die Jonidan- und am Schluss die Thejonokuchi-Kämpfer.
Die Kämpfe beginnen jeweils am Morgen
mit den rangniedrigsten Rikishi, gefolgt von den mittleren Rängen
bis zum Showdown der Yokozuna am Abend. Der Rang eines Yokozuna ist einzigartig.
In den letzten dreihundert Jahren, seit es diesen Titel gibt, wurden erst
68 als Yokozuna ausgezeichnet (siehe Auflistung aller
Yokozunas). Der Yokozuna kann als einziger nicht mehr zurückgestuft
werden, selbst wenn er ein schlechtes Turnier abliefern sollte. Stattdessen
wird vom Ehrencodex eines Yokozunas erwartet, dass er aus eigenem Willen
bei schlechter Leistung zurücktritt. Bevor ein Rikishi für den
Rang eines Yokozuna in Frage kommt, muss er zwei Turniere hintereinander
im Range eines Ozeki gewinnen und zusätzlich in den Augen des Sumo
Kyokai als würdig empfunden zu werden, diese Position auszufüllen.
Dies hängt in erster Linie auch vom Lebenswandel eines Kämpfers
ab, da er eine Vorbildfunktion für das Volk einnimmt. Um den Rang
eines Ozeki zu erreichen, muss der Kämpfer in drei aufeinanderfolgenden
Turnieren mindestens 32 Kämpfe im Range eines Sekiwake gewonnen haben.
Den Rang eines Ozeki verliert man, wenn man zwei Turniere hintereinander
mit Make-Koshi abschliesst. Man hat dann allerdings nochmals die Chance,
mit einem 10 zu 5 Record im nächsten Turnier wieder direkt in den
Rang eines Ozeki aufzusteigen, ehe man wieder das übliche Prozedere
mit 32 Turniersiegen in 3 Turnieren über sich ergehen lassen muss.
Für alle anderen Ränge reicht ein Aufstieg in die nächst
höhere Stufe durch ein sogenanntes Kashi-Koshi (mindestens
8 Siege pro Turnier) oder Abstieg durch ein Make-Koshi (mindestens
8 Niederlagen pro Turnier).
Zeremonie
Der Sumo hat es geschafft, die festgelegten Rituale und traditionelle Etikette
bis zum heutigen Tage am Leben zu erhalten, was im schnellebigen Sport
einmalig ist.
An jedem Turniertag wird unmittelbar vor
dem Start der Kämpfe das farbenprächtige Dohyo-Iri oder
"Eintritt in den Ring" abgehalten. Von einem Gang her tritt die eine Gruppe
der Rikishi in umgekehrter Reihenfolge ihres Ranges mit ihren reichgeschmückten
Kesho-Mawashi
(Zeremonien-Schürze) ein. Diese aus Seide hergestellten, mit Gold
eingefassten Umrandung und mit unterschiedlichen Designs ausgestatteten
Schürzen kosten zwischen 400'000 und 500'000 Yen (SFr. 5'000.-- bis
6'000.--). Die Rikishi erklimmen das Dohyo und zeigen ein spezielles Sumo-Ritual.
Nach dem kurzen Ritual verlassen Sie die Arena wieder und die zweite Gruppe
der Rikishi betritt den Raum vom anderen Gang her und wiederholt das Ritual.
Die wichtigste Rolle des Dohyo-Iri spielt natürlich der Yokozuna,
der bis dahin nicht in die Zeremonie mit einbezogen war. Einer der Yokozuna
schreitet durch den Gang, begleitet von einen Senior Gyoji (Schiedsrichter)
und zwei Rikishi in ihren Kesho-Mawashi, einer von ihnen trägt ein
Schwert. Ueber seinem Kesho-Mawashi trägt der Yokozuna ein massiv-geflochtenes
Hanfseil, mit einem Gewicht von ca. 12 - 16 kg. Das Seil ist zu einem Bogen
zusammengebunden und geschmückt mit in zick-zack-Form herunterhängenden
Papierstreifen. Dies ist ein vertrautes religiöses Symbol in Japan.
Nachdem der Yokozuna mit seinen Hände geklatscht hat, um die Aufmerksamkeit
der Götter zu gewinnen, dehnt er seine Arme auf die Seite und dreht
die Handflächen nach oben, um zu demonstrieren, dass er keine Waffen
versteckt. Als Höhepunkt des Rituals hebt er zuerst das eine
Bein seitlich in die Höhe und stampft beim Zurücksetzen laut
auf dem Boden auf, um auf diese Weise das Böse aus dem Dohyo zu vertreiben.
Danach folgt der gleiche Ablauf mit dem anderen Bein.
Der Tag wird abgeschlossen durch den "Bogen-Tanz."
