Chimamanda Ngozi Adichie: Dream Count. Roman - Perlentaucher
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Dream Count
Roman
Klappentext
Aus dem Englischen von Jan Schönherr und Asal Dardan. Vier Frauen, vier Leben und die Sehnsucht nach Sichtbarkeit, Liebe und Selbstbestimmung. Chiamaka ist Reiseschriftstellerin, navigiert zwischen ihrer nigerianischen Heimat und ihrem amerikanischen Zuhause und versucht, sich im Rückblick auf die Männer ihres Lebens zu erklären, wann genau ihr ihre Träume abhandengekommen sind. Zikora ist Anwältin und lebt in Washington D. C. Sie hat Erfolg und sich schon vor langer Zeit von ihrer Mutter distanziert; bis sie - plötzlich selbst Mutter und alleinerziehend - merkt, wie nahe sie ihr in ihrer vermeintlichen Schwäche ist. Omelogor lebt in Nigeria. Als Bankerin hilft sie, Korruption zu verschleiern, aus Idealismus versucht sie, Frauen und ihre Unternehmen zu fördern. Doch eines Tages kündigt sie ihren Job, um in den USA zu studieren. Kadiatou ist Chiamakas Haushälterin. Außerdem arbeitet sie in einem Hotel, wo ein mächtiger Gast sie belästigt. Ein entwürdigender Prozess von Beweisaufnahme und Verfahren beginnt, in dem alles im Zentrum steht, nur nicht Kadiatous Schicksal. Chimamanda Ngozi Adichie spannt über Kontinente hinweg die Geschichten der vier Frauen, die einander immer wieder die Hand reichen, und erzählt von existentieller weiblicher Erfahrung, die oft in den ganz kleinen Augenblicken zutage tritt: im Schwangerschaftstest auf dem Badewannenrand, in Tagträumen nach einem Augenkontakt im Flugzeug, im Warten auf einen Anruf oder im Moment plötzlich zusammengenommenen Mutes.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 10.03.2025
Rezensentin Maike Albath ist nur teilweise angetan von Chimamanda Ngozi Adichies neuem Buch, dessen Hauptfigur Chiamaka der Autorin in manchen Aspekten nachgebildet ist: auch Chiamaka ist eine Schriftstellerin, steht allerdings noch am Anfang ihrer Karriere, außerdem ist sie reich, schön und lebt ihr Leben zwischen Nigeria und den USA. Im Zentrum des auf Frauenschicksale fokussierenden Romans steht der titelgebende Dream Count, der sich auf verpasste Chancen im Leben eines Menschen bezieht - Chancen, die in diesem Fall oft mit Männern zu tun haben. Erzählerisch ist dieses Buch, das noch drei andere weibliche Perspektiven und außerdem eine Reihe soziologisch ausdifferenzierter Männer ins Spiel bringt, interessant, findet die Rezensentin, der durchgängig präsente, oberflächliche Plauderton hingegen gefällt ihr nicht allzu sehr. Themen wie Verlassenwerden und Mutter-Tochter-Beziehungen spielen in den vielfältigen Handlungssträngen eine große Rolle, so die Kritikerin. Besonders Passagen, die sich einer Hausangestellten widmen, überzeugen die Rezensentin in ihrer Darstellung sozialer Ungleichheit. Auch eine Vergewaltigung - hier greift Adichie den Dominique-Strauss-Kahn-Fall auf, kommt vor, in diesem Handlungsteil entwickelt der Roman eine Dringlichkeit, die der Rezensentin imponiert. Andererseits stört sich Albath daran, dass Nebenfiguren allzu oft etwas funktional eingesetzt werden. Arg hemdsärmelig kommt dieses Epos daher, kritisiert Albath, an die Bücher von, zum Beispiel, Toni Morrison oder Salman Rushdie reicht Adichies Roman nie heran, wenngleich er unterhaltsam geschrieben ist.
Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.03.2025
Chimamanda Ngozi Adichies neuer Roman ist für die Rezensentin Nadine A. Brügger "ebenso feministisch wie versöhnlich": Es geht darin um vier Frauen und ihren Wunsch, "erkannt" zu werden. Alle vier sind zwischen Afrika und den USA unterwegs, alle vier träumen von einem anderen Leben, alle vier erzählen abwechselnd ihre Geschichte, in denen jeweils auch die anderen eine Rolle spielen, so Brügger. Besonders sticht Kadiatou, die Haushälterin, hervor: Sie ist Nafissatou Diallo nachempfunden, die 2011 Dominique Strauss-Kahn eines sexuellen Übergriffs bezichtigte, erklärt sie. Sie ist von Adichies Buch, das nie die Spuren in die "nigerianische Realität" verliert, voll und ganz überzeugt.
Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 05.03.2025
Gern gelesen hat Rezensentin Judith von Sternburg den sehnlich erwarteten neuen Roman von Chimamanda Ngozi Adichie, dessen Erscheinen von viel Trubel begleitet war, der selbst aber "ganz gelassen" daherkommt. Vier Frauen stehen im Zentrum der Handlung, darunter die Schriftstellerin Chiamaka, deren nigerianische Verwandtschaft so reich ist, dass ihren zahlreichen Liebhabern fast die Augen aus dem Kopf fallen, wie Sternburg verrät. Die zweite Ich-Erzählerin ist Omelogor, die für eine Bank in Nigeria arbeitet und dieser bei der Verschleierung mehr oder weniger illegaler Geschäfte hilft. Durch die Leben und die Vergangenheit seiner vier Protagonistinnen "segelt" der Roman souverän, freut sich Sternburg. Wie seine Heldin Chiamaka stellt sich ihr Buch gegen alles Erwartbare und gegen die Klischees, die die amerikanische Gesellschaft schwarzen Frauen entgegenschleudert. In diesem Buch wird nachts geträumt und "tagsüber wird gelebt und sehr viel geredet", so Sternburg, die unter anderem die Schilderungen von Chiamakas Affären "glänzend" geschrieben findet. Dass das zuweilen ein bisschen was von "Sex and the City" hat stört sie dabei nur wenig. Ein bisschen geschmeidiger hätte sich Sternburg die Übersetzung durch Asal Dardan und Jan Schönherr gewünscht, sonst wird sie hier glücklich.
Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 04.03.2025
Licht und Schatten macht Rezensentin Sigrid Löffler in diesem temporeich und unterhaltsam geschriebenen Buch der nigerianischen Bestsellerautorin Chimamanda Ngozi Adichie aus. In dessen Zentrum stehen vier Frauen, drei reiche, ein Jetset-Leben lebende Nigerianerinnen und eine Hausangestellte aus einer ländlichen Region. Das tatsächliche Thema des Buches sind jedoch Männer, so Löffler, und insbesondere die Schlechtigkeit der Männer, was an vielen Beispielen ausgeführt wird: Alles, was männlich ist, lügt, betrügt und vergewaltigt in diesem Buch. So weit, so gut. Dass bei dieser Gelegenheit auch die Strauss-Kahn-Affaire in den Roman einfließt, gefällt Löffler weniger, hauptsächlich jedoch stört sie sich an dem "Dream Count" des Titels, der sich auf Fantasien der Hauptfigur Chiamaka bezieht, die sich ein Leben an der Seite männlicher Zufallsbekanntschaften vorstellt. Sexualisierte Tagträumerei auf Schulmädchenniveau ist das für die in dieser Hinsicht von dem Buch enttäuschte Rezensentin.
Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 01.03.2025
Rezensent Tobias Rüther hat diesen Roman der nigerianisch-amerikanischen Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie mit Spannung erwartet, nachdem der Vorgänger "Americanah" vor zwölf Jahren ihren Weltruhm begründet hatte. In ihrem "mal elegischen, mal bitter genauen" Stil schreibt sie hier über vier Frauen, drei aus Nigeria, eine aus Guinea, die alle Verbindungen nach Amerika haben und sich in erster Linie wünschen, "erkannt" zu werden, als Frau, als Mensch, sie müssen sich am laufenden Band dagegen wehren, von Männern vereinnahmt zu werden, berichtet Rüther. Ihm gefällt besonders, wie Adichie die zahlreichen Herabwürdigungen, die eine Schwarze Frau erfährt, erlebbar macht, besonders anhand der Figur Kadiatou, die Nafissatou Diallo nachempfunden ist, die Dominique Strauss-Kahn der sexuellen Nötigung bezichtigt hatte. Für den Kritiker zeigen die solidarischen Beziehungen der Frauen untereinander, dass Literatur wie kein anderes Medium in der Lage ist, das gegenseitige Erkennen möglich zu machen.
Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 01.03.2025
Nach kurzem Tauwetter hat die MeToo-Bewegung gezeigt, dass das Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen nach wie vor eklatant ist, davon handeln auch die Romane von Chimamanda Ngozi Adichie, von denen jetzt seit 2013 das erste Mal wieder einer vorliegt, wie Rezensentin Marie Schmidt berichtet. Sie ist nicht ganz überzeugt: Der Roman spielt 2020, aber die Pandemie kommt kaum vor, es geht bei den drei Frauen aus Nigeria und einer aus Guinea vor allem um "heterosexuelle Lieben, aus denen nichts wurde". Dazu kommen die kalenderspruchartigen Einwürfe, die die Gleichförmigkeit ihrer Figuren noch unterstreichen, nur die Haushälterin Kadiatou sticht heraus, denn ihre Geschichte ist Nafissatou Diallo nachempfunden, wie dem Epilog zu entnehmen ist. Sie hatte Dominique Strauss-Kahn wegen Vergewaltigung angezeigt, aber insgesamt wirkt auch das "wie künstlich dazugepinselt", erfahren wir. Auch wenn die Art und Weise, wie Adichie die Fluidität von Identität und ihren Bezügen zeigt, für Schmidt faszinierend ist, wirkt der Roman insgesamt nicht ganz rund, wie sie schließt.
Rezensionsnotiz zu Die Welt, 01.03.2025
Rezensentin Hannah Lühmann schlürft einen "Cocktail der Genialität" mit dem neuen "Großwerk" von Chimamanda Ngozi Adichie, vor deren Werk sie niederkniet. Mehr noch: Lühmann huldigt einem "intellektuellen Superstar", deren "Weltliteratur" einen "neuen Universalismus" ankündigt, Adichie selbst wird für Lühmann zum "Dostojewski unserer Zeit", die dann, aber dem "weißen männlichen Blick" ihre frische weibliche Perspektive entgegensetzt. Darunter macht es die Rezensentin nicht, bevor sie auf den lang erwarteten neuen Roman zu sprechen kommt. Der erzählt von vier Frauen aus vier Perspektiven: Reiseschriftstellerin Chiamaka, die über die sie demütigenden Männer ihres Lebens sinniert, ihre beste Freundin Zikora, Bankerin Omelogor, die über ihrer Forschung zur Pornografie zerbricht und Hausmädchen Kadiatou, die von einem Restaurantbesitzer vergewaltigt wird, eint die Sehnsucht nach Selbstbestimmung, resümiert die Kritikerin, die staunt wie "zart" Adichie die Geschichten verzahnt. Aus Adichies Nachwort liest die Rezensentin mit Gewinn: Hier erfährt sie etwa, dass es im Roman um Mutter-Tochter-Beziehungen ebenso geht wie um den Fall Dominique Strauss-Kahn.