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Google Glass im Kurztest: Interview mit Trendscout Nick Sohnemann

  • ️Floyd Earl Grey vom Höltigbaum
  • ️Fri Feb 07 2014
GOOGLE GLASS

Google Glass gehört zu den derzeit angesagtesten Gadgets. Netzwelt konnte die Datenbrille nun in der Redaktion antesten und sprach mit dem Trendscout Nick Sohnemann über Stärken, Schwächen und das Potenzial der Brille. Sehen Sie hier das Video-Interview.

Die gesamte Hardware der Google Glass befindet sich im rechten Bügel. (Bild: netzwelt)

Trendscout Nick Sohnemann von der Unternehmensberatung Futurecandy war zu Besuch in der netzwelt-Redaktion und hat eins der derzeit begehrtesten Gadgets der Welt mitgebracht: Google Glass. Was die Datenbrille alles kann, woran es beim Prototyp noch hapert und warum Sohnemann glaubt, dass sich Smartphones auch in Zukunft noch in unseren Taschen befinden, verrät er im Video-Interview.

Bevor es ins Gespräch mit Nick Sohnemann geht, lassen wir es uns natürlich nicht nehmen, selbst zu Googles Luxus-Accessoire zu greifen. Bei der vorliegenden Ausführung handelt es sich um die zweite Version der Datenbrille, mit zusätzlichem Kopfhörer.

Auf der Nase fühlt sich Glass überraschend vertraut an. Das Gewicht entspricht in etwa dem einer Sonnenbrille. Obwohl die ganze Technik auf der rechten Seite verbaut ist, bekommt das Gestell keine Seitenlage. Man gewöhnt sich also schneller als gedacht an den Computer im Gesicht. Bemerkbar macht sich die Datenbrille erst wieder nach intensiver Nutzung. Wenn die Technik im Bügel auf Hochtouren läuft, ist eine Wärmeentwicklung am rechten Ohr zu spüren. Verbrenunngen sind jedoch nicht zu befürchten, versichert Sohnemann.

Google Glass

Google Glass im Kurztest

Bemerkenswert ist der Tragekomfort. Google Glass passt auf fast jedes Gesicht - ohne, dass der Nutzer große Anpassungen vornehmen muss. Selbst bei ruckartigen Kopfbewegung oder beim Joggen sitzt Google Glass sicher auf der Nase, berichtet Sohnemann, der die Brille bereits mehrere Wochen verwendet.

Aber: Selbst wenn Glass deutlich schlanker und kleiner ist als andere Datenbrillen, wie etwa die Epson Moverio BT-200, modisch ist das Gadget dennoch nicht. Nicht nur beim Blick in den Spiegel kommt man sich mit Glass auf der Nase albern vor, so Sohnemann. Angesprochen wurde er auf die Brille von Passanten noch nicht allzu häufig: "Leute, die Glass nicht kennen, denken einfach, dass sei eine normale Brille". Ähnlichkeiten zur Star Trek-Rasse "Borg" können Google Glass-Träger jedoch nicht von der Hand weisen.

Das kann Googles Datenbrille

Ohne Smartphone läuft bei Google Glass wenig. Das Mobiltelefon stellt der Brille über eine Bluetooth-Verbindung GPS zur Verfügung und leitet Anrufe sowie eingehende Nachrichten weiter. Vorteil: Die Brille braucht weniger eigene Technik und wird dadurch kleiner und leichter. Nachteil: Autark arbeitet Glass nicht - ähnlich wie Samsungs Smartwatch Galaxy Gear ist die Datenbrille also ein sogenanntes "Companion Device".

Wer mit der Brille ins Internet will, ist auf eine WLAN-Verbindung angewiesen. Ist kein offenes Netzwerk zu finden, bleibt nur, das eigene Smartphone oder Tablet zum mobilen Hotspot umzubauen. In dieser Konfiguration sind Datenvolumen und Akkukapazität jedoch im Handumdrehen aufgebraucht.

Neben den genannten Möglichkeiten lassen sich mit der Datenbrille auch Fotos und Videos aufnehmen sowie durchs Netz surfen. Was jedoch aufgrund des kleinen Bildschirms und des damit verbundenen permanenten Scrollens sehr unkomfortabel ist. Nützlicher ist Glass bei der Navigation im Auto, da der Nutzer unbeirrt fahren kann, während die Brille ihm die Richtung weist. Zusätzlich ist es möglich, Suchanfragen an den Google Knowledge Graph zu stellen. Die ersten Sätze des Ergebnisses werden dem Nutzer dann vorgelesen.

