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Comedy: Meister des Erbärmlichen

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  • ️Mon Aug 04 2008

Die Frisur von Ralf Husmann ist so furchtbar, dass er sie gleich der Hauptfigur seines Romans geschenkt hat: "Sein Seitenscheitel ist so out wie Volksmusik. Er ist fluffiger als die Versionen, die man bei 'Hitlers Helfer' sieht, gleichzeitig aber nicht zottelig genug, um als retro, trendy oder szenig durchzugehen."

Husmann liest das auch bei seinen Autorenauftritten vor, und da ja ohnehin alle sehen, was Sache ist, schiebt er gleich noch hinterher: "Damit Sie sich das vorstellen können, habe ich Ihnen die Frisur mal mitgebracht." Das gibt Lacher. Klar. Wenn Husmann etwas kann, dann lustige Sätze.

Doch wenn die Leute sonst über seine lustigen Sätze lachen, werden sie immer von anderen vorgetragen. Und diese anderen werden dann berühmt - mit Husmanns Sätzen.

Harald Schmidt hat von den Gags gezehrt, die Husmann ihm in den ersten Jahren der "Harald Schmidt Show" aufschrieb. Anke Engelke verdankt ihm die Sitcom "Anke". Für Christian Ulmen schuf er "Dr. Psycho" und für Christoph Maria Herbst das Büro-Ekel "Stromberg". Auch Oliver Pocher half er bei "Alles Pocher" und "Rent a Pocher", sich selbst zu erfinden als Rotzlöffel der Nation.

Husmann-Sätze gehen so: "Solidarität ist im Büro natürlich 'n Fremdwort. Hier sitzt an jedem Tisch 'n Bonsai-Judas. Da kann man von 'ner Horde Piranhas mehr Mitgefühl erwarten als von 'ner Horde Kollegen." Sagt Husmanns Figur Stromberg.

Und wer die Serie kennt, hat sofort den Schauspieler Herbst vor Augen, mit Halbglatze, Dreiviertelbart und Dauergrinsen. Alles, nur nicht Husmann. Zwischen Autoren und Fernsehstars ist der Ruhm eben eher ungleichmäßig verteilt.

So wurde Husmann, 43, der heimliche King of Comedy in Deutschland. Zumindest für die etwas jüngeren Zielgruppen. Er hat den Deutschen Fernsehpreis gewonnen und zwei Grimme-Preise. Und nun steht auch noch sein erster Roman "Nicht mein Tag" seit Anfang Juni in der SPIEGEL-Bestsellerliste. Filmangebote liegen schon vor. Seit ein paar Wochen läuft die zweite Staffel von "Dr. Psycho". Husmann möchte den Sommer nutzen, um die vierte "Stromberg"-Staffel zu schreiben, die im kommenden Jahr ins Fernsehen kommen soll.

"Wenn einer in Deutschland das Zeug hat, einmal eine große Serie zu erfinden, die mit den Formaten aus den USA kommerziell mithalten kann, einen deutschen ,Dr. House' also, dann ist es Husmann", sagt Jörg Grabosch, einer der Geschäftsführer der Produktionsfirma Brainpool und damit so etwas wie Husmanns Chef. Anderen gilt er als Hoffnung der gesamten hiesigen TV-Branche, die sich mit deutschen Stoffen schwerer tut denn je.

Der Autor selbst ist skeptisch. Die Dominanz der US-Serien sei erdrückend, findet er. Die Deutschen hätten weder das Geld, um mitzuhalten, noch beherrschten sie das Handwerk. "Es ist ja keine Serie, die in den letzten Monaten scheiterte, zu Unrecht gescheitert."

Dass deutsche Serien gegen die US-Top-Ware "Boston Legal", "Dr. House" oder "CSI" sehr, sehr alt aussehen, liegt auch daran, dass in Deutschland viel zu lange Comedy-Serien wie "Die Camper" oder "Das Amt" erfolgreich waren. Das war zwar nur ein Dauerregen von gespielten Witzen. Aber er brachte Geld.

