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Der «Guardian» sieht Licht am Horizont | NZZ

  • ️Rainer Stadler
  • ️Wed Jul 25 2018

Die digitalen Einnahmen des «Guardian» und der Sonntagszeitung «Observer» übertrafen erstmals jene des Printgeschäfts. Im kommenden Jahr will die Mediengruppe die Phase schwerer Defizite beenden.

(Bild Imago)

(Bild Imago)

Einigen Presseunternehmen gelingt es inzwischen zusehends, sich vom bisherigen Stammgeschäft unabhängiger zu machen. Am Dienstag meldete die Herausgeberin des «Guardian» und des «Observer», im vergangenen Geschäftsjahr erstmals mehr Einnahmen auf den digitalen Märkten als im Printbereich erwirtschaftet zu haben. Diese psychologische Grenze ist im Bemühen, den Strukturwandel zu meistern, aber nur knapp überschritten worden. Die Druckerzeugnisse spülten 107,5 Millionen Pfund in die Kasse; das sind 10 Prozent weniger als im Vorjahr (der Verlag schliesst sein Jahr jeweils Ende April ab). Im digitalen Sektor legte das Unternehmen um 15 Prozent auf 108,6 Millionen Pfund zu.

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Dieser Betrag umfasst nicht nur die Werbegelder im Digitalbereich, sondern auch die Zuwendungen von Gönnern und Unterstützern. Der «Guardian» verzichtet auf Gebühren für den Zugang zu den Online-Informationen. Angesichts der Schwierigkeit, genügend Werbeeinnahmen zu erwirtschaften, ermuntert er aber die Besucher, freiwillig einen Beitrag zu bezahlen. Er schlägt dabei einen monatlichen Zustupf in Höhe von 6, 10, 20 oder mehr Pfund vor. Inzwischen zählt die Guardian Media Group 570 000 Mitglieder, die regelmässig spenden – ein Zuwachs von 70 000 Personen seit Anfang Jahr. Ferner verzeichnete das Unternehmen 375 000 einmalige Beiträge.

Indessen sinkt die Zahl der attraktivsten Kunden, der Zeitungsabonnenten. Die Auflage des «Guardian» liegt inzwischen bei 138 000 Exemplaren. Ein Jahr zuvor waren es 19 000 Exemplare mehr. Die Zeitungen bleiben laut dem Unternehmen ein wichtiger Teil des Geschäfts. Die einst wichtige Printwerbung macht allerdings nur noch 10 Prozent der Gesamteinnahmen der Mediengruppe aus. Den Versuch, ohne Rücksicht auf die Kosten die Reichweiten zu steigern, hat man aufgegeben. David Pemsel, Geschäftsführer der Mediengruppe, sagte, man wolle sich auf die zehn Millionen regelmässigen Online-Leser konzentrieren.

In den vergangenen Jahren versuchte sich der «Guardian» als globale Marke zu etablieren. Nicht zuletzt wollte man auf dem amerikanischen Markt als linksliberale Stimme wahrgenommen werden. Unter der Führung des langjährigen Chefredaktors Alan Rusbridger gelangen dem Blatt einige journalistische Coups. Der «Guardian» deckte vor sieben Jahren die Abhöraktionen von Boulevardjournalisten im Sold von Rupert Murdoch auf und löste damit in Grossbritannien ein politisches Erdbeben aus. Die Zeitung erregte auch mit Recherchen über die Schnüffeleien des US-Geheimdienstes NSA Aufmerksamkeit.

Die Expansionsstrategie hat jedoch viel gekostet. Während mehrerer Jahre verzeichnete das Unternehmen schwere Verluste. Vor zwei Jahren lag das Betriebsdefizit bei 69 Millionen Pfund, ein Jahr später bei 45 Millionen. Nun beträgt das Minus 23 Millionen Pfund. Das Unternehmen leitete eine Sanierung ein. Nicht zuletzt reduzierte man die Anzahl der Stellen. Wer freiwillig kündigte, bekam einen «Bonus». Ab 2019 will man wieder schwarze Zahlen schreiben. Die Verluste waren bisher verkraftbar, weil hinter der Zeitungsgruppe eine schwerreiche Stiftung steht, der Scott Trust.