Über die MyGlass-App für iPhone oder Android können Nutzer für Glass optimierte Apps installieren. Mit den Glassware-Programmen erhält der Nutzer auch aktuelle Nachrichten der New York Times auf das Display vorm Auge. Das Highlight des Angebots ist Sohnemann zufolge eine App, die geschriebenen Text erkennt und auf dem Display der Brille die Übersetzung mittels Augmented Reality über die eigentlichen Sätze legt.

Das kann Glass nicht

Anders als viele Leute glauben, sei Google Glass nicht als AR-Brille konzipiert, sagt Sohnemann. Google schließe sogar in den Nutzungsbedingungen viele AR-Anwendungsszenarien aus. Datenschutzbedenken hinsichtlich Gesichtserkennung und ähnlichen Zweckentfremdungen seien daher unbegründet. Die volle Kontrolle hat Google über die Datenbrille aber natürlich nicht. Ein Hacker entwickelte bereits eine Anwendung, die auch die Erkennung vorbeigehender Passanten mittels Glass ermöglichen soll.

Google Glass: Teardown

So wird Glass bedient

Wie den meisten bereits bekannt, wird Google Glass vor allem mit der eigenen Stimme gesteuert. Dazu muss der Nutzer "Ok Glass" plus einen von derzeit sechs Befehlen sagen. Die Bedienung mit der Stimme macht Sinn, schließlich nennt Google als Vorteil von Glass gegenüber dem Smartphone, dass der Nutzer die Hände frei hat. Allerdings funktioniert die Sprachsteuerung derzeit nur auf US-Englisch. Für den Verkauf außerhalb der USA ist das Gadget bis dato aber auch noch nicht konzipiert.

Einzelne Aktionen - etwa das Aufwecken der Brille oder das Schießen eines Fotos - lassen sich auch durch Bewegungen des Kopfes oder der Augen auslösen. "Den Auslöser per Blinzeln zu aktivieren, bedarf jedoch einiger Anstrengung", erklärt Sohnemann. Ganz ohne Hände geht es zudem nicht: Am rechten Bügel befindet sich ein Touchpad. Mit Fingergesten kann der Nutzer hier Apps beenden oder durch die Menüs scrollen, worauf in einigen Fällen zwingend zurückgegriffen werden muss.

Schwachstellen

Größte Schwachstelle von Google Glass ist derzeit der Akku. Bei dauerhafter Nutzung hält die Datenbrille nicht einmal eine Stunde. Kein Wunder. Die Batterie ist deutlich kleiner als bei aktuellen Smartphones. Mit einem weiteren Akku am linken Brillenflügel könnte die Laufzeit womöglich verdoppelt werden - selbst dann läge sie aber deutlich unter dem Durchschnitt von Handys.

Im Kurztest enttäuschte überdies die Qualität des Displays. Die Anzeige wirkte leicht verschwommen. Die ganze Zeit nach oben zu starren, kann auf die Dauer zudem anstrengen. Außerdem ist der Lautsprecher Sohnemann zufolge viel zu leise. Auch vom neuen Kopfhörer zeigt sich der Trendscout nicht überzeugt: "Dann hat man wieder was im Ohr".

netzwelt meint

Derzeit befindet sich Google Glass noch im Beta-Stadium, was man an allen Ecken und Kanten der Datenbrille merkt. Das grundlegende Konzept eröffnet zwar interessante Möglichkeiten - etwa im Bereich Navigation oder Übersetzung. Die aktuelle Version der Brille ist jedoch derzeit nicht für den täglichen Einsatz geeignet - allein schon wegen der kurzen Laufzeit. Es bleibt abzuwarten wie Google das Feedback der Beta-Tester nutzt, um dem SciFi-Accessoire zur Marktreife zu verhelfen.

Erfahren Sie wie Hamburg-Altona auf einen Ausflug mit Glass reagiert.

Google Glass

Sagt euch nicht zu? Ihr sucht nach passenden Alternativen? Eine umfangreiche Liste an Google Glass-Alternativen halten wir für euch in unserer Netzwelt-Wissen-Übersicht bereit.

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