In memoriam: John Wayne
Stories_In memoriam: John Wayne
Der Duke ist tot - lang lebe der Duke!
Dieser Tage steht der 100. Geburtstag des "Duke" ins Haus. Thomas Fröhlich sattelte darob sein Pony, griff zur Rifle und begab sich ins Monument Valley, um im Sand kinematographischer Mythologie zu graben ... 26.05.2007
Man mag es zugeben oder nicht: Er war DIE amerikanische Filmschauspielerlegende des 20. Jahrhunderts. Ob man ihn liebt oder haßt - ihn zu ignorieren ist unmöglich (außer man hält Film an sich für ein Phänomen, das ausschließlich in feinsinnig-filmakademisch verbildeten Studentenzirkeln vorkommt).
Obwohl: Sympathisch ... wirkte John Wayne auf den ersten Blick nicht wirklich. Nein, das konnte man nie behaupten. Er war keiner, den man zum Feind haben wollte - und auch als Seelentröster (also einer, dem man sein Herz ausschütten möchte) taugte er wahrscheinlich nur bedingt. Er war überzeugter Militarist, militanter Antikommunist, in zumindest frühen Jahren mentaler Indianerfresser und trat immer wieder als menschliches Bollwerk gegen jede Art von "unamerikanischen Umtrieben" (oder was er halt dafür hielt) in Erscheinung. Während der kiffend-fortschrittliche Teil der Welt sich in den Sixties ins "Easy Rider"-Universum qualmen ließ, spielte er die Hauptrolle und führte Regie in dem Vietnam-Durchhalte-Propaganda-Schinken "The Green Berets" ("Die grünen Teufel", 1968) - und behauptete allen Ernstes, dies wäre der wichtigste Film, den er je gedreht hätte, da er "der Nation einen Dienst erwiesen hätte". Ein hemmungsloser Reaktionär also, gegen den die meisten Republikaner liberale Weicheier waren.
Doch wußte man schon ein paar Jahre früher gelegentlich auch ein wenig zu differenzieren. Zu seinem Regie-Debüt "Alamo" ("Alamo", 1960), einem radaufreudigen und daher höchst unterhaltsamen Hohelied auf männlich-militärische Tugenden, meinten die Cahiers du Cinema, nicht eben ein Hort rechtskonservativen Denkens, daß der Film "trotz seiner Aussage schön wäre", wohingegen man andernorts der Meinung war, er wäre gerade "wegen seiner Aussage schön".
In den 60ern wiederum beschimpfte er einen oberg´scheiten Journalisten, der höhnisch-denunziatorisch darauf hingewiesen hatte, daß die Drehbuchautorin des Streifens "True Grit" ("Der Marshall", 1969), Marguerite Roberts, doch eine bekennende Linke gewesen wäre, und belehrte diesen, daß ihm das scheißegal wäre, das Buch "gute amerikanische Werte enthielte" und sich der Journalist gefälligst über die Häuser hauen sollte. In "The Comancheros" ("Die Comancheros", 1961) wiederum sorgte eine Szene für Aufsehen, in der ein Indianerhäuptling zu ihm sinngemäß meinte, sie könnten leider nicht gemeinsam in seinem Tipi essen, da dies unter ihrer (Indianer-)Würde (!) wäre, was er (er!) tatenlos hinnahm.
Ja, so war der "Duke", der heute seinen 100. Geburtstag feiern würde ...
John Wayne wurde am 26. Mai 1907 als Marion Michael Morrison in Winterset, Iowa, geboren. Zum Kino kam er früh: Im Gebäude der väterlichen Apotheke in Glendale war nämlich eines untergebracht. Wayne verteilte für den Besitzer Handzettel und durfte sich dafür kostenlos die dort laufenden Filme ansehen. Er war stets mit seinem Terrier Duke unterwegs, weshalb die Nachbarn damit begannen, ihn ebenfalls "Duke" zu nennen. Und: In Glendale, diesem eher gesichtslosen Vorort von Los Angeles, befand sich auch ein Filmstudio ...
Der Rest ist Geschichte: Nach einigen anfänglichen Komparsenrollen wuchs er zu einem der legendärsten Filmdarsteller überhaupt heran (seinen Künstlernamen John Wayne erhielt er 1930 vom Regisseur Raoul Walsh) - und von 1930 bis 1976 spielte er praktisch ausschließlich Hauptrollen. Western waren seine Stärke und seine Berufung; Wayne wußte aber auch in Komödien, Abenteuerstreifen, Kriegs- und Kriminalfilmen zu überzeugen.
