»Bei anderem Wetter andere Sieger«
- ️@derspiegel
- ️Sun Apr 12 1987
Die SPD hat bei den hessischen Landtagswahlen eine Niederlage erlitten. Ihre Stimmenverluste gegenüber der letzten Landtagswahl sind um so schmerzlicher, als damit auch in Hessen die Regierungsverantwortung für die Sozialdemokratie verlorenging.
Die politische Logik sprach schon vor der Hessen-Wahl dafür, daß das Ergebnis knapp ausfallen würde. Mithin mußte jede Partei auch die Eventualität der Niederlage einkalkulieren. Weil in der Tat nur wenige tausend Stimmen die beiden Koalitionen trennten, liegen Sieg und Niederlage fast im Bereich des Zufälligen. Ein anderes Wetter hätte womöglich einen anderen Sieger gesehen.
Vieles stand dem besseren Abschneiden der SPD im Wege. Der zeitliche Abstand zur Bundestagswahl war zu gering, als daß sich Unzufriedenheit mit der Bonner Politik schon zu dem bei Landtagswahlen üblichen oppositionellen Trend hätte kristallisieren können.
In Hessen selber war die SPD mit der Hypothek einer gescheiterten Koalition belastet. Sie stand vor der schwierigen Aufgabe, ihrer Wählerschaft vermitteln zu müssen, warum und wie es nun weitergehen sollte mit einem Partner, von dem man sich gerade getrennt hatte, weil es nicht mehr weiterging. Für die hessischen Sozialdemokraten kam erschwerend hinzu, daß sich die SPD eine überflüssige Führungsdebatte geleistet hat.
Der hessische Wahlkampf war der erste überhaupt, der von seiten der SPD mit einer Koalitionsaussage zugunsten der Grünen geführt wurde. Ist mithin die knappe Entscheidung gegen eine rot-grüne Koalition als eine grundsätzliche Absage der Wählerinnen und Wähler an ein solches Bündnis zu werten? Es liegt in der menschlichen Psyche, sich bewußt oder unbewußt gegen neue, ungewohnte Situationen zu sperren. Auch eine völlig neue, ungewohnte politische Konstellation muß erst die psychologischen Sperren vieler Wähler überwinden, bevor sie akzeptiert wird. Unter diesem Gesichtspunkt ist das rot-grüne Ergebnis in Hessen sogar bemerkenswert.
In einer parlamentarischen Demokratie sollte grundsätzlich jede demokratische Partei mit allen anderen demokratischen Parteien koalieren können. Die SPD hat sich immer zu diesem Prinzip bekannt. Ein System wie das unsere, in dem die Kontrolle der Exekutive de facto von den oppositionellen Fraktionen allein wahrgenommen wird, ist auf eine starke Opposition angewiesen.
Große Koalitionen sollten deshalb die Ausnahme sein, sollten Notlagen vorbehalten sein. Freilich muß jeder, der mit Sozialdemokraten koalieren will, das Gewaltmonopol und das Legalitätsprinzip des demokratischen Staates achten. Nicht die SPD, sondern die Grünen müssen klären, ob sie künftig koalitionsfähig und koalitionsbereit sein wollen. Vielleicht gibt es den Grünen zu denken, daß mit dem unnötigen Bruch der rot-grünen Regierungskoalition in Hessen eine große Möglichkeit verspielt wurde, den Plutoniumstaat zu verhindern.
Will die SPD den Trend wieder zu ihren Gunsten wenden, muß sie die öffentliche Diskussion auf ihre eigene politische Substanz lenken, muß sie ihre Stärke in der eigenen Identität wiederfinden. Sie darf nicht länger ihre Inhalte hinter vordergründigen Koalitions-, Kandidaten- und Führungsspekulationen verbergen. Solche Fragen sollen zu ihrer Zeit gestellt und gelöst werden.