spiegel.de

Halali zur Fox-Jagd

  • ️@derspiegel
  • ️Sun Aug 08 2004

Als Roger Ailes sein Geld noch als Medienberater verdiente, kam es manchmal vor, dass ihn ein Fernsehsender bat, sich den einen oder anderen Moderator bei einer lokalen TV-Station anzusehen. Ailes setzte sich dann in ein Hotelzimmer, schaltete den Fernseher stumm und sah den Kandidaten dabei zu, wie sie tonlos ihre Arbeit verrichteten.

»Wenn nichts auf dem Bildschirm passierte, was mir interessant genug erschien, um aufzustehen und den Ton anzudrehen, war mir klar, dass der Moderator kein besonders guter Darsteller war«, erklärte Ailes seine Methode der Star-Suche später.

Ailes war schon immer davon überzeugt, dass gutes Fernsehen zuallererst heißt, eine perfekte Vorstellung abzuliefern, egal ob es um die Präsentation einer Spielshow geht, den Wetterbericht oder den Ausbruch eines Krieges. Niemand hatte gedacht, dass sich dieses Prinzip auch auf Nachrichtensendungen übertragen ließe.

»Fernsehen ist ein Unterhaltungsmedium«, sagt Ailes. Das Ergebnis seiner Bemühungen heißt Fox News.

Ailes ist 64 Jahre alt und so übergewichtig, dass Kinn und Wangen über den Hemdkragen hängen. Er hat einen beißenden Witz und ein aufbrausendes Temperament, was während seiner wechselvollen Karriere mehr als einmal zum Problem wurde. Es gibt nicht wenige in der US-Fernsehindustrie, die ihn für einen der einflussreichsten TV-Pioniere Amerikas halten.

Als er vor acht Jahren mit Fox News anfing, gab es nicht viel mehr als den Wunsch des australischen Medienunternehmers Rupert Murdoch, endlich auch in Amerika einen eigenen Nachrichtenkanal zu besitzen sowie einen ehemaligen Plattenladen an der 6th Avenue in Manhattan, von dem Ailes fand, dass man ihn relativ einfach zu einem Studio ausbauen könnte. Er hatte gerade seinen Job als Chef des Wirtschaftssenders CNBC hingeschmissen. Es gab kaum jemanden, der ihm große Chancen einräumte.

»Wir werden Murdoch wie einen Käfer zerquetschen«, tönte CNN-Erfinder Ted Turner. Und gemessen an Größe und Einfluss des Marktführers schien das nicht einmal allzu anmaßend. Der Nachrichtenriese CNN aus Atlanta hatte ein zehnmal so

großes Budget, er hatte 3500 Leute und 30 Studios in aller Welt. Es sah nach einem sehr ungleichen Kampf aus.

Inzwischen ist der kleine Angreifer der erfolgreichste Nachrichtensender der USA. Oder wie es Fox News mit der für den Kanal typischen Mischung aus Selbstbeweihräucherung und Prahlerei sagt: der mächtigste Name im amerikanischen Nachrichtengeschäft. 1,4 Millionen Kabel-Zuschauer schalten zur Hauptsendezeit durchschnittlich ein, das sind fast doppelt so viele wie bei CNN. MSNBC, ein Gemeinschaftsunternehmen von NBC und Microsoft, liegt mit 321 000 Zuschauern weit abgeschlagen auf Platz drei.

Fox News ist so etwas wie die großbusige Blonde unter den Nachrichtenkanälen: bunt, laut, ranschmeißerisch und immer etwas zu grell geschminkt.

Ständig fliegen im Programm irgendwelche Grafiken durchs Bild, die Kamera kann nicht mal für eine Minute still stehen, und wenn es mal wieder Zeit für einen »Nachrichtenalarm« ist, den bei Fox News schon die Festnahme eines hinreichend brutalen Raubmörders auslösen kann, färbt sich der ganze Bildschirm orange.