Nach dem letzten Kampf eines jeden Tages betritt ein speziell ausgewählter
Rikishi aus der Makushita Division den Dohyo, wo er vom Gyoji einen Bogen
überreicht bekommt. Mit diesem Bogen bietet er das Yumitori-Shiki
dar, eine brilliante Darstellung eines wirbelnden Bogens. Diese Zeremonie
wurde irgendwann in der Edo Periode eingeführt, als der damalige Sieger
mit einem Bogen ausgezeichnet wurde und dieser seine Freude darüber
mt einem spontanen Bogen-Tanz Ausdruck gab. Dieses Ritual darf als
Symbol der Zufriedenheit der siegenden Rikishi des Tag betrachtet werden.
Der Lohn Während die Monatslöhne der 3. bis 6. Division eher bescheiden sind (6. Division ca. 385 Dollar plus 1000 Dollar pro Titelgewinn, 5. Division ca. 440 Dollar plus 2000 Dollar pro Titelgewinn, 4. Division ca. 550 Dollar plus 3000 Dollar pro Titelgewinn und 3. Division ca. 820 Dollar plus 10000 Dollar pro Titelgewinn) sind die Saläre in den zwei höchsten Divisionen sehr attraktiv.
In der 2. Division (Juryo) erhält jeder Sumokämpfer unabhängig vom Rang ein monatliches Salär von ca. 11000 Dollar plus 20000 Dollar pro Titelgewinn.
Die 1. Divison
(Makuuchi) bietet den Rikishi ein luxuriöses Einkommen. Alle Maegashira
erhalten monatlich ca. 14000 Dollar, Komusubi und Sekiwake erhalten
monatlich ca. 18000 Dollar, Ozeki erhält monatlich ca. 25000 Dollar und
Yokozuna erhält ca. 30000 Dollar monatlich. Ein Titelgewinn schlägt mit
100'000 Dollar zu Buche.
Daneben werden bei den Spitzenkämpfen
Umschläge à 300 Dollar für jedes Werbebanner als Bonus dem Sieger
abgegeben. Dies kann pro Kampf bis zu 60 Umschläge (entsprechend 18000
Dollar) umfassen.
Zudem kann man an den einzelnen Turnieren
Spezialpreise erhalten (Shukunsho, Kantosho und Ginosho), die jeweils
mit 20000 Dollar dotiert sind.
Desweiteren werden auch Boni im kleineren vierstelligen Bereich
ausgeteilt. Und wenn ein Maegashira einen Yokozuna bezwingt, erhält
dieser zusätzlich 400 Dollar. Weitere kleinere Boni ergänzen das
Portefeuille wie Antrittsgeld oder für die Teilnahme von mindestens 11
Tagen pro Turnier etc.
Der Beginn... Während des Kampfes sind die Rikishi nur mit einem seidenen Lendenschurz, genannt Mawashi, bekleidet. Dieser Mawashi besteht aus schwerer Seide mit einer Länge von ungefähr 9 m und einer Breite von 61 cm. Er wird sechs mal der Länge nach gefalten und wird danach vier bis siebenmal um die Taille gewickelt, je nach Körperumfang des Rikishi. Der Mawashi ist der Hauptbestandteil der Ausrüstung. Man kann sagen, dass dieser Gürtel den Sumo geprägt bzw. geformt hat. Es gibt ca. 70 Techniken, um den Sieg zu erlangen, die meisten werden durch einen Griff an den gegnerischen Mawashi erreicht. Die Fäden, die vorne am Mawashi herunterhängen, bestehen aus mit Leim verstärkter Seide und dienen lediglich der Verzierung. Diese können sich während eines Kampfes lösen und zu Boden fallen, was des öfteren vorkommt, aber keine Rolle spielt. Bevor der Kampf beginnt, vollziehen die Rikishi einen vorbestimmten Ablauf. Er reinigt seinen Geist und seinen Körper (der Ursprung der Reinheit), indem er seinen Mund mit Wasser spült, den Körper wischt er mit einem Papiertuch ab. Bestimmte Bewegungen werden aus dem Dohyo-Iri des Yokozuna wiederholt, sowohl das Heben der Arme als auch das Aufstampfen mit den Füssen. Jeder Rikishi verstreut zudem eine Handvoll Salz, um damit den Ring zu reinigen und den Kämpfer vor Verletzungen schützen. Das Salz streuen ist ein Privileg, dem nur die Rikishi der Makuuchi, Juryo und Makushita Division nachgehen dürfen. Danach stellen sich die Rikishi gegenüber, kauern nieder und starren sich an, wobei jeder bemüht ist, möglichst keine Regung zu zeigen und den anderen durch stechende Blicke einzuschüchtern. Dieser Ablauf wird Shikiri genannt. Das Shikiri wird mehrmals durchgeführt und kann bis zu vier Minuten dauern, ehe der Kampf wirklich losgeht. In früheren Zeiten gab es keinerlei Zeitlimite, so dass ein Kampf sich auf unbestimmte Zeit verzögern konnte. Erst 1928 wurde eine 10-Minuten-Limite eingeführt und sukzessive reduziert bis auf die heutigen vier Minuten. Der Kampf selber dauert kaum über eine Minute und benötigt somit weniger Zeit als die Aufwärme-Phase, doch für den Fan des Sumo sind diese kurzen Momente vollgepackt mit Nervenkitzel.