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OB-Wahl Frankfurt: Mike Josef, der Aufsteiger

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Stand: 22.03.2023, 17:42 Uhr

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Mike Josef, SPD-Kandidat zur Oberbürgermeisterwahl in Frankfurt, wird von den Grünen und der Linken unterstützt.

Mike Josef, SPD-Kandidat zur Oberbürgermeisterwahl in Frankfurt, wird von den Grünen und der Linken unterstützt. © Christoph Boeckheler

Mike Josef kämpft wie der abgewählte Oberbürgermeister Peter Feldmann für eine soziale Stadt, das aber auf ganz andere Weise. Ein Porträt von Christoph Manus.

„Mieten stoppen“ ist auf dem Plakat zu lesen, das Oberbürgermeister Peter Feldmann im OB-Wahlkampf in selbstbewusster Pose und breit lächelnd vorstellt. Beinahe schüchtern steht Mike Josef, immerhin Planungsdezernent und Frankfurter SPD-Chef, daneben. Die Wahl endet für Feldmann und seine Partei mit einem Triumph. Der Amtsinhaber setzt sich in der Stichwahl mit mehr als 70 Prozent der Stimmen gegen die CDU-Kandidatin durch. Die SPD fühlt sich stark wie nie. Josef und Feldmann kämpfen für ähnliche Ziele und haben Erfolg. Das eint.

Fünf Jahre später hat Feldmann einen beispiellosen Abstieg hinter sich. Die Staatsanwaltschaft erhebt im März 2022 in Zusammenhang mit einem Job seiner Frau bei der AWO Anklage wegen Korruptionsverdachts. Als kleinere Fehltritte hinzukommen, bereitet die Rathaus-Koalition aus Grünen, SPD, FDP und Volt seine Abwahl vor. Im November scheidet Feldmann nach einem Bürgerentscheid aus dem Amt, wenig später wird er wegen Vorteilsannahme im Amt verurteilt. Im Februar tritt der frühere Erfolgsgarant aus der SPD aus, der er nicht weniger als Verrat vorwirft.

Mike Josef wäre der erste gewählte Frankfurter Oberbürgermeister mit Migrationsgeschichte

Mike Josef hat gute Chancen, am 26. März Feldmanns Nachfolger zu werden. Landet er in der Stichwahl vor Uwe Becker (CDU), wird er der erste gewählte Frankfurter Oberbürgermeister mit Migrationsgeschichte – und mit 40 Jahren der jüngste aller Zeiten. Es wäre der vorläufige Höhepunkt eines fulminanten Aufstiegs.

Josefs Geschichte ist sehr frankfurterisch. Gerade weil sie nicht am Main, sondern in Syrien beginnt. Dort wird er als Sohn aramäischer Christen geboren, die mit ihm im Alter von vier Jahren nach Deutschland fliehen. Josef wächst in einer 50er-Jahre-Siedlung in Ulm auf, das Geld ist knapp. Als Kind und Jugendlicher spielt er so gut Fußball, dass er von einer Profikarriere träumt.

Zunächst besucht Josef die Hauptschule, den ersten Bildungsweg beendet er mit dem Realschulabschluss. Später scheint alles wie am Schnürchen zu laufen. Das Politologie-Studium an der Frankfurter Uni schließt Josef mit Diplom ab, arbeitet als Organisationssekretär für den DGB.

Frankfurter OB-Kandidat Mike Josef kämpft für Mieterschutz und bessere Schulen uns Kitas

Seine politische Karriere beginnt im Asta, in dem er gegen Studiengebühren kämpft. Mit nur 30 Jahren wird er Frankfurter SPD-Vorsitzende. Ihm gelingt es, die zerstrittene Partei zu einen. Seit 2016 fungiert der Vater zweier Kinder als städtischer Dezernent für Planen und Wohnen. Er kämpft für Mieterschutz, mehr sozialen Wohnungsbau – auch durch große neue Quartiere auf Ackerland. Erfolge hat er durchaus. Verbessert hat sich die Situation für Menschen, die in Frankfurt auf günstigen Wohnraum angewiesen sind, aber (noch) nicht.

Die reiche Stadt auch für Menschen mit wenig Geld bezahlbar zu halten, war Feldmanns großes Thema. Er kämpfte mit Josefs Unterstützung für den „Mietenstopp“ beim städtischen Wohnungskonzern ABG, für eine Streichung der U3-Gebühren und dafür, dass Kinder und Jugendliche kostenlos ins Schwimmbad und in Museen dürfen. Josefs Ziele sind sehr ähnlich: Er wirbt für bessere Schulen und Kitas, mehr Mieterschutz, mehr Sport- und Kulturangebote. Doch die Art, wie er sie erreichen will, ist völlig anders.

Frankfurter OB-Kandidat Mike Josef ist selbst im Wahlkampf kein Mann knalliger Statements

Feldmann war gut darin, Themen zu setzen und seine Forderungen in Slogans zu übersetzen. Josef ist selbst im Wahlkampf keiner, der knallige Statements liefert, der die Konkurrenz allzu scharf attackiert, ist oft sehr ernst. Sogar auf seinen Plakaten lässt er ein Lächeln nur erahnen. Dafür nehmen ihm selbst Menschen, die sonst nicht SPD wählen würden, ab, dass er ernst meint, was er sagt.

Er gilt als integer; manchmal wirkt er fast bieder. Das muss in einer Zeit, in der die AWO-Affäre noch immer Frankfurt erschüttert, die Staatsanwaltschaft erst vor kurzem Anklage gegen den früheren Hauptamtsleiter und Vorsitzenden eines SPD-Ortsvereins erhoben hat, kein Fehler sein.

Grüne und Linke rufen in Frankfurt zur Wahl von SPD-Kandidat Mike Josef auf

Dass Josef der Einzug in die Stichwahl gelang, war nicht selbstverständlich. Die Grünen sind in Frankfurt stark, landeten bei mehreren Wahlen in Folge vorn. Unklar war und ist auch, wie viele Stimmen ihn der Fall Feldmann kosten könnte. Menschen aus dem linken Spektrum werfen Josef vor, ihn allzu schnell fallengelassen zu haben, andere, sich nicht früh genug distanziert zu haben. Doch im Duell mit Uwe Becker stehen die Chancen nicht schlecht.

Nicht nur weil Grüne und Linke zu seiner Wahl aufrufen. Viele in Frankfurt hoffen auf eine sozialere und nachhaltigere Stadtpolitik, nicht zuletzt eine Verkehrswende. Und nehmen dem linken Sozialdemokraten eher ab, diese erreichen zu wollen. Für andere spielt eine Rolle, dass sie an Frankfurt gerade die Dynamik und Weltoffenheit mögen – Eigenschaften, die sie mit Josef, aber nicht unbedingt mit seinem Konkurrenten verbinden.

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