Bei Fox News kann es passieren, dass sich Moderatoren und Gäste im politischen Abendprogramm Schrei-Duelle liefern und weniger durchsetzungsstarke Stimmen mit dem Satz »Halten Sie doch den Mund« abgewürgt werden. Vor allem aber ist Fox News unverfroren konservativ, im Zweifel regierungsfreundlich - und hat es auf diese Weise zum Image des meistgehassten Senders der Vereinigten Staaten gebracht.

Kein anderer TV-Kanal setzt bei denen, die sich nicht zu seinen Zuschauern rechnen, solch heftige Emotionen frei, wobei Spott noch die zivilisierteste Form der Ablehnung ist. Als »'Prawda' der Republikaner« wird der Kanal beschimpft, als »Lügensender« oder »Mundstück Bushs« und »Massenverdummungsmaschine«. Senderchef Ailes wird bisweilen mit Hitlers Propagandachef Goebbels verglichen.

Bis vor kurzem hat sich die Verachtung in ein paar Büchern und auf Internet-Seiten ausgetobt. Doch seit ein paar Wochen hat es Fox News mit der wohl orchestrierten Kampagne einer sich neu formierenden Allianz zu tun.

Ein gutes Dutzend linker Organisationen haben sich gegen den Sender zusammengeschlossen. Sie schalten Anzeigen und rufen zu öffentlichem Protest auf. Es gibt Bücher, Poster und Sticker. Wer auf eine der angeschlossenen Web-Seiten geht und seine Postleitzahl eingibt, erhält Adressen von Gleichgesinnten in seiner Nachbarschaft.

Richtig Fahrt bekommen hat die Kampagne, seit sich MoveOn.org dahintergeklemmt hat, mit über zwei Millionen Mitgliedern und Finanziers wie dem Börsenspekulanten George Soros die bekannteste und mächtigste linke Aktivistengruppe Amerikas.

Vor drei Wochen hat MoveOn bei der Aufsichtsbehörde FTC in Washington Klage gegen Fox News eingereicht: Die Behörde soll dem Sender seinen Slogan »fair und ausgewogen« als unlautere Werbung verbieten. In diesen Tagen wird Sendereigner Murdoch ein Protestschreiben von 50 demokratischen Kongressabgeordneten zugeschickt, die eine Stellungnahme verlangen.

»Wir wollen die Öffentlichkeit über den wahren Charakter des Murdoch-Senders aufklären«, sagt Robert Greenwald. »Wir wollen die Sponsoren, die das Programm mit ihren Werbeschaltungen finanzieren, zum Nachdenken veranlassen, ob sie und ihr Produkt wirklich mit einem so rechtslastigen Medium identifiziert werden wollen.« Wenn es von rechts gegen CNN ginge, würde man spätestens an diesem Punkt wohl von einer Einschüchterungskampagne reden.

Greenwald ist Regisseur von »Outfoxed«, dem derzeitigen medialen Höhepunkt des Anti-Fox-Kampfes, eine Dokumentation im Geiste des anderen großen Bush-Gegners Michael Moore. Über Monate hat der Filmemacher und Produzent aus Hollywood das Fox-Programm aufgezeichnet und ausgewertet. Er hat mit ehemaligen Mitarbeitern gesprochen und sich eine Reihe hausinterner Memos zustecken lassen, die man als Richtungsanweisungen an die Redakteure verstehen muss ("Machen Sie kein Watergate aus der 9/11-Kommission").

Heraus kam das Bild eines Senders, der von seinen Mitarbeitern Treue zur republikanischen Parteilinie erwartet und bei abweichenden Meinungen mit Kündigungen droht. Die Welt ist ein bisschen wie in Moores »Fahrenheit 9/11«, nur dass als Bösewicht diesmal nicht Bush im Zentrum steht, sondern Murdoch mit seinen vermeintlichen Plänen zur medialen Weltherrschaft.

Diese Sicht scheint anzukommen: Der Film, zunächst nur bei so genannten Houseparties quer durch die USA zu sehen und übers Internet als DVD und Video zu bestellen, wurde inzwischen mehr als 100 000mal ausgeliefert, beim Online-Händler Amazon belegt er Spitzenverkaufsränge. Seit vorigem Freitag bringen diverse Großstadtkinos ihn auf die ersten Leinwände.

