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Marie Fredriksson: Leben und Tod der Roxette-Sängerin

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  • ️Thu Dec 12 2024

Marie Fredriksson war eine der großen Pop-Stimmen Schwedens, die – wie vor ihr nur ABBA – auf der ganzen Welt große Erfolge feiern konnte. Wir werfen einen Blick auf das Leben, das Schaffen und den viel zu frühen Tod der Sängerin.

Marie Fredriksson wurde am 30. Mai 1958 im schwedischen Dorf Össjö als Gun-Marie Fredriksson geboren. Sie war das jüngste von fünf Kindern von Charles Gösta Fredriksson und Inez Dagmar Fredriksson. Als Marie vier Jahre alt war, zog die Familie von Össjö, wo sie einen Bauernhof hatte, ins größere Östra Ljungby. Ihr Vater arbeitete fortan als Postbote, ihre Mutter Inez Fredriksson in einer Fabrik.

Als Marie sieben war, kam es zu einer Familientragödie: Ihre Schwester Anna-Lisa wurde von einem Tanklastwagen überfahren. Im Gespräch mit dem schwedischen VI-Magazin erinnerte sich Marie Fredriksson im Jahr 2015: „Sie war 20 – und ich kann mich heute kaum noch an sie erinnern. Aber ich erinnere mich an die Trauer, wie die Familie auseinandergerissen wurde. Vollständig. Danach musste ich für mich selbst sorgen. Stellen Sie sich vor, ich war erst sieben Jahre alt. Aber ich glaube, daraus habe ich den Kampfgeist gewonnen, der mir enorm geholfen hat – nicht zuletzt, als ich an Krebs erkrankte. Ich gebe nie auf.“

Marie Fredriksson: Musikalische Anfänge

Marie kam früh mit Musik in Kontakt – nicht zuletzt, weil die Kinder meist auf sich selbst aufpassen mussten, da sich ihre Eltern keine Betreuung leisten konnten. Schnell wurde klar, dass sie musikalisches Talent besaß. Sie brachte sich selbst das Singen und Notenlesen sowie das Spielen mehrerer Instrumente bei.

2017 erzählte sie der „Västerviks Tidningen“, dass sie schon von klein auf eine enge Verbindung zur Musik hatte. Sie erinnerte sich daran, wie sie zusammen mit ihrer Schwester Tina zur Sonntagsschule ging: „Wir hatten eine wunderbare Pastorin in Östra Ljungby. Ich habe wirklich schöne Erinnerungen an diesen Ort, auch als meine große Schwester starb. Ich liebte all die Lieder. Das war so eine Quelle der Freiheit für mich… für uns beide“, beschrieb sie ihre prägenden Erfahrungen.

Im Teenager-Alter entdeckte sie die Rockmusik für sich – Hendrix, Deep Purple, aber auch Joni Mitchell und The Beatles hatten es ihr angetan. Sie begann, Musik an der Fridhems Folkhögskola in Svalöv zu studieren und entdeckte dabei auch Jazz und Soul für sich. Nach ihrem Studium an der Fridhems Folkhögskola begann Marie Fredriksson, aktiv in der Musikszene zu arbeiten. Sie zog nach Halmstad und schloss sich einer Reihe von lokalen Bands an – darunter der Rockband Strul, die sie 1978 mit ihrem damaligen Freund gründete.

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Karriere mit Strul und MaMas Barn

Strul etablierten ein eigenes Musikfestival, das Strulfestivalen, das für die Band lukrativ war. Sie unterschrieben einen Plattendeal mit einem Indie-Label. 1981 erschien die einzige Tonträgerveröffentlichung der Band, die Single „Ki-I-Ai-Oo / Strul igen“. Im selben Jahr löste sich die Band nach einem völlig missglückten Festivalauftritt, der vom schwedischen Radio übertragen wurde, auf.

Danach gründete Marie Fredriksson gemeinsam mit dem ehemaligen Strul-Mitglied Martin Sternhufvud die Band MaMas Barn. Die Band veröffentlichte 1982 einen Longplayer, das Album „Barn som ab“, ein Jahr später war bereits wieder Schluss.

Marie Fredriksson: Solokarriere und die Entstehung von Roxette

1983 begann Fredriksson eine Solokarriere. Ein Angebot des Major-Labels EMI nahm sie zögerlich an, lehnte zunächst ab. Es kam doch anders. 1984 erschien ihr erstes Soloalbum „Het Vind“, das sie gemeinsam mit dem Produzenten Lasse Lindbom aufnahm. Die Single „Ännu doftar kärlek“ (deutsche Übersetzung: „Es riecht immer noch nach Liebe“) wurde zum Sommerhit in ihrer schwedischen Heimat. Auch Album Nummer zwei, „Den sjunde vågen“ (auf Deutsch: „Die siebte Welle“), nahm sie mit Lindbom auf.

