Rettung aus dem Piemont
- ️Mon Jan 28 2019
Stand: 28.01.2019, 00:16 Uhr
Sambonet Paderno steht kurz vor dem Kauf des insolventen Porzellanherstellers Rosenthal. Der mutmaßliche Käufer verhandelt mit Banken angeblich nur noch über die Höhe des Zinses für ein Darlehen. Von Thomas Magenheim
Von THOMAS MAGENHEIM
In der Insolvenz liegt eine Chance, sagen Politiker immer häufiger. Im Fall des Selber Porzellanherstellers Rosenthal sieht es so aus, als könne der Marktführer die Pleite wirklich zum Neuanfang nutzen.
Seit einem halben Jahr sind die Bayern insolvent. Schon für Ende März hatte Insolvenzverwalter Volker Böhm einmal eine Lösung versprochen. Nächste Woche soll es nun endgültig so weit sein. Der mutmaßliche Rosenthal-Käufer verhandelt mit Banken angeblich nur noch über die Höhe des Zinses für ein Darlehen zum Kauf des Unternehmens. Als dieser gilt die italienische Gruppe Sambonet Paderno aus dem Piemont.
Dem türkischen Porzellanmarktführer Kütahya Seramik Porselen, der soeben offiziell seinen Hut in den Ring geworfen hat, geben Insider wegen des hohen Zeitdrucks für einen Verkauf kaum eine Chance.
Von den zuletzt noch vier Interessenten waren die Italiener auch im Urteil der Belegschaft diejenigen, die am Ende die meisten Arbeitsplätze und Substanz retten könnten. Mit Sambonet gebe es erfolgversprechende Synergien und eine Zukunft, meint Betriebsratschefin Marianne Wopperer.
Die 2008 rund 67 Millionen Euro umsetzende Sambonet fertigt edle Bestecke und Töpfe. Das Porzellan soll künftig von Rosenthal kommen und Küche wie den Tisch komplett decken helfen. Fast zwei Jahrzehnte überwiegender Talfahrt sollen für den einstigen Stolz der heimischen Porzellanindustrie dann enden.
Falsch reagiert
Als der Eiserne Vorhang sich hob und neue Billigkonkurrenz aus dem Osten erwuchs, hatte Rosenthal und dessen seit 18 Jahren amtierender Vorstandschef Norbert Küsel das lange nicht recht ernst genommen. 1998 musste das 1879 gegründete Traditionshaus beim irischen Wedgewood-Konzern unterschlüpfen. Saniert wurde weiter, bis es die Iren selbst Anfang des Jahres erwischt hat.
Nun steht Rosenthal vor einer neuen Partnerschaft, wohl ohne Küsel. Er habe nichts falsch gemacht, bilanziert der mehr als selbstbewusste Manager sein Wirken. Sollte Sambonet übernehmen, "sehe ich meine Aufgabe als erfüllt an und werde mein Amt auf eigenen Wunsch niederlegen", ließ der im Betrieb umstrittene Manager vor wenigen Tagen mitteilen.
Viel gibt es nicht mehr, was die Italiener verhindern könnte. Die Rosenthal-Gläubiger, denen das Unternehmen 100 Millionen Euro schuldet, haben gerade grünes Licht für einen Verkauf gegeben, auch Hauptgläubiger Bank of America (BoA). Die US-Bank ist entscheidend, weil sie als Sicherheit die Markenrechte an Rosenthal besitzt und bis spätestens Ende des Monats Geld sehen will. Hat Sambonet bis dahin nicht den Kaufpreis von angeblich 35 Millionen Euro auf BoA- Konten überwiesen, müsste Böhm die Markenrechte auslösen und Liquidität von der Pleitefirma abziehen.
So mancher im Betrieb und seinem näheren Umfeld setzt dieses Horrorszenario mit dem endgültigen Ende von Rosenthal gleich. Der Insolvenzverwalter glaubt, die Firma aber selbst dann noch fortführen zu können. Als wahrscheinlicher gilt ein rechtzeitiger Verkauf an Sambonet Paderno.
Die BayernLB und Commerzbank sollen per Darlehen helfen, der Freistaat Bayern über Fördermittel. Alle hätten aber auch dann das rettende Ufer nicht erreicht. 300 Stellen, ein Viertel des Personals hat Böhm abgebaut. Die mehr als 6000 Produkte umfassende Angebotspalette wird um ein Fünftel reduziert. Der Umsatz von zuletzt noch 163 Millionen Euro jährlich schrumpft. Mit den Italienern kommt die Abwärtsspirale demnächst zum Stillstand, hofft man in Selb. Kommentar