Fox News selbst hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass es sich als konservativ-patriotische Alternative versteht. Im Programm weht stets die amerikanische Flagge. Auch das macht einen Teil des Erfolgs aus.

Der typische Fox-Zuschauer ist 56 Jahre alt, nur wenig jünger als der durchschnittliche CNN-Zuschauer. Er verfügt über ein Jahreseinkommen von 58 000 Dollar, glaubt an Gott und Vaterland und fühlte sich bei CNN oder den Moderatorenlegenden anderer Networks wie Dan Rather oder Tom Brokaw nie wirklich zu Hause. Er glaubt, wie die Oberen bei Fox

News, dass die Mehrheit der US-Journalisten ideologisch nach links tendiert.

Die wenigen Studien, die es zur politischen Neigung in den US-Medien gibt, deuten daraufhin, dass es jedenfalls nicht an den Journalisten liegt, wenn die Demokraten auch die nächste Wahl verlieren sollten. Gerade hat das angesehene Pew Center eine Untersuchung vorgelegt, wonach sich 34 Prozent der Redakteure überregionaler Medien eindeutig dem linken Meinungsspektrum zuordnen, nur 7 Prozent sagen, dass sie die Republikaner favorisieren.

Ob Fox News allerdings der uneingestandene Bannerträger der Bush-Regierung ist - so die zentrale These der Fox-News-Gegner -, ist schon schwerer zu sagen. Es gibt zweifellos eine Reihe von Mitarbeitern, die den Republikanern erkennbar nahe stehen, manchmal peinlich nahe.

In einer der stärksten Szenen von »Outfoxed« sieht man Carl Cameron, Kanal-Korrespondent fürs Weiße Haus, bei der Plauderei vor einem Interview mit dem Präsidenten. Sie sitzen sich gegenüber, während sie auf ihren Einsatz warten. Bush lächelt. »Wie geht es der Familie?« »Gut, gut«, sagt Cameron. »Meine Frau hat jetzt angefangen, für Sie Wahlkampf zu machen.«

»Uh, hm, das ist wunderbar.«

»Sie war am Anfang ein wenig nervös, aber langsam bekommt sie Routine.«

»Sie ist eine gute Seele, eine wirklich gute Seele«, sinniert Bush.

Was Kritiker wie Greenwald oder die Aktivisten von MoveOn allerdings nicht erwähnen, ist, dass eine Reihe von Journalisten, die bei Fox News in verantwortlicher Position arbeiten, über zum Teil herausragende Lebensläufe verfügen.

Nachrichtenchef John Moody, nach Ailes der wichtigste Mann bei Fox News, war schon mit 25 Bürochef für UPI in Moskau, danach folgten 14 Jahre beim Nachrichtenmagazin »Time«. Moderator Brit Hume, ein Aushängeschild des Senders, war 23 Jahre bei ABC News und erhielt für seine Berichte über den ersten Irak-Krieg einen Emmy, höchste Auszeichnung im US-TV.

Auch sonst nehmen es die Anti-Fox-Aktivisten mit der viel beschworenen Ausgewogenheit nicht so genau. So blieb es Howard Kurtz, Medienkritiker bei der »Washington Post«, überlassen, darauf hinzuweisen, dass es auch Fox-interne Memos gibt, die die Belegschaft auffordern, Bush und seinem Herausforderer John Kerry gleiche Sendezeit einzuräumen.

Bislang hat Fox News mit Kritik gut leben können. Bill O'Reilly, Gastgeber der Abendsendung »The O'Reilly Factor« und mit vier Millionen Dollar Jahresgehalt der bestbezahlte Journalist bei Fox News, verliest in jeder Show Briefe zur letzten Sendung. Zustimmende und ablehnende Mails sind dabei ziemlich gleichmäßig verteilt. Die Hassbriefe liest O'Reilly aber am liebsten vor. JAN FLEISCHHAUER