Seine Glanzleistungen waren aber unter anderem jene Filme, die er gemeinsam mit dem Regisseur John Ford drehte, die sogenannte Kavallerietrilogie ("Fort Apache", "She Wore A Yellow Ribbon", "Rio Grande", alle zwischen 1948 und 1950) sowie sein (und nicht nur sein) Opus magnum "The Searchers" ("Der Schwarze Falke", 1956): als Mann, dessen Gefühlswelt ähnlich verschlossen-kantig war wie die ihn umgebende Landschaft, das Monument Valley - abweisend, unbeugsam und mythenschaffend.
"Er war häßlich, er war stark und er besaß Würde."
Das hätte auf seinem Grabstein stehen sollen, wäre es nach dem Duke gegangen. Wie kaum ein anderer Schauspieler wurde und wird John Wayne vom Publikum mit diesem klar definierten Charaktertypus identifiziert. In seinen Filmen gab er die rauhbeinige Autoritätsfigur, die als Sheriff oder "Teufelshauptmann" in Erscheinung trat und sich durch Erfahrung, Härte und Zähigkeit auszeichnete. Selbst wenn er wie in "The Searchers" unter dem Kommando eines anderen stand, akzeptierte er Befehle nur so lange, wie sie seiner eigenen Wahrnehmung nicht zuwiderliefen ("I say we do it my way. That´s an order!" Ethan alias John Wayne: "Yessir. But if you´re wrong don´t ever give me another!").
Er war jemand, zu dem man aufschauen konnte - nicht der Typ, mit dem man Beziehungskisten bequatscht oder introspektive Nabelschau betreibt. Aber suchte man jemanden, der mitten in der Nacht herangaloppiert käme, um brandschatzende Mordbuben mit viel Blei in ihre Schranken zu weisen (oder einfach eine Bar sachgemäß aufzumischen), war er der Richtige. Auch wenn er (wie in einigen seiner besten Filme) im Siegen auch zugleich verlor, sein Herz, seinen gesellschaftlichen Status, sein Leben. Nur seine Integrität - die verlor er nie.
Über sein Privatleben ist nicht soviel bekannt: drei Ehen, ein paar Kinder und eine Freimaurerlogen-Mitgliedschaft in Tucson, Arizona sowie unverhandelbarer US-amerikanischer Patriotismus in der Hardcore-Variante.
Und dennoch: "If the legend becomes fact, print the legend." So lautet der Schlüsselsatz in "The Man Who Shot Liberty Valance" ("Der Mann, der Liberty Valance erschoß", 1962). Auch hier gewann er, um letztendlich alles zu verlieren, und ebnete - mit einer Lüge - einer neuen Ära den Weg, einer Ära, die im Grunde keinen Platz mehr für Leute wie ihn aufzuweisen hatte.
If everything isn´t black and white, I say, "Why the hell not?"
Einer Lüge ist John Wayne tatsächlich selbst aufgesessen - der Fehleinschätzung nämlich, die Dreharbeiten zu "The Conqueror" (Der Eroberer, 1956) in einem Atomversuchsgelände in Utah wären tatsächlich vollkommen gefahrlos. 150 der beteiligten 220 Crew- und Schauspiel-Mitglieder erlagen in den darauffolgenden 30 Jahren einem Krebsleiden; John Wayne selbst starb am 11. Juni 1979 nach fünfzehnjähriger Krankheitsgeschichte an Lungen- und Magenkrebs.
In seinem letzten Film "The Shootist" ("Der letzte Scharfschütze", 1976) spielt er einen alten, krebskranken Revolverhelden, der - an der Seite von Lauren Bacall - nur noch seinen Frieden finden will. Im Film will ihm das nicht so recht gelingen. Und im Vorspann ziehen melancholisch Bilder aus Waynes früheren Filmen vorbei: "Stagecoach", "The Searchers", "She Wore A Yellow Ribbon" ...
Tomorrow is the most important thing in life. Comes into us at midnight very clean. It´s perfect when it arrives and it puts itself in our hands. It hopes we´ve learned something from yesterday.
Dieser Inschrift auf John Waynes Grab können wir uns nur anschließen: Der "Duke" ist tot - es lebe der Duke! Und jetzt die Hüte ab - sonst setzt´s was!