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Kulturelles Feature - Über den Gegensinn der Urworte

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  • ️Fri Nov 03 2006

Kulturelles Feature

"Über den Gegensinn der Urworte" ist der Titel einer kleinen Schrift Sigmund Freuds aus dem Jahr 1910: Eine Arbeit, kaum mehr als die Inhaltsangabe eines 25 Jahre zuvor erschienenen Aufsatzes des Altphilologen Carl Abel. Abel legt dar, dass sich in frühen Sprachen häufig in ein und demselben Wort eine gegensätzliche, gegensinnige Bedeutung verbirgt.

Abels Beispiele aus der ägyptischen Sprache können durch modernere Beispiele ergänzt werden: Das lateinische "altus" steht sowohl für "hoch" wie "tief"; das englische "without" bedeutet genau genommen "mitohne", und auch die deutsche Sprache kann mit markanten Beispielen aufwarten, sagen wir doch von einem Kind, dass es nur wenige Monate "alt" sei.

Im Umfeld von Abels Aufsatz sind gleich zwei Werke der Weltliteratur entstanden, in denen der "Gegensinn der Urworte" eine beträchtliche Rolle spielt: in Nietzsches "Zarathustra" und Wagners "Parsifal". Nietzsches Übermensch ist besser weil böser und Wagners Musikdrama eine unendliche Melodie über Wunde und Wunder, über Sündigen und Gesunden. Außerdem gibt es poetische Beispiele (von Wilhelm Busch bis Paul Celan). Und nicht zuletzt hat Carl Abel in Giorgio Agamben einen Nachfolger gefunden: Der italienische Philosoph macht die politische Bedeutung von Begriffen wie "sacer", "Volk" oder "Subjekt" an ihrem Gegensinn fest.

Produktion: Deutschlandfunk 2006