Indiens Abgesang auf die letzten MiG-21
- ️Patrick Zwerger
- ️Thu Oct 05 2023
„Bisons“ vor der Rente
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Seit den 60er-Jahren fliegt Indiens Luftwaffe die Mikojan-Gurewitsch MiG-21. Doch die schier ewige Ära des Sowjet-Fighters geht auch in Indien langsam zu Ende. Die Nachfolge lässt allerdings noch auf sich warten.
Die Uhr tickt – und sie tickt immer lauter: Am kommenden Wochenende werden die indischen MiG-21 zum letzten Mal an der jährlichen Parade zum "Air Force Day" in der nordindischen Metropole Prayagraj teilnehmen. Das gab der Stabschef der indischen Luftwaffe, Vivek Ram Chaudhari, am Dienstag auf einer Pressekonferenz bekannt. Nach insgesamt 60 Jahren Dienstzeit geht die Epoche der legendären MiG damit auch in Indien langsam zu Ende. Spätestens 2025, so der offizielle Plan, wird das indische Eigengewächs Tejas Mk1A von Hindustan Aeronautics die Rolle des Sowjet-Dauerbrenners übernehmen.
Indiens letzte MiG-21 gehören zur modernisierten "Bison"-Variante - erkennbar vor allem an der tropfenförmigen Cockpithaube mit einteiliger Frontscheibe.
Ende vor 2025?
Dass die indischen MiG-21 noch so lange weiterfliegen, ist allerdings keinesfalls gesichert. Eher hat es nach den jüngsten Aussagen sogar den Anschein, als würden die betagten Jets schon früher die Segel streichen müssen. Man habe eine Zeitleiste für die Ausmusterung der MiG-21 fixiert, sagte Vivek Ram Chaudhari – und deutete an, dass dieser aufgestellte Zeitplan bereits 2024 endet.
Der Ruf der alten MiGs in der weltgrößten Demokratie erlitt in der jüngeren Vergangenheit einige Kratzer, was vor allem der zweifelhaften Sicherheitsbilanz geschuldet ist. Indien hatte die MiG-21-Flotte nach einem Absturz Anfang Mai, der drei Personen am Boden das Leben kostete, kurzzeitig bereits komplett gegroundet, das Flugverbot aber bereits nach zehn Tagen wieder aufgehoben. Medienberichten zufolge verlor die indische Luftwaffe allein seit 2021 mehr als ein halbes Dutzend MiG-21 durch Abstürze.
Die Sicherheitsbilanz der indischen MiG-21 ist dürftig. Allein seit 2021 verloren die Luftstreitkräfte mehr als ein halbes Dutzend "Bisons".
Modernisierte "Bison"
Derzeit fliegen die Inder nach eigenen Angaben noch etwa 50 MiG-21 – allesamt Exemplare der modernisierten Version MiG-21 Bison (auch bekannt als MiG-21UPG). Diese verteilen sich auf drei Staffeln und unterscheiden sich von Vorgängervarianten äußerlich vor allem durch die neue, tropfenförmige Cockpithaube mit einteiliger Frontscheibe. Weitere Merkmale sind unter anderem ein überarbeitetes Cockpit mit Head-up-Display und einer Multifunktionsanzeige sowie das leistungsstärkere Kopjo-Radar des russischen Herstellers Fasotron. Letzteres ist in der Lage, acht Ziele gleichzeitig zu verfolgen und zwei davon zu bekämpfen. Auch ein in Indien entwickelter Missionscomputer, ein Trägheitsnavigationssystem und ein neuer Autopilot fanden den Weg in die MiG-21 Bison, ebenso ein (französischer) Radarwarnempfänger und israelische Störkörperwerfer. Zudem nutzt die Bison diverse "neue" Lenkwaffen russischer Bauart, zum Beispiel die Luft-Luft-Raketen R-77 und R-73 oder die Anti-Schiffs-Lenkwaffe KH-31A.
Indien fliegt die MiG-21 seit Ankunft der ersten MiG-21F-13 im Jahr 1963. Aktuell stehen noch etwa 50 von einst 125 modernisierten Exemplaren im Einsatz.
Tejas in Verzug
Dass Indien auch 60 Jahre nach Ankunft der ersten Flugzeuge – damals MiG-21F-13 – noch immer auf die MiG-21 setzt, ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass sich das von Beginn an für die Nachfolge vorgesehene Tejas-Programm aus diversen Gründen massiv verzögert hat. Auch über zwei Jahrzehnte nach dem Erstflug ist der indische Fighter noch nicht voll einsatzbereit. Von insgesamt 220 geplanten Exemplaren ist nur ein Bruchteil bereits ausgeliefert worden, zwei Geschwader fliegen aktuell mit der Tejas Mk1. Die erste Maschine der verbesserten Version Mk1A wird für Februar 2024 erwartet. Erst in dieser Woche erhielten die Luftstreitkräfte ihren ersten zweisitzigen Tejas-Trainer.