"Schutzvorhang" gegen Vogelschlag
- ️Wed Jan 30 2019
Stand: 30.01.2019, 21:19 Uhr
Ausbauplaner am Flughafen Frankfurt müssen sich laut Gutachten mit Risiko durch Schwärme auseinandersetzenMit bodennahem Radar, Videokameras und Infrarotsystemen sowie einem 300 Meter langen und zehn Meter hohen "Vorhang" soll an der künftigen Nordwestlandebahn des Frankfurter Flughafens das Risiko einer Kollision zwischen Vogelschwärmen und landenden Jets minimiert werden. Dossier: Wächst der Flughafen weiter?
Frankfurt - Es sind vor allem die Winterschwärme der Möwen und größere Gruppen von Kormoranen, die ein potenzielles Vogelschlag-Risiko bergen: Insbesondere der Flusskilometer 14,4 des Mains gilt dabei als kritische Stelle. Dort, wo eine Autobahn- und eine Eisenbahnbrücke zudem eine besondere Thermik verursachen, kreisen die Vögel oberhalb von 100 Metern und damit in einer Höhe, die die Jets beim Landeanflug durchfliegen müssen. Oft sind es mehrere hundert Vögel. Die Flugzeuge queren den Main dort in der kritischen Höhe von rund 120 Metern.
Bisher ist das ganz anders: Die Maschinen passieren den Main ein Stück weiter flussabwärts und sind damit beim Anflug auf das bestehende Bahnensystem noch in fast 500 Metern Höhe. Damit überfliegen die Maschinen die Pulks der Vögel in ungefährlicher Distanz.
Diese Erkenntnisse hatte der Ornithologe Bernd Petri während des Erörterungstermins zum Planfeststellungsverfahren der Landebahn einem staunenden Publikum präsentiert. Prompt meldete das Regierungspräsidium Darmstadt ob der neuen Darlegungen "sich aufdrängenden Klärungsbedarf" an. Das zunächst vorgelegte Gutachten zum Vogelschlag ("G 7") berücksichtige "die Besonderheit der Lage" der Nordwestbahn nicht, kritisierte die Behörde die Arbeit des Fraport-Gutachters Jochen Hild, dem "Ehrenvorsitzenden des Deutschen Ausschusses zur Verhütung von Vogelschlägen im Luftverkehr".
Inzwischen ist Petri, der seine Erkenntnisse im vergangenen Jahr noch für die Ausbaugegner präsentiert hatte, selbst als Gutachter für den Flughafenbetreiber Fraport tätig. In den neuen, der FR vorliegenden Ergänzungen zum Erstgutachten macht Petri zusammen mit Hild nun Vorschläge, wie das Vogelschlagproblem aus der Welt geräumt werden könnte. Petri und Hild schlagen demnach ein tags wie nachts agierendes "Überwachungsprogramm" für den Flusskilometer 14,4 sowie für den an die Landebahn angrenzenden Mönchwaldsee vor.
300 Meter langer Vorhang zum See
Der See, was bislang ein wenig verschleiert wurde, verliert seinen schützenden Waldsaum und "könnte", wie es in dem Gutachten heißt, mit einem bis zu zehn Meter hohen und stolze 300 Meter langen Vorhang gegen die Landebahn abgeschirmt werden. Laut Petri geht es bei diesem Vorhang vorrangig um den Schutz der in diesem Gebiet lebenden Vögel und erst in zweiter Linie darum, den Einflug von Vögeln aus dem See in den Bereich der landenden Maschinen zu verhindern.
Weit aufwendiger kommt daher, wie sich die Gutachter den Kollisionschutz im Bereich der Mainquerung vorstellen: Dort soll eine ständige Beobachtung installiert werden. Eine spezielle Radarerfassung sowie Videobilder, gekoppelt mit einer analysierenden Software, sollen rechtzeitig vor möglicherweise gefährlichen Schwärmen warnen. Die Software sei so gut, dass sie anhand von Flügelschlag und Umrissen sogar Vogelarten erkennen könne, sagt der Ornithologe. Nachts solle das System um eine Infraroterfassung ergänzt werden.
"Da muss einer sitzen", sagt Petri, einer, der die Daten bewerte und die Flugsicherung warne. Die Entscheidung, ob ein Jet ausweichen muss, obliege der Flugsicherung, nicht den Vogelforschern.
Beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hat Referent Thomas Norgall Zweifel an den Vorschlägen: "Auch eine ständige Beobachtung löst das Problem Vogelschlag nicht." Es würden keine Vorschläge zur Minimierung des Risikos gemacht. Zudem unterschätzten die Gutachter die vom Mönchwaldsee ausgehende Gefahr: Vollgefressene Kormorane wählten die niedrigste Abflugstelle vom See, und das sei auch mit dem Vorhang der Bereich der Landebahn. Die würden die Vögel nicht queren, sondern in Richtung Main abdrehen - und damit direkt auf die Jets zufliegen. Stephan Börnecke