Husmanns Humor funktioniert anders. "Das ist ja keine ,Alles Atze'- oder ,Ritas Welt'-Heiterkeit", sagt Oliver Pocher. "Da gibt es viel schwarzen Humor, da werden auch mal Tabus gebrochen." In der dritten "Stromberg"-Staffel etwa starb Erika, eine mollige Kollegin ("Unkraut vergeht nicht so schnell wie Kuchen"), der Stromberg das Leben schwergemacht hatte. "Deswegen hab ich ja auch gesammelt persönlich, hier im ganzen Haus", brabbelt er. "Und da ist ein dicker Batzen zusammengekommen. So haben wir die Erika ja auch oft genannt."

Einen "Meister des Erbärmlichen" nennen sie ihn in Husmanns Verlag. Sein Buch handelt eigentlich von nichts anderem. Er selbst sagt, er liebe Szenen, in denen das Leben eigentlich gerade großartig sein soll, aber dann doch wieder nur mickrig gerät.

Solche Szenen gibt es auch in seinem Leben. Als er den Deutschen Fernsehpreis bekam, ging seine Ehe gerade auseinander. Als er gemeinsam mit Christian Ulmen den Grimme-Preis erhielt, fuhren beide zusammen zur Preisverleihung und überlegten Strategien, um sich möglichst authentisch zu freuen. "Ich wusste, wenn wir da stehen und einfach sagen: Vielen Dank, dann kommt das nicht richtig rüber, und alle denken: Was sind das für arrogante Arschlöcher." Es half nichts. Ulmen verstotterte den Auftritt.

Immerhin ist Husmann heute die eigene, zuweilen deprimierende Vergangenheit nützlich. Bevor er sich als Gag-Schreiber erste Meriten verdiente, war er als Teil eines Kabarett-Duos durchs Ruhrgebiet getingelt. Ohne große Hoffnung, selbst berühmt zu werden. "Ich sah schon meine Zukunft vor mir, wie ich Abend für Abend nach der Vorstellung an der Bar sitze und über Wärmedämmung rede."

Das hilft ihm heute. "Er weiß, wie sich ein darstellender Mensch fühlt. Er kennt die Angst vor der Pointe", sagt Christian Ulmen." Kein Gag sei sicher, sagt Husmann. Auch nach mehr als zehn Jahren im Geschäft könne er nicht voraussagen, ob eine Pointe beim Publikum zündet.

Er selbst ist ein eher distanzierter Mensch. Keiner, der Charme versprüht, sondern eher einer, der Autorität ausstrahlt. Die Autorität dessen, der im Zweifelsfall die bessere Pointe hat. Das war schon bei Schmidt so, für den Husmann als Chefautor das Genre der Polenwitze bühnenreif machte und so lange auf die Spitze trieb, bis der polnische Botschafter sich beschwerte.

Husmanns Art überfordert manchen. Sein Humor wirkt rasch überheblich. "In seiner Gegenwart wage ich überhaupt nicht, selbst einen Witz zu machen - da zieht man immer den Kürzeren", sagt Comedy-Frau Anke Engelke. Wenn er am Ende einer Lesung sagt, man könne ihm nun Fragen stellen, und sofort nachsetzt: "Wir können aber auch alle ganz schnell nach Hause gehen", traut sich niemand mehr, den Mund aufzumachen. Auch die Buchhändlerin weiß nicht recht, ob sie lachen soll, als Husmann ihr Blumenpräsent mit dem Satz quittiert: "Danke. Die passen perfekt zu meiner Allergie."

Husmann hat meist seine eigene Agenda. Er macht sich ungern abhängig von denen, die seine Texte sprechen. Auch das ist ein Vorteil, den der Autor gegenüber seinen Künstlern hat. Er kann viel schneller einfach was Neues machen - und kein Publikum kommt und will doch immer nur die alten Dinger. Und er langweilt sich schnell - auch im Schatten seiner Gag-Interpreten: "Kein Mensch hat ja so viele Facetten, dass es 15 Jahre spannend bleibt." Schon beim Kabarett fand er es öde, immer wieder dieselben Nummern runterzuspulen. Er denkt lieber über Neues nach. Der nächste "Dr. House", am besten aus Deutschland, am liebsten aus seiner eigenen Feder, was könnte das sein?

Eine Bundeswehr-Sitcom müsste es mal geben, sinniert er. Doch eine wirklich zündende Idee habe er bisher noch nicht: "Was schade ist, da ich jetzt vielleicht endlich auch die Möglichkeit hätte, so etwas durchzusetzen."