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Nachdem es mit 90.000 verkauften Einheiten ein Achtungserfolg wurde, sollte der nächste Karriereschritt der Sprung in internationale Gewässer sein. Fredriksson wechselte von Schwedisch auf Englisch. Ihre Plattenfirma schlug vor, sie solle ein Duett mit Per Gessle aufnehmen, wie bereits erwähnt einem alten Bekannten aus Strul-Proberaum-Tagen. Roxette waren geboren.

Der internationale Durchbruch mit Roxette

Dass Roxette der bekannteste schwedische Pop-Act nach ABBA werden sollte, war damals noch nicht abzusehen. Der erste gemeinsame Song mit Gessle, „Neverending Love“, wurde 1986 in Schweden ein Hit. Im selben Jahr legten Roxette mit dem Debütalbum „Pearls of Passion“ nach. Es sollte aber noch drei Jahre dauern, bis Fredriksson und Gessle auch international den Durchbruch schafften.

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1989 erschien das Album „Look Sharp“ mit dem Hit „The Look“. Eine große Hookline, markanter Wechselgesang von Marie und Per und auch ein optisch einprägsames Duo: „The Look“ brachte Roxette auf die Pop-Landkarte. Es folgten weitere Hits: die Ballade „Listen to Your Heart“ und „Dressed for Success“. Balladen, das bewiesen die beiden ein Jahr darauf eindrucksvoll, konnten Roxette besonders gut.

Roxette im Jahr 1990

1990 erschien die Überballade „It Must Have Been Love“ auf dem Soundtrack des Julia-Roberts-Richard-Gere-Klassikers „Pretty Woman“. Gessle hatte den Song bereits drei Jahre zuvor geschrieben – eigentlich als Weihnachtssong. „Es war einer der ersten Songs, die wir digital gemacht haben – alles andere haben wir in den EMI-Studios in Stockholm analog gemacht. Das war ein Studio namens Audio Sweden, das teilweise dem Tennisspieler Björn Borg gehörte. Es klang ganz anders als das, was wir vorher gemacht hatten“, erinnerte sich Per Gessle gegenüber „Songwritingmagazine.co.uk“.

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„Als wir den Song für ‚Pretty Woman‘ neu aufnahmen, änderte Marie einige Textzeilen, wir fügten ein neues Intro und einige Gitarren hinzu und schickten ihn nach Los Angeles. Dort gab es einen Typen namens Humberto Gatica, der zu dieser Zeit ein sehr erfolgreicher Tontechniker und Mischer war, und er benutzte bei ‚It Must Have Been Love‘ seine so genannte ‚Lucky Snare‘. Das muss Glück gewesen sein, denn das wurde die Version, die die meisten Leute kennen“, erzählte Gessle weiter.

Erfolge und spätere Jahre mit Roxette

Das Hitmachen ging für Roxette munter weiter. 1991 erschien das Album „Joyride“, das sie mit dem Titeltrack an die Spitze der weltweiten Charts katapultierte. Auch hier waren wieder viele große Stücke enthalten, etwa „Fading Like a Flower (Every Time You Leave)“, „Spending My Time“ und „The Big L“. 1992 folgte das Compilation-Album „Tourism“ (der Hit hier: „How Do You Do!“), zwei Jahre später „Crash! Boom! Bang!“ mit „Sleeping In My Car“.
Auch der schönste Hit-Streak geht einmal vorbei: Gegen Ende der 1990er-Jahre war die Musiklandschaft eine andere geworden, der Erfolg ließ nach. Roxette machten dennoch weiter. Sie veröffentlichten neue Alben und tourten gelegentlich, jedoch in kleinerem Rahmen.

Privatleben und Familie

1991 lernte Marie Fredriksson während der „Join The Joyride“-Tour ihren späteren Ehemann, den Keyboarder Mikael „Micke“ Bolyos, kennen. Gegenüber der „Västerviks Tidningen“ erklärte sie 2017, dass Bolyos der Grund war, dass sie bei Roxette geblieben war. „Wenn [wir] uns nicht getroffen hätten, weiß ich nicht, ob ich in der Lage gewesen wäre, länger bei Roxette zu bleiben. Ich konnte mit der persönlichen Seite des Lebens auf Tour nicht umgehen. Ich hing in Bars herum und trank zu viel. Die meiste Zeit war ich traurig und hatte es schwer mit der Presse, wenn ich immer nett sein und das Richtige sagen musste, immer für alle da sein musste, immer ein Lächeln aufsetzen und glücklich sein musste. Marie Fredriksson, die Künstlerin, hatte an Format gewonnen, auf Kosten von Marie, der Privatperson. Ich hatte immer weniger Platz, um ich selbst zu sein, und wenn ich ich selbst war, fühlte ich mich unsicher, klein und verloren.“

Roxette im Jahr 2009

Fredriksson und Bolyos heirateten 1994 in einer privaten Zeremonie, bei der nur die engsten Familienmitglieder eingeladen waren. Wie sie sich erinnerte, zeigte sich ihr Bandkollege gekränkt, nicht eingeladen gewesen zu sein. Dies führte zu Spannungen in der Band. Sie selbst habe dies aber nicht so gesehen und wollte für ihre Hochzeit einfach so viel Privatsphäre wie möglich haben, so die Sängerin. Fredriksson und Bolyos hatten zwei Kinder, eine Tochter und einen Sohn.

Der Kampf gegen den Krebs

2002 kam der große Schock: Bei Marie Fredriksson wurde ein Hirntumor diagnostiziert. Marie Fredriksson war im Badezimmer zusammengebrochen, nachdem sie mit ihrem Ehemann joggen gegangen war.

„Ich kann mich erinnern, wie es mir zuerst ergangen ist. Die Leute hatten Angst. Sie verschwanden, trauten sich nicht, Kontakt aufzunehmen. Als ich dann mit der Einnahme von Kortison beginnen musste, 32 Tabletten täglich, schwoll ich so stark an, dass mich niemand erkannte. Dann wurde es noch schlimmer…“, erinnerte sie sich im Interview mit „VI Magazine“.

Marie Fredriksson (1958-2019)

Trotz ihrer Krebserkrankung machten sich Roxette wieder an die Arbeit – für Fredriksson war das die beste Therapie und Ablenkung. 2006 schien es so, als wäre der Krebs besiegt. 2015 erinnerte sie sich: „Es gab so viele Leute, die nicht geglaubt haben, dass ich es schaffen würde. Auch Ärzte. Aber ich wusste innerlich, dass ich den Krebs besiegen würde. Und die Jahre, in denen ich nicht sprechen konnte, wurden völlig isoliert. Ich erinnere mich, wie wir mit der ganzen Familie zusammensaßen und zu Abend aßen und wie Micke und die Kinder miteinander plauderten. Ich brachte kein einziges Wort heraus. Es war schrecklich. Und doch wusste ich die ganze Zeit, dass ich es schaffen würde.“

Leider sollte sie den Kampf gegen den Krebs schlussendlich nicht gewinnen. 2016 wollten Roxette eigentlich zu ihrem 30-jährigen Jubiläum auf Tour gehen, Fredriksson musste auf Anraten ihrer Ärzte aber absagen. „Leider sind meine Tournee-Tage nun vorbei, und ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um unseren wunderbaren Fans zu danken, die uns auf unserer langen und kurvenreichen Reise begleitet haben“, erklärte sie in einem Statement. Drei Jahre später, am 9. Dezember 2019, erlag Marie Fredriksson im Alter von 61 Jahren ihrem Krebsleiden.

Reaktionen auf ihren Tod

König Carl XVI. Gustaf von Schweden veröffentlichte zu Fredrikssons Tod ein Statement: „Uns hat die traurige Nachricht erreicht, dass die Sängerin Marie Fredriksson verstorben ist. Für viele in unserem Land, sogar in meiner eigenen Familie, ist ihre Musik eng verbunden mit Erinnerungen an besonders wichtige Momente im Leben“, so der Monarch.

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„Du warst ein hervorragender Musiker, ein Meister der Stimme, ein erstaunlicher Künstler. Danke, dass du meine schwarzen und weißen Lieder in den schönsten Farben gemalt hast“, zollte Per Gessle seiner Kollegin Tribut. „Du warst über 40 Jahre lang ein wunderbarer Freund. Ich bin stolz, geehrt und glücklich, dass ich so viel von deiner Zeit, deinem Talent, deiner Herzlichkeit, deiner Großzügigkeit und deinem Sinn für Humor mit dir teilen durfte. Meine ganze Liebe geht an dich und deine Familie. Es wird nie mehr so sein wie früher“, so Gessle.

Phil Dent Redferns

Greetsia Tent WireImage

Carlos Alvarez Getty Images