MTV-Awards: Europa preist Amerika
- ️@derspiegel
- ️Fri Nov 19 2004
6000 tanzende Pop-Tifosi, ein Moderator (US-Rapper Xzibit), der gar nicht so schlecht war wie befürchtet - und dazu ein bisschen Dolce Vita: Bei der elften Verleihung der MTV Europe Music Awards in der Ewigen Stadt passte alles zusammen. Zuhause saßen gestern Abend eine geschätzte Milliarde Zuschauer vor den Fernseher und verfolgten die Show, in der Rap-Superstar Eminem gleich zu Beginn für die übliche Aufregung sorgte.
In kaltes blaues Licht getaucht fuhr er aus dem Boden auf die Bühne - direkt vor einen Panzer, der (auf den Video-Leinwänden) von Kampfhubschraubern umzingelt war. Dazu Militärgetrommel. Und Kinder, die mit geschulterten Gewehren einmarschierten. Es war Eminems persönliche Anti-Bush-Demonstration, die er mit seinem neuen Song "Like Toy Soldiers" begleitete. Ein düsterer Auftakt.
Doch plötzlich ein Schnitt: Lachende, tanzende Kinder. Fröhlich hiphoppen sie über die Bühne. Eminem reißt sich seine dunkle Kutte vom Leib und bringt mit seiner aktuellen Single "Just Lose It" Schwung in die Menge. Nun wollten die Italiener im "Tor di Valle"-Hippodrom Preisträger sehen.
Und die bekamen sie. Allerdings wurde die Vergabe der europäischen Musikpreise des US-Senders MTV schon ein bisschen zur Farce. Denn bis auf die verschiedenen nationalen Preisträger (Deutschland: Beatsteaks) und eine Ausnahme (die britische Band Muse, die als beste Alternative-Band ausgezeichnet wurde) kamen die Gewinner aus Amerika.
Wie zum Beispiel Usher, der als erster Sieger auf die Bühne durfte. "Confessions" sei das beste Album des Jahres, urteilte die Jury. Später wurde der 25-Jährige auch noch als bester Künstler geehrt. Der R&B-Star, der Anfang der Woche auch bei den American Music Awards dominierte, scheint als nächstes nun auf eine Auszeichnung bei den Fashion Awards hinzuarbeiten: Nachdem er zu Beginn nämlich noch im weißen Anzug, weinroten Hemd und mit einer riesigen Flieger-Sonnenbrille im Publikum saß, kam er dann zu seinem Duett mit Alicia Keys elegant in Schwarz aus der Umkleide.
Bei so viel Glamour konnte eigentlich nur US-Sängerin Gwen Stefani mithalten: In Schwindel erregend hohen High Heels, einem Mini-Minirock - alles ganz in Weiß - und einer Art "Alice im Wunderland"-Show stahl die 35-Jährige Frontfrau der Band No Doubt den anderen Stars die Show. Da fiel schon fast nicht mehr auf, dass ihr Solo-Song "What You Waiting For?" auch ganz nett klingt.
Der größte Abräumer, diesmal aber gar nicht so abgedreht und extravagant wie üblich, war das HipHop-Duo OutKast aus Atlanta, Georgia. Eine Trophäe als beste Band, eine für das beste Video und eine für den besten Song dürfen sich Andre 3000 und Big Boi zu den vielen anderen Musikpreisen, die sie im vergangenen Jahr gewannen, ins Regal stellen. Besonders über die letzte Auszeichnung freuten sich die Amerikaner, denn "Hey Ya!" wurde nicht von der Jury, sondern von rund zwölf Millionen MTV-Zuschauern zum besten Song gewählt.
Viele von denen hätten wohl auch gerne andere Präsentatoren gewählt. Denn die zarte blonde Britin Natasha Beddingfield passte einfach nicht so recht in die Mitte der US-Rocker von Linkin Park. Und die brüllenden Fußballer Paolo di Canio und Alessandro del Piero sollte man auch so schnell nicht wieder auf eine Bühne lassen. Dagegen glänzten Kylie Minogue und Sarah Michelle Gellar allein schon durch Anwesenheit. Rock-Dinosaurier Ozzy Osbourne zeigte sich von seinem schweren Motorrad-Unfall bestens erholt. Frisch wie selten, frech und finster stellte er mit seiner Frau Sharon die Kandidaten für die beste Band vor.
Gefallen haben dürften ihm auch die Auftritte von Franz Ferdinand und The Hives. Geschniegelt wie immer standen die Schotten und die Schweden auf der Bühne und rockten das Festzelt. Das war indes gigantisch: 25 Meter hoch, prall gefüllt mit schrill kreischenden Fans, die an diesem Abend keinen Zweifel aufkommen lassen wollten: Sie sind nicht das alte Rom, sie sind das junge Rom.
Die Preisträger der 11. MTV Europe Music Awards:
Bestes Album: "Confessions", Usher
Beste Rockband: Linkin Park
Beste Band: OutKast
Beste Alternative-Band: Muse
Bestes Video: "Hey Ya!", OutKast
Beste HipHop-Band: D12
Bester R&B-Interpret: Alicia Keys
Bester Newcomer: Maroon 5
Beste Popband: The Black Eyed Peas
Beste Künstlerin: Britney Spears
Bester Künstler: Usher
Bester Song: "Hey Ya!", OutKast
Beste deutsche Band: Beatsteaks
Free Your Mind Award: Organisation "La Strada", die sich gegen den Menschenhandel in Osteuropa einsetzt.