Mainz: Als plötzlich ein Meteorit einschlug
- ️Sun Nov 04 2018
Stand: 04.11.2018, 01:01 Uhr
Mainz ist nicht nur Gutenbergstadt, sondern hat auch eine lange Astronomiegeschichte: Hier gab es einmal eine Sternwarte mitten in der Stadt, hier steht der älteste Himmelsglobus Deutschlands. Und 1852 wurde auf einem Acker am Gautor ein Meteorit gefunden.
Es war 1852, als ein Landwirt beim Pflügen auf einen ungewöhnlichen Brocken stieß: Etwa so groß wie ein Fußball, aber enorm schwer – 1,8 Kilogramm. Scharfkantig war der Brocken, und ungewöhnlich schwarz. Erste Untersuchungen in einem Labor in Wiesbaden ergaben schnell: die Kanonenkugel stammt aus dem All – ein Gesteinsbrocken mit Eiseneinschlüssen, wie es das auf der Erde nicht gibt. Nun sind Teile des Steinmeteoriten erstmals in Mainz in einer Ausstellung zu sehen: „Mainz blickt ins All“ erzählt ab dem 28. April Geschichten aus der reichen Astronomiegeschichte der Landeshauptstadt.
1961 gegründet
1961 wurde die Astronomische Arbeitsgemeinschaft Mainz (AAG) gegründet, mehr als 50 Jahre lang leitete sie die Mainzer Volkssternwarte, die sich früher auf dem Turm der Anne-Frank-Schule mitten in der Mainzer Innenstadt befand. Die 1962 eröffnete Sternwarte mit ihrer markanten Kuppel musste 2012 wegen Brandschutzbestimmungen geschlossen werden. 100 000 Besucher ließen sich bis dahin mitten in Mainz von Sternenhimmel und astronomischen Besonderheiten faszinieren.
Die Mainzer, sie guckten schon immer gerne in die Sterne: Hier steht der älteste erhaltene Himmelsglobus, verschiedene Kleinplaneten im All sind nach dem römischen Moguntia, dem Buchdrucker Gutenberg oder AAG-Gründer Paul Baumann benannt. Die ersten Teleskope stammen vom Glasspezialhersteller Schott, der seit Jahren führend auch in der Herstellung von Riesenspiegelteleskopen für Sternwarten in aller Welt ist.
Highlight der Ausstellung im Mainzer Rathaus sind vier Fragmente des Mainzer Meteoriten: „Das Besondere an dem Mainzer Meteoriten ist sein Alter“, sagt Jan-David Förster, langjähriger AAG-Vorsitzender und Macher der Ausstellung. Das Geschoss aus dem All stammt nämlich aus dem Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter und entstand vor 4,56 Milliarden Jahren, gemeinsam mit dem Sonnensystem.
Kosmische Strahlung
„Vor etwa 50 Millionen Jahren muss der Mainzer Meteorit von einem größeren Asteroiden abgeplatzt sein“, sagt Förster, seither irrte die Kugel durchs All. „Man weiß das, weil der Meteorit ab dann kosmischer Strahlung ausgesetzt war“, erklärt Chemiker Förster, das hätten Messungen am Mainzer Max-Planck-Institut gezeigt. Ihre Reise verlief quer durchs Innere des Sonnensystems, wann das Himmelsgeschoss die Erde erreichte, ist nicht ganz klar. „Vor etwa 30 000 Jahren könnte der Meteorit hier in Mainz eingeschlagen sein“, sagt Förster. Gefunden wurde er auf einem Acker an der heutigen Pariser Straße, ganz in der Nähe des Mainzer Gautors, die Gegend war 1852 noch nicht bebaut. Ob der Meteorit beim Einschlag nur Tiere erschreckte oder auch ein paar Steinzeitmenschen, ist nicht bekannt – immerhin war das Mainzer Becken vor 30 000 Jahren wohl schon besiedelt.
„Es muss ein enormer Knall gewesen sein, das wäre nicht unbemerkt geblieben“, sagt Förster. Wahrscheinlich war der Meteorit insgesamt auch größer als die 1,8 Kilogramm und zerplatzte beim Aufprall in der Atmosphäre. „Die Legende besagt, es könnten noch weitere Teile im Mainzer Boden liegen“, sagt Förster schmunzelnd. Allerdings ist die Gegend an der Pariser Straße heute dicht bebaut, weitere Funde unwahrscheinlich.
Viele auf der Erde
Der Mainzer Meteorit sei für die Wissenschaft gar nicht so spektakulär, sagt Förster zudem: Ein sogenannter L-Chondrit aus Stein mit einem Eisengehalt von 20,8 Prozent, also ein „Low Iron“-Meteorit. Der Name rührt von den Silikat-Einschlüssen im Stein, von diesen Brocken gebe es viele auf der Erde, sagt Förster. Und so geriet der Brocken denn auch lange in Vergessenheit, verschiedene Stücke landeten in Museen in aller Welt: Wien, New York, Straßburg – das größte Stück liegt mit 202 Gramm im indischen Kalkutta. Nur etwa 800 Gramm des Mainzer Meteoriten seien erhalten, was aus dem restlichen Kilo geworden sei, wisse man nicht, sagt Förster. Nicht auszuschließen, dass weitere Teile noch in Schubladen schlummern – erst anlässlich der Ausstellung fand das Museum die Fragmente des Meteoriten in seinem Archiv.
Die Ausstellung ist vom 27. April bis zum 14. Juni im Foyer des Mainzer Rathauses